Am 15. August ist Tag der Fehler. Sind Fehler oder „Fails“ ein Grund zum Feiern? Nach Aussage von Wirtschaftspsychologin Prof. Dr. Janine Netzel von der International School of Management (ISM) am Campus München bietet der konstruktive Umgang mit Fehlern tatsächlich viel Innovationspotenzial: „Es eint uns alle, dass wir ungerne Fehler machen. Aber sie sind auch der Ursprung dafür, dass wir uns weiterentwickeln können.“ Im Unternehmensalltag geht es dabei in erster Linie um Qualitätsmanagement, wie die ISM-Hochschullehrerin erläutert: „Wenn wir durch Fehleranalysen zum Ergebnis kommen, dass Prozesse umstrukturiert, verschlankt, oder anders gestaltet werden können, ist viel gewonnen.“
Angst vor dem Karriereknick häufige Ursache für mangelhafte Fehlerkultur
Die Vorteile einer transparenten Fehlerkultur sind durch zahlreiche Studien aus der Organisationspsychologie erwiesen. So wirkt sich der konstruktive Umgang mit Fehlern positiv auf die Leistungsfähigkeit, Innovationskraft und Zufriedenheit der Mitarbeitenden in Unternehmen aus. Diese Erkenntnis sei auch bei Führungskräften durchaus akzeptiert, wie Janine Netzel bestätigt: „Eine Studie von Ernst & Young aus dem Jahr 2023 hält beispielsweise fest, dass 50% der befragten Führungskräfte glauben, dass eine mangelnde Fehlerkultur Innovation im Unternehmen reduziert. Allerdings sagen in derselben Studie auch 64 Prozent der befragten Führungskräfte, dass sie ihre Fehler nicht zugeben oder vielleicht nur teilweise.“
Die Angst vor dem Karriereknick behindere in vielen deutschen Branchen einen transparenten Umgang mit Fehlern, erklärt die Wirtschaftspsychologin. „Am besten ist der Umgang mit Fehlern in der automotiven Branche, hier sagen nur ein Drittel der Führungskräfte, dass sie nicht transparent mit Fehlern umgehen würden.“ Wesentlich schlechter sei es dagegen um die Finanzbranche bestellt, so Netzel: „In der Finanzbranche wird in Sachen Fehlern am meisten unter den Teppich gekehrt. Hier sind es über 82% der Führungskräfte, die Fehler nur eingeschränkt eingestehen.“ Die Angst vor Gesichtsverlust sei in der Finanzbranche nun einmal besonders stark ausgeprägt.
Strategien für eine reflektierte Fehlerkultur
Dabei gebe es durchaus etablierte Strategien, um eine transparente Führungskultur in Unternehmen zu fördern, so die ISM-Wirtschaftspsychologin: „Der Sozialpsychologe Kurt Lewin lehrte uns bereits, dass es beim Umgang mit Fehlern auf die Einstellungen der Person wie auch auf die Werte und Kultur des Umfelds ankommt.“ Laut Expertin Janine Netzel sind folgende vier Aspekte hilfreich, um eine transparente Führungskultur in Unternehmen zu fördern:
- Authentische Unternehmenswerte und –leitlinien: „Es braucht Toleranz gegenüber Fehlern und Menschen sowie Experimentierfreudigkeit. Auch eine systematische Analyse ist wichtig. Dies muss den Mitarbeitenden klar signalisiert werden.“
- Personalauswahl und Onboarding: „Wichtig sind die Menschen, die ein Unternehmen tragen. Bei Personalauswahl und Onboarding sollte es daher nicht nur um fachliche Qualifikationen, sondern auch um die soziale Passung und Einbindung gehen.“
- Rahmenbedingungen für eine offene Kommunikations- und Feedbackkultur: „Es ist die Aufgabe des Unternehmens, Zeit und Raum für eine positive Fehlerkultur zu schaffen. Dies fängt bei Kommunikation und Feedback in den Teams und Abteilungen an und geht bis hinauf in die Vorstandsebene.“
- Vorbildfunktion von Führungskräften: „Führungskräfte sollten in ihrem Umfeld zur kritischen Reflexion anregen und selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Diese können sich selbstkritisch fragen: Wie authentisch leben sie eine offene Fehler- und Experimentierkultur? Welche Unterstützung, zum Beispiel durch Coaching, brauchen sie gegebenenfalls im Umgang mit eigenen Fehlern und zum Entwickeln einer positiven Fehlerkultur im Team? Wenn es um eine konkrete Fehleranalyse geht, ist zudem die Frage nach dem „Warum“ ganz wichtig. Also warum sind uns im Team gewisse Punkte gut gelungen und warum andere weniger?“