Über gestiegenen Leistungsdruck und fehlende Freizeit innerhalb der Schulzeit wurde seit der Einführung von G8 ausführlich berichtet. Doch nur selten wurden die Hochschulen in die Diskussion einbezogen, ob die Verkürzung von 13 auf 12 Schuljahre wirklich sinnvoll sei. „Defizite in Mathematik und Fremdsprachen sind die offensichtlichsten Probleme, auf die wir als Hochschule heute reagieren müssen“, erklärt ISM-Präsident Prof. Dr. Ingo Böckenholt. Lücken offenbaren sich an der Wirtschaftshochschule bereits im Aufnahmeverfahren, in dem Leistungseinstufungen in Mathematik und Englisch vorgenommen werden. Heute gibt es kaum einen Studienanfänger, der nicht einen Vorbereitungskurs absolvieren muss, um Basiswissen aufzufrischen oder sich fehlendes Schulwissen anzueignen. „Wir verstehen uns nicht als Reparaturbetrieb der Gymnasien, das können wir gar nicht leisten“, so Böckenholt weiter.
Noch ein anderes Problem liegt für die Hochschulen auf der Hand. Durch die verkürzte Schulzeit und den Wegfall von Zivildienst und Wehrpflicht sind die Studienanfänger schlichtweg deutlich jünger als in der Vergangenheit. „Natürlich ist man mit 17 oder 18 Jahren in seiner Persönlichkeitsentwicklung noch nicht ausgereift. Wir sehen das an der Studienwahl, die jungen Interessenten oft sehr schwer fällt“, erklärt Böckenholt. Und die Herausforderungen ziehen sich durch den gesamten Studienverlauf. Für Erst- und Zweitsemester ist es aufgrund ihres Alters schwieriger geworden, einen Praktikumsplatz zu finden und erste Praxiserfahrung zu sammeln.
Auch für Stipendien kommen Studienanfänger immer seltener in Frage, weil ihnen für gesellschaftliches Engagement und Ehrenamt während der Schulzeit schlichtweg die Zeit fehlt. Das wahrscheinlich größte Problem steht vielen am Ende des Studiums bevor. Einen direkten Einstieg in das Berufsleben als Akademiker mit Anfang 20? Damit kann sich ein Großteil der Unternehmen nicht anfreunden und bietet erst einmal Traineeprogramme und Praktika an. Einen Ausweg verspricht das Master-Studium – weiterqualifizieren und dann später einsteigen lautet die Devise, doch dafür fehlen in Deutschland derzeit noch viele Studienplätze im Master. Durch G8 schneller fit für den Arbeitsmarkt und international konkurrenzfähig sein? Dieses Konzept ist aus Sicht der ISM nicht ganz aufgegangen. Für die Hochschulen wäre aus Sicht der ISM eine Rückkehr zum G9 wünschenswert.