Mit einer Risikoanalyse haben die IPH-Ingenieure dazu beigetragen, Schwachstellen bereits im Voraus zu erkennen und Fehler zu vermeiden. Denn um die sogenannte Große Schwinge und den Rollentisch auszutauschen, hatten die Monteure exakt 91 Tage Zeit – maximal so lange konnte die Kohleförderung unterbrochen werden. Weder fehlerhafte Bauteile noch ein defekter Kran durften das Projekt verzögern.
Um Risiken zu erkennen, haben die Ingenieure auf eine bewährte Methode zurückgegriffen: die Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA). Dabei werden potenzielle Fehler aufgelistet und nach drei Kriterien bewertet: Wie wahrscheinlich ist es, dass der Fehler auftritt? Wie schwerwiegend wäre dies für das Gesamtprojekt? Und wie wahrscheinlich ist es, dass der Fehler unentdeckt bleibt und somit weitere Probleme nach sich zieht? Aus den drei Kriterien ergibt sich die sogenannte Risikoprioritätszahl. Je höher diese Zahl, desto wichtiger ist es, vorbeugend Gegenmaßnahmen zu treffen – und einen Plan B festzulegen für den Fall, dass das Problem dennoch auftritt.
Bei Großprojekten kann es schon bei der Anlieferung der Bauteile zu Verzögerungen kommen – wenn sich beispielsweise herausstellt, dass der Schwerlasttransporter zu breit für die vorgesehene Strecke ist. Um das zu vermeiden, braucht es einerseits sorgfältige Vorbereitung und andererseits eine Alternative für den Notfall. Ebenso problematisch wäre es, wenn ein Kran ausfällt oder das Gerüst nicht stabil genug steht. All das ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, könnte aber im Extremfall das gesamte Projekt gefährden. Deshalb müssen die Verantwortlichen für jede denkbare Panne Vorkehrungen treffen.
Im Fall der Abraumförderbrücke haben die IPH-Ingenieure eng mit den Verantwortlichen der TAKRAF GmbH und der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) zusammengearbeitet. LEAG betreibt den Tagebau Nochten in Boxberg in der Oberlausitz, in dem die Förderbrücke im Einsatz ist. TAKRAF hat die Brücke ursprünglich gebaut und hat in den vergangenen drei Monaten die Große Schwinge und den Rollentisch ausgetauscht.
Mit 502 Metern Länge und einem Gewicht von 13.500 Tonnen gilt die Abraumförderbrücke F 60 als größte fahrbare Arbeitsmaschine der Welt. Seit etwa 40 Jahren ist sie in Betrieb. Im Braunkohletagebau transportiert sie Abraum – also das Deckgebirge über der Kohle – und legt so den Kohleflöz frei. Binnen einer einzigen Stunde kann die Förderbrücke 26.600 Kubikmeter Abraum transportieren, damit ließe sich ein Fußballfeld vier Meter hoch bedecken.
Der Austausch der Großen Schwinge und des Rollentischs war nicht nur wegen der Größe der Bauteile so kompliziert. Auf ihnen lastet auch das Gesamtgewicht der Brücke. Diese musste deshalb zunächst angehoben und mit einer Hilfskonstruktion abgestützt werden. Erst dann konnten die Große Schwinge und der Rollentisch demontiert und durch die neuen Bauteile ersetzt werden. Die Kohleförderung wurde in dem Zeitraum reduziert.
Dass der Austausch reibungslos und fristgerecht vonstattenging, lag auch an der jahrelangen Vorbereitung. Das IPH begleitet das Projekt seit Sommer 2013: Damals haben die Ingenieure eine 3D-Ablaufsimulation erstellt, die zeigt, welche Arbeitsschritte zum Auswechseln der Bauteile nötig sind. Mit ihrer Risikoanalyse haben sie nun dazu beigetragen, dass bei der Sanierung der Brücke nichts schiefgegangen ist.
Simulationen und Risikoanalysen von Produkten oder Prozessen lohnen sich nicht nur für Großprojekte wie dieses. Jedes Unternehmen kann Geld sparen, indem es Fehler und Verzögerungen vermeidet und beispielsweise bei Wartungsarbeiten die laufende Produktion nur so lange unterbricht wie unbedingt nötig. Bei der Planung unterstützen die Ingenieure des IPH gern mit ihrem Erfahrungswissen. Ansprechpartner ist Dr.-Ing. Björn Eilert, zu erreichen ist er unter der Telefonnummer 0511 / 279 76-229 oder per E-Mail an eilert@iph-hannover.de.