Die Zukunft der Produktionstechnik lässt sich schon heute aus nächster Nähe betrachten - am Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH). Dort wird unter anderem ein Navi für Gabelstapler erprobt, mit dem sich der Fahrer künftig in den langen Gängen großer Lagerhallen besser zurechtfinden kann. Auf den Regalplatz genau soll das Navigationssystem erkennen, wo die Ware abgeholt und hingebracht werden soll.
Die Wege in der Fabrik möglichst kurz zu halten, ist das Spezialgebiet von Projektingenieur Patrick Prüssing. Er beschäftigt sich mit Fabrikplanung - also damit, wie Fertigung, Montage, Lager und Büros sinnvoll im Gebäude angeordnet werden. Zur Demonstration schiebt Prüssing farbige Papier-Schablonen auf einem Grundriss hin und her. "Moderne und wandlungsfähige Fabriken werden aus Modulen zusammengesetzt, deren Anordnung sich später problemlos ändern lässt", erklärt Prüssing. Wo sich heute noch eine Fertigungslinie befindet, kann bald schon ein Lager sein. "Und wenn heute Butterkekse und morgen Schoko-Röllchen produziert werden sollen, ist das auch kein Problem" so Prüssing. Dann erklärt er den Gästen, was die Kekspackungen auf seinem Schreibtisch mit seiner Arbeit zu tun haben: Das IPH war an der Restrukturierung der Bahlsen-Keksfabrik in Barsinghausen beteiligt - mit großem Erfolg. 2011 wurde das Werk von der Zeitschrift Produktion und der Unternehmensberatung A.T. Kearney als "Fabrik des Jahres" in der der Kategorie "Hervorragende Standortentwicklung" ausgezeichnet.
In der Versuchshalle des IPH können die Gäste bei der Jubiläumsfeier beobachten, wie 1200 Grad heißes Metall geschmiedet wird. IPH-Mitarbeiter Dirk Faikosch holt das glühende Metall mit einer langen Zange aus dem Ofen und legt es in die Presse. Die Umformung beginnt, es kracht - und fertig ist ein Werkstück, das später in einer Autokupplung verwendet werden kann. Am IPH haben solche Schmiedeversuche unter anderem das Ziel, Ausschuss zu reduzieren. Denn ob ein Werkstück fehlerhaft ist - beispielsweise, weil das Metall die Form nicht vollständig ausgefüllt hat - merkt man erst nach dem Schmieden, wenn es abgekühlt ist und weiterverarbeitet werden soll. "Das kostet natürlich Zeit und Geld", erklärt IPH-Geschäftsführer Dr. Georg Ullmann. Um bereits während des Schmiedens festzustellen, ob die Form vollständig gefüllt ist, haben die IPH-Ingenieure intelligente Schmiedewerkzeuge entwickelt. "Herkömmliche Sensoren konnten wir dafür nicht verwenden, weil sie die Hitze nicht aushalten würden", erklärt Ullmann. "Also legen wir eine Spannung an. Wenn die Form vollständig gefüllt ist, schließt sich ein Stromkreis, und wir wissen: Das Schmiedeteil ist in Ordnung."
Unter den rund 60 Mitarbeitern des IPH sind derzeit etwa 25 Projektingenieure. "Die meisten unserer Mitarbeiter bleiben vier Jahre am Institut und haben das Ziel, zu promovieren", sagt Ullmann. Geforscht wird auf vier Gebieten: Im Bereich Produktionsautomatisierung entstand das Stapler-Navi, in der Logistik werden unter anderem Fabriken geplant, im Forschungsschwerpunkt Umformtechnik werden Schmiedeverfahren verbessert. Zudem erforscht das IPH seit 2008 auch XXL-Produkte wie Windenergieanlagen, Containerschiffe und Flugzeuge. Die Ingenieure haben unter anderem ein Leichtbau-Konzept entwickelt, mit dem sich Windräder noch höher bauen lassen. Damit steigt auch der Windertrag, weil in höheren Luftschichten mehr Wind weht.
In den 25 Jahren seines Bestehens haben sich die Forschungsschwerpunkte des Instituts ständig weiterentwickelt. Als es 1988 aus der Leibniz Universität Hannover heraus gegründet wurde, trug es noch den Namen CIM-Fabrik Hannover. "CIM steht für Computer Integrated Manufacturing, also für die Steuerung von Fabrikationsprozessen durch Computer", erklärt Professor Dr. Bernd-Arno Behrens, einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter des IPH, in seiner Begrüßungsrede bei der Jubiläumsfeier. "CIM war damals das große Thema in der Produktionstechnik." Die Gründung wurde damals vom Niedersächsischen Wirtschaftsministerium und vom Computerkonzern IBM unterstützt.
Seit 1991 hat das Institut seinen Sitz im Wissenschaftspark Marienwerder im Nordwesten von Hannover. 1993 wurde es in Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) umbenannt. Fünf Jahre nach der Gründung wurde CIM bereits in den meisten Fabriken umgesetzt, das Institut setzte sich neue Forschungsschwerpunkte. Bis heute treu geblieben ist es dem Ziel, Produktionsprozesse zu verbessern und dabei eng mit der Industrie zusammenzuarbeiten. Die gemeinnützige GmbH versteht sich als Dienstleister auf dem Gebiet der Produktionstechnik, die nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern auch Beratung und Qualifizierung anbietet. "Wir wollen, dass unsere Forschungsergebnisse auch den Weg in die Praxis finden", so Ullmann. "Besonders mittelständische Unternehmen aus Niedersachsen sollen von unserer Arbeit profitieren."
Doch auch Großkonzerne gehören zu den Kunden des IPH - darunter Continental, Volkswagen und Airbus. Über "Die Zukunft des Fliegens" sprach beim Jubiläum Dr. Kai Brüggemann, Werkleiter am Airbus-Standort Hamburg-Finkenwerder, der auch dem Beirat des Instituts angehört. Umweltfreundliche Flugzeuge, die mit Algen-Treibstoff fliegen, oder selbstheilende Strukturen, die bei Schäden in ihre Ursprungsform zurückkehren - Brüggemann erklärte, wie das Flugzeug der Zukunft aussehen könnte.
Zum Geburtstag gratulierten dem IPH auch Hauke Jagau, Präsident der Region Hannover, und Hannovers Erster Bürgermeister Bernd Strauch. Unter den 120 Jubiläumsgästen waren zudem Projektpartner, Förderer, Mitarbeiter von Kunden-Unternehmen und befreundeten Instituten sowie viele ehemalige Mitarbeiter, die in den vergangenen 25 Jahren am IPH promoviert haben.