„Mit der Multimedia-Plattform 3020 LifeX haben wir ein System geschaffen, das entweder als Notrufanlage oder als Radio Dispatching funktioniert, speziell aber kombiniert einsatzbar ist, in welchem der größte Mehrwert dieser neuen sicherheitskritischen Plattform besteht“, erläutert Robert Nitsch, Vice President Public Safety bei Frequentis. Den zweiten Wettbewerbsvorteil sieht Nitsch im modularen Aufbau, der auf die individuellen Bedürfnisse der Auftraggeber zugeschnitten ist. „Die Kunden entscheiden, welche Funktionen in ihrem System anwendbar sind. Der Ausgangspunkt für alle Installationen ist immer, dass die Disponenten und Disponentinnen der Kommunikationszentralen der Kunden stets Hoheit über alle Entscheidungen haben.“ Ob Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, kritische Infrastrukturen in Industriebetrieben – so vielfältig wie die Zielkunden, deren Kontrollsysteme Frequentis ausstattet, sind auch deren technologische Standards und operationelle Abläufe.
Für den Geschäftsbereich Öffentliche Sicherheit von Frequentis bedeutete die Entwicklung der Plattform 3020 LifeX einen technologischen Quantensprung von einem bislang hardwarezentrierten Geschäft zu softwarebasierten Produkten. Frequentis-Experte Nitsch erinnert sich, dass dieser Prozess firmenintern 2012 ins Laufen kam. Unter dem Motto „Die Zukunft wird eine All IP World“ kamen die für die Forschung und Entwicklung verantwortlichen Experten zum Schluss, dass auf Sicht der nächsten zwei Jahrzehnte die Kommunikationssysteme in sicherheitskritischen Organisationen softwarebasiert
funktionieren werden. Für die Produktentwicklung definierte Frequentis drei Elemente als Basis: ein Adapterkonzept für die Integration aller missionskritischen Infrastrukturen, eine cloudfähige IT-Architektur und Java als Hauptprogrammiersprache.
Zugleich waren sich die Frequentis-Verantwortlichen bewusst, dass eine Zeitspanne von zehn bis 15 Jahren erforderlich ist, um die alten Kommunikationssysteme von Blaulichtorganisationen komplett durch softwarebasierte Anwendungen zu ersetzen. Diese Erkenntnis bildete die Grundlage dafür, dass Frequentis seine softwarebasierten Produkte auf modularer Basis anbietet. Auf diese Weise können die Kunden alle Technologien und Anwendungsfunktionen stufenweise integrieren - angefangen von der Notrufannahme über Kontrollzentren bis zur Integration der einsatzkritischen Sprach- und Datenkommunikation in die Funksysteme. In der Praxis geht es hier darum, das Zusammenwachsen und Bedienen von Sprache, Video, Messenger-Diensten, Daten und Bildern aus dem Kontrollraum in Richtung Einsatzleitung auf den technologisch neuesten Stand zu bringen.
Bis die neuen Kommunikationssysteme sich über erste Großaufträge kommerzialisieren ließen, investierte Frequentis nach eigenen Angaben im niedrigen achtstelligen Bereich in Forschung und Entwicklung. Wie bei anderen Blaulichtorganisationen ist Deutschland auch bei der Polizei der für Frequentis geografisch größte Markt. Das erste Highlight war zweifelsohne der 2019 unterzeichnete Vertrag mit der Polizei Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen des Projekts MVL wurde 3020 LifeX in insgesamt 50 Polizeileitstellen und 385 Leitstellen-Arbeitsplätze implementiert.
Aufträge in England durch die London Metropolitan Police, in Katar und in Australien haben dazu beigetragen, das Geschäft international zu erweitern. Was mit zehn Spezialisten begann, umfasst bei Frequentis jetzt einen Pool von weit über 100 Personen, die an Projekten rund um LifeX mitarbeiten. Die Umsatzvolumina schwanken im LifeX-Bereich zwischen Werten im unteren Millionenbereich bis zu zehnjährigen Verträgen im Umfang von mehr als 30 Millionen Euro.
Je nach Kunden variieren die Zahlungsmodelle: Vorabzahlungen in der Größenordnung von zehn Prozent des Gesamtbetrags sind eine Variante wie leistungsfortschrittsabhängige Meilensteinzahlungen oder monatliche Gebühren. Eine Konstante ist, dass über die Software weitere Umsätze mit Services und Cross-Selling generiert werden. „Unser Ansatz ist das Evergreen-Modell, mit dem wir die Anwendungen permanent weiterentwickeln. Die einzelnen Umsatzkanäle werden aktiviert, je nachdem welche Art von Geschäft in den jeweiligen Kundenverträgen definiert wurde“, erläutert Nitsch.
Für das LifeX-System erhielt Frequentis im Jahr 2022 den renommierten Critical Communications Association Control Room Innovation Award. Sehr gut positioniert ist Frequentis bei Installationen von Großanlagen bei Polizei und regionalen Blaulicht-Organisationen. Hier ist das Unternehmen Nitsch zufolge bei jeder Großausschreibung in Europa dabei. Die Gesellschaft fährt dabei eine zweigleisige Strategie: die Produktgruppe ASGARD kommt bei lokalen Feuerwehr-Organisationen und kleinen Anlagen mit kleineren Architekturen in Deutschland zum Einsatz. LifeX wird dagegen in Kommunikationszentralen weltweit mit einer Vielzahl von Standorten und einer größeren Mitarbeiterzahl vom dreistelligen Bereich aufwärts installiert.
In den vergleichsweise neuen Märkten USA und Australien wiederum tendieren die Kunden zu zentralisierten gehosteten Systemen. Der im März unterzeichnete Vertrag mit Tait Communications könnte die Expansion in den nordamerikanischen Markt beschleunigen. Die exklusive Vereinbarung mit dem Reseller sieht vor, dass Tait die LifeX-Software bei seinen Kunden einsetzt, um analoge und digitale Funksysteme sowie Kommunikationstechnologien wie Digital Mobile Radio (DMR) und Mission-Critical Data (MCX) zu integrieren.
Mittel- bis langfristig könnte der Vertrag mit Tait als erstem Wiederverkäufer in den USA dem umsatzmässig kleineren Segment Öffentliche Sicherheit & Verkehr (PST) innerhalb der Frequentis-Gruppe einen weiteren Umsatz- und Ertragsschub bescheren. Im ersten Halbjahr 2024 steigerte PST den Auftragseingang um neun Prozent. Die zunehmenden Lizenzzahlungen mit dem immer stärker softwarezentrierten Geschäft sollten bei anhaltend steigenden Auftragseingängen die Profitabilität weiter nach oben schieben.
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