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Das Brexit-Abkommen: Fluch oder Segen für den deutschen Mittelstand?

Ein Kommentar des IWS Präsidenten Prof. Dr. Federico Foders

(PresseBox) (Berlin, )
Kaum jemand hat es in der Vorweihnachtszeit für möglich gehalten. Dennoch gelang an Heiligabend doch noch der Durchbruch. Die deutsche Ratspräsidentschaft konnte stolz verkünden, dass die langwierigen und zähen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Vereinigten Königreich (VK) (endlich) zu einem für beide Seiten akzeptablen Abschluss gekommen waren, und zwar noch vor Ende des Übergangszeitraums. Das Ende mit Schrecken („no deal“) mit seinen unabsehbaren ökonomischen und politischen Konsequenzen konnte so zumindest abgewendet werden. Als Ergebnis dieser langen Reise liegen jetzt zwei Abkommen vor, die in Zukunft die Beziehungen zwischen der EU und dem VK regeln sollen: das Austrittsabkommen vom 17.10.2019 (in Kraft seit dem 1.02.2020) und das Handels- und Kooperationsabkommen vom 24.12.2020 (in Kraft seit dem 1.01.2021).

Was wurde vereinbart? Der Warenhandel bleibt zwar frei von Zollsätzen und Kontingenten. Jedoch unterliegt er auf beiden Seiten Ursprungsregeln sowie  Zollformalitäten und gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Kontrollen. Die gegenseitige Anerkennung von  Konformitätsbewertungen fällt weg. Sonderregelungen bestehen für Waren, die bisher im Handel mit dem Königreich von Bedeutung waren, wie etwa Kraftfahrzeuge, pharmazeutische Erzeugnisse und chemische Produkte. Der Zugang zu den Fischfanggründen des VK ist für Fischer aus der EU um die Hälfte eingeschränkt worden und soll künftig weiter reduziert werden. Limitiert wurde der Handel mit Dienstleistungen: Der Europäische Pass für Finanzdienstleistungen wurde für britische Finanzdienstleister ebenso wie die vereinfachte Anerkennung von beruflichen Abschlüssen abgeschafft. Allerdings wollen beide Parteien bis März 2021 neue Bedingungen für Finanzdienstleistungen aushandeln. Während die britische Zentralbank die Finanzmarktregulierung in der EU scharf kritisiert, sind bei der Neuordnung der Finanzmärkte im VK Liberalisierungstendenzen zu verzeichnen. Im Hinblick auf den Verkehr sind der Luft- und Straßenverkehr (einschl. Fracht) erschwert worden. Ähnliches gilt für den Zugang des VK zum gemeinsamen Energiemarkt und zum Mobilitätsprogramm für Studierende und einigen Forschungsprogrammen der EU. Nicht zuletzt ist auch der freie Personenverkehr stark eingeschränkt worden: Briten dürfen nur noch höchstens 90 Tage visumfrei durch die EU reisen (und umgekehrt). Die Mitnahme von Heimtieren ist nur mit veterinärärztlichen Dokumenten erlaubt. Briten profitieren nicht mehr von der Abschaffung der Roaminggebühren innerhalb der EU und müssen künftig bei Geschäfts- und Urlaubsreisen die Drittlandgebühren ihrer Provider in Kauf nehmen.

Aufgrund der historisch sensiblen Situation an der Staatsgrenze zwischen der Republik Irland und Nordirland, verbleibt Nordirland sowohl im Binnenmarkt als auch in der Zollunion, allerdings nur zum Zweck des Außenhandels; dies wurde in einem Protokoll zum Austrittsabkommen festgelegt. Hinzu kommt die Aufrechterhaltung der Freizügigkeit für Iren und Nordiren. Britische Waren dürfen nach Nordirland exportiert werden und die Staatsgrenze in der Irischen See überqueren, sofern sie EU-Standards erfüllen. Verwaltet werden soll der Sonderstatus Nordirlands gemeinsam vom VK und der EU, wobei dem nordirischen Parlament Mitspracherechte („consent mechanism“) eingeräumt wurden.         

Fazit: Was wird aus den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und dem VK? Das VK ist Anfang des Jahres 2021 aus dem EU-Binnenmarkt und der -Zollunion ausgeschieden. Die Außenwirtschaftsbeziehungen zwischen der EU bzw. Deutschland und dem VK dürften sich in Zukunft etwas anders als bisher entwickeln. Ob Deutschland als wichtigster Handelspartner dem VK auch in Zukunft eng verbunden bleiben wird, wird davon abhängen, ob bisherige Geschäftsbeziehungen und Wertschöpfungsketten nach dem Brexit aufrechterhalten oder nur geringfügig angepasst werden können und inwieweit neue Beziehungen vielversprechend erscheinen. Die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt besitzt einige ökonomische Potentiale: Das VK ist führend bei Dienstleitungen, vor allem bei Finanzdienstleistungen, und bei der Digitalisierung des Staates (eGovernment). Auch beim Umbau des Energiesystems hat das Land große Fortschritte erzielt (Windräder in der Nordsee, Elektromobilität, Ladeinfrastruktur usw.). Aufholbedarf besteht im Infrastrukturbereich (Schienenverkehr, Gesundheitsversorgung usw.). Darüber hinaus bietet das VK eine marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaftspolitik, einen flexiblen Arbeitsmarkt, Zugang zu den Märkten des Commonwealth und eine Belastung von Unternehmen mit Steuern und Abgaben, die niedriger als in den meisten EU-Ländern ist. Für Unternehmen aus den EU-Mitgliedsländern dürfte die britische Währung zwar ein Risiko darstellen, das jedoch mithilfe von Finanzinstrumenten aus der „City“ beherrscht werden kann. Insgesamt könnte das VK im Rahmen des Freihandelsabkommen der EU mit dem VK für die deutsche Wirtschaft nach der Überwindung der Pandemie ein weiterhin interessanter Handels- und Investitionspartner bleiben.   
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