„Viele Fabriklayouts sind historisch gewachsen, die Abläufe werden mit der Zeit oft ineffizient. Hier ließe sich viel optimieren – aber vor allem kleine und mittlere Unternehmen scheuen den Aufwand“, sagt Dominik Melcher, der am IPH das Forschungsprojekt „Instant Factory Maps“ leitet. Schon die Vorbereitung ist enorm zeitaufwendig: Die komplette Fabrikhalle mit sämtlichen Maschinen und Lagerflächen wird von Hand ausgemessen und anschließend in ein Computermodell übertragen. Erst dann kann die eigentliche Optimierung beginnen. „Die händische Datenaufnahme und -analyse macht bis zu 50 Prozent des gesamten Arbeitsaufwandes aus“, sagt Melcher.
Das soll sich ändern: In Zukunft soll eine Drohne das Fabriklayout im Flug erfassen. 3D-Kameras oder Laserscanner an Bord vermessen die komplette Fabrikhalle. Die Daten werden anschließend am Computer verarbeitet und analysiert: Maschinen, Hochregale und Wege werden automatisch erkannt und eingezeichnet. Aus den Daten entsteht schließlich ein dreidimensionales Modell, das sich direkt bearbeiten lässt, beispielsweise mit einem CAD-Programm.
Die Layouterfassung wird auf diese Weise deutlich schneller gehen als bisher. Statt in wochen- oder monatelanger Handarbeit ließe sich automatisiert binnen weniger Stunden ein 3D-Modell der Fabrik erzeugen. Das nützt vor allem kleinen und mittleren Unternehmen, die ihre Produktion effizienter gestalten wollen, aber wenig Zeit und Geld investieren können. Das IPH will die neue Technologie auch selbst nutzen: Seit fast 30 Jahren planen und optimieren die Ingenieure Fabriken. Mit der automatisierten Layouterfassung können sie diese Dienstleistung künftig günstiger anbieten und ihren Kunden in deutlich kürzerer Zeit Ergebnisse liefern.
Zunächst müssen die Forscher jedoch zwei große Herausforderungen meistern. Zum einen muss die Drohne ihren Standort jederzeit exakt bestimmen können – das funktioniert bisher nicht in geschlossenen Räumen. Zum anderen muss ein Algorithmus die Bilder richtig interpretieren – also zuverlässig erkennen, was eine Maschine ist und wo sich beispielsweise ein Hochregal befindet.
Bisher werden Kamera-Drohnen unter anderem eingesetzt, um Baustellen zu überwachen. Ihren Standort können sie zuverlässig per GPS bestimmen, allerdings nur unter freiem Himmel. Für den Einsatz in geschlossenen Räumen müssen die Forscher eine völlig neue Technologie entwickeln. Zur Orientierung könnte beispielsweise ein Funksender dienen, der mit der Drohne über WLAN verbunden ist. Bleibt dieser an einem festen Punkt in der Fabrik stehen, lässt sich die Position der Drohne aus dem Abstand und dem Winkel zum Sender berechnen. Denkbar wäre auch, die Bewegung der Drohne über Beschleunigungssensoren nachzuvollziehen und so zu berechnen, wie weit sie in welche Richtung geflogen ist. Eine dritte Möglichkeit wäre die Ortung über einen sogenannten SLaM-Algorithmus. SLaM steht für Simultaneous Localization and Mapping: Die Drohne filmt die Fabrikhalle, erstellt aus den Bildern eine Karte und erkennt auf dieser Karte ihre eigene Position. Mobile Roboter sind dazu schon in der Lage – „allerdings müssen wir noch untersuchen, ob die Ortung für unseren Anwendungsfall genau genug ist“, sagt Melcher.
Zudem entwickeln die Forscher am IPH eine Software zur Datenverarbeitung. Bisher gibt es lediglich Algorithmen, die aus mehreren Einzelaufnahmen ein dreidimensionales Bild zusammensetzen – interpretieren können sie dieses Bild jedoch noch nicht. Das IPH will nun einen Algorithmus entwickeln, der aus Erfahrung lernt: „Bei den ersten Fabriklayouts, die die Drohne erfasst, wird noch ein Experte Maschinen und Lager markieren“, erklärt Melcher. „Der Algorithmus erkennt darin Muster und ist bald in der Lage, die Daten automatisch zu interpretieren.“
Um den Algorithmus anzulernen, ist das IPH auf der Suche nach produzierenden Unternehmen, die die Layouterfassung per Drohne ausprobieren wollen und bereit sind, die Ergebnisse zu prüfen und zu korrigieren. Auch Unternehmen, die Drohnen herstellen, mit Drohnen arbeiten oder sich mit Bildverarbeitung beschäftigen, können sich am Forschungsprojekt beteiligen. Das erste Projekttreffen findet am 27. Juni 2017 in Hannover statt. Interessierte Unternehmen melden sich bei Projektleiter Dominik Melcher unter der Telefonnummer (0511) 279 76-223 oder per E-Mail an melcher@iph-hannover.de.
Das Forschungsprojekt „Instant Factory Maps“ wird vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert und läuft zwei Jahre.