Weht der Wind und scheint die Sonne, ist viel Ökostrom im Netz, nachts und bei Flaute sieht es anders aus. Je mehr Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, desto stärker schwankt das Angebot und damit der Strompreis an der Börse - Fachleute sprechen von zunehmender Volatilität. Ausgeglichen werden diese Schwankungen derzeit mit Erdgas und Kohle, doch das schadet dem Klima. Soll die Energiewende gelingen und unser Strom irgendwann nur noch aus erneuerbaren Quellen stammen, dann müssen sich auch die Verbraucher anpassen: Sie müssen den Strom dann nutzen, wenn viel davon zur Verfügung steht.
Die Energieversorger bieten daher zunehmend flexible Stromtarife an: Schwankende Preise sollen die Kunden dazu bringen, den Strom dann zu verbrauchen, wenn er gerade reichlich vorhanden und somit günstig ist - und Strom zu sparen, sobald er knapp und teuer wird. Mithilfe dieser Tarife soll eine gleichmäßige Auslastung des Stromnetzes sichergestellt werden. Unternehmen können die schwankenden Preise nutzen, um ihre Energiekosten zu senken. Das ist auch dringend nötig, denn gerade produzierende Betriebe leiden unter den steigenden Strompreisen, die sich laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft seit dem Jahr 2000 fast verdreifacht haben. Bis im Jahr 2023 das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet wird, sollen die Strompreise noch einmal um fast 50 Prozent steigen. In einigen Branchen geben deutsche Unternehmen schon heute mehr Geld für Energie aus als für Personal.
Das IPH will besonders kleinen und mittleren Unternehmen dabei helfen, ihre Energiekosten zu reduzieren - ganz ohne teure Investitionen in neue Maschinen oder Produktionstechniken. Denn viele Unternehmen können allein dadurch sparen, dass sie ihre Aufträge clever verteilen und energieintensive Arbeiten dann erledigen, wenn der Strom gerade günstig ist.
Bei kleinen Unternehmen handelt es sich häufig um sogenannte Auftragsfertiger, die ihre Ware auf Bestellung herstellen, statt auf Lager zu produzieren. Wann welcher Auftrag auf welcher Maschine erledigt wird, bestimmt die sogenannte Fertigungssteuerung. Auf die Energiekosten achten Unternehmen bei der Verteilung ihrer Aufträge bisher allerdings kaum. Berücksichtigt werden lediglich logistische Zielgrößen, nämlich kurze Durchlaufzeiten, eine hohe Termintreue, eine hohe Auslastung und niedrige Bestände. Das bedeutet, dass Aufträge einerseits schnell erledigt und pünktlich fertiggestellt werden müssen, sonst ist der Kunde unzufrieden. Andererseits müssen Maschinen und Mitarbeiter wenig Leerlauf haben und es dürfen sich nicht zu viele halbfertige Produkte in Zwischenlagern ansammeln, sonst bindet das Unternehmen Kapital, welches für andere Investitionen verwendet werden könnte.
In dem Forschungsprojekt sollen erstmals sowohl Energiekosten als auch logistische Zielgrößen bei der Fertigungssteuerung berücksichtigt werden. Das IPH will bestehende Verfahren der Fertigungssteuerung weiterentwickeln, sodass sich Aufträge so verteilen lassen, dass möglichst wenig Geld für Energie ausgegeben werden muss - ohne dass Termintreue oder Auslastung leiden, Leerläufe entstehen oder sich Bestände ansammeln. Im Projekt soll ein Software-Demonstrator entwickelt werden, mit dem Unternehmen ganz einfach berechnen können, bei welcher Auftragsverteilung welche Energiekosten entstehen, um sich dann für die günstigste Variante entscheiden zu können.
Profitieren werden von den Forschungsergebnissen zuerst jene Unternehmen, die sich an dem Projekt beteiligen. Kleine und mittelständische Unternehmen haben noch die Chance, Mitglied im projektbegleitenden Ausschuss zu werden. Gesucht werden Firmen aus ganz Deutschland, die mithilfe ihrer schwankenden Energieverbräuche die Energiekosteneffizienz erhöhen wollen. Im projektbegleitenden Ausschuss sollen sie Erfahrungen aus der Praxis einbringen und die Wissenschaftler beraten. Zudem können sie sich branchenübergreifend und unentgeltlich mit anderen Unternehmen zum Thema der energiekosteneffizienten Fertigungssteuerung austauschen.
Interessierte Unternehmen melden sich bei Stefan Willeke vom Institut für Integrierte Produktion Hannover unter Telefon 0511 / 279 76 442 oder per E-Mail an willeke@iph-hannover.de. Das Kick-Off-Treffen des projektbegleitenden Ausschusses findet am Freitag, 7. März, in Hannover statt. Neue Mitglieder können kurzfristig daran teilnehmen oder zu einem späteren Zeitpunkt in das Projekt einsteigen. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und läuft bis Ende 2015.