Die Künstliche Intelligenz hat gerade ihren ersten großen Hype durchlaufen, befeuert vor allem durch ChatGPT. Wie steht es denn um konkrete Anwendungen in der Wirtschaft?
Klaus Werner: Was heute allgemein unter dem Begriff KI läuft, ist ja längst in den Unternehmen angekommen: So erkennen zum Beispiel intelligente Algorithmen in Sekundenschnelle Muster in großen Datenmengen und geben wertvolle Hinweise – auf Fehler in der Produktion oder auffällige Datenzugriffe etwa. Neu ist die Generative KI, mit der wir einen Dialog führen und von der wir uns in vielen Bereichen unterstützen lassen können.
Von der dann auch kleinere Unternehmen profitieren können?
Klaus Werner: Richtig. Der Mittelstand, das Rückgrat unserer Wirtschaft, durchläuft einen kontinuierlichen Wandel durch technologische Innovationen. Hinzu kommen steigende Kundenanforderungen, aber auch andere Herausforderungen wie etwa der Fachkräftemangel. KI kann hier eine Schlüsselrolle einnehmen und ein Motor für Innovation und Effizienz sein.
Welche Chancen bieten sich denn mittelständischen Betrieben mit KI?
Klaus Werner: Ein Beispiel ist unser Kunde Frutania, einer der größten Lieferanten von Obst und Gemüse für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Wir haben gemeinsam mit dem Unternehmen eine maßgeschneiderte Logistik-Lösung entwickelt: Ein intelligentes Video-Trackingsystem scannt alle Paletten, die das Lagertor passieren, und wertet die Daten mittels KI aus. Das ermöglicht Frutania eine optimierte Lagerplanung und garantiert die Frische der Produkte.
Aber auch die Sprach-Kommunikation kann Künstliche Intelligenz auf ein völlig neues Level heben. Für die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) haben wir beispielsweise einen KI-Simultanübersetzer entwickelt. „transcribbyAI“ kann Gesprochenes aufnehmen, verarbeiten und in Echtzeit in mehr als 100 Sprachen übersetzen. Per Smartphone-App können Zuhörer damit Vorträge in ihrer Muttersprache verfolgen. Hilfreich ist die KI-Lösung auch für Menschen mit Höreinschränkungen, die das Gesprochene auf einem Monitor mitlesen können. Die DLG erreicht damit ein deutlich breiteres Publikum. Das Übersetzungstool basiert auf den neuesten KI-Sprachmodellen von Microsoft Azure AI Services und wird von uns DSGVO-konform auf deutschen Servern mit geprüfter IT-Sicherheit betrieben. Die DLG setzt den Simultanübersetzer auf Fachmessen ein, zum Beispiel bei der EuroTier im November, eine der weltweit führenden Veranstaltungen für die professionelle Tierhaltung.
Nutzen Sie selbst schon KI im Arbeitsalltag?
Klaus Werner: Bei uns sind mehrere Hundert KI-Systeme im Einsatz. Wir haben einen hauseigenen Chatbot auf Basis von ChatGPT eingeführt und rollen gerade intern einen persönlichen KI-Assistenten aus, um unsere Mitarbeitenden zu unterstützen und ihnen die Arbeit zu erleichtern. Und unseren digitalen Assistenten „Frag Magenta“ erweitern wir bereits seit Jahren um KI-Fähigkeiten, damit er Kunden noch schneller und kompetenter beraten kann. Sie können Ihr Anliegen jetzt in natürlicher Sprache frei formulieren – und der Chatbot versteht Sie und hilft Ihnen weiter. Damit entlasten wir natürlich auch uns selbst: „Frag Magenta“ führt etwa vier Millionen Kundendialoge pro Jahr; so gewinnen unsere Mitarbeitenden Zeit, sich um komplexere Anfragen zu kümmern.
Und natürlich nutzen wir KI auch bei der Cyberabwehr. So suchen wir über KI-Plattformen nach möglichen Schwachstellen bei uns, aber auch bei unseren Kunden. Algorithmen sind nun mal viel besser und schneller darin, Muster zu erkennen und Abweichungen zu identifizieren, die auf Angriffe hinweisen. Die KI berät zudem bei der Wahl von Gegenmaßnahmen und erstellt praktischerweise auch anschließend automatisch die Berichte – eine Aufgabe, die unsere Mitarbeitenden mit Freude abgegeben haben.
Was braucht es denn technisch, um das Potenzial von KI voll auszuschöpfen?
Klaus Werner: Infrastruktur! Damit meine ich ausreichende Rechenzentrumskapazitäten für Cloudanwendungen, aber auch eine schnelle, zuverlässige und sichere Konnektivität. Die Glasfaser ist zum Beispiel die Lebensader für die Verarbeitung großer Datenmengen und die Echtzeitkommunikation. Und als Option für mobile Anwendungen oder als Backup bietet sich der leistungsstarke 5G-Mobilfunk an.
Und welche KI-Tools sollten sich Unternehmen nun anschauen?
Klaus Werner: Die Anforderungen sind oft individuell, es gibt meist kein „one size fits all“. Künstliche Intelligenz kann in nahezu allen Branchen und für Unternehmen jeder Größe interessant sein. Entsprechend entwickeln die Anbieter KI-Lösungen, die auf die Bedürfnisse der Betriebe zugeschnitten sind. Hier ist individuelle Beratung gefragt. Deshalb setzen sich unsere Expertenteams mit dem Kunden in einem Workshop zusammen und sprechen über individuelle Wünsche und Ziele. Wir analysieren die Prozesse, die der Kunde verbessern – oder ganz neu aufsetzen – möchte und entwickeln eine Strategie, wie sich das mit KI umsetzen lässt.
Ich kann also nicht einfach einen KI-Helfer von der Stange kaufen?
Klaus Werner: Doch, auch das ist möglich. Wenn es zum Beispiel generell um eine sichere generative KI-Lösung zum Festpreis geht. Für diese Fälle haben wir unser Business GPT entwickelt. Die Lösung bietet Zugriff auf das jeweils aktuelle KI-Modell von ChatGPT-Anbieter OpenAI, ist dabei aber sicher: Die eingegebenen Daten verarbeiten wir DSGVO-konform in einer abgesicherten europäischen Microsoft-Cloud – und zwar in einer exklusiven Umgebung, also getrennt von anderen Nutzern. Das stellt sicher, dass keine internen Informationen in den öffentlich zugänglichen Datenpool gelangen und die Verwendung der KI im Einklang mit den Unternehmensrichtlinien erfolgt. Für den Mittelstand interessant: Business GPT ist förderfähig. Man kann sich vom Bund oder vom Land bis zu 70 Prozent der Investitionskosten zurückholen.
Und damit kann ich alles tun, was mir auch das öffentliche ChatGPT bietet?
Klaus Werner: Mehr sogar: Da Sie die KI mit Unternehmensdaten füttern können, was sich beim öffentlichen GPT verbietet, lernt das Tool immer weiter hinzu und liefert mit der Zeit immer präzisere, auf Ihren Anwendungsfall passende Ergebnisse. Der Energieparkentwickler UKA nutzt unser Business GPT zum Beispiel, um seinen Mitarbeitenden einen sicheren Zugriff auf ein GPT-Modell zu ermöglichen. Über das firmeneigene Intranet, im Corporate Design. „UKA GPT“, wie der Kunde seine Version genannt hat, unterstützt bei Routinearbeiten und fasst zum Beispiel komplexe Passagen aus Gesetzestexten auf Knopfdruck verständlich zusammen. UKA wird übrigens am 18. und 19. September auf unserer Digitalisierungsmesse Digital X 2024 in Köln eine Masterclass halten und interessierten Unternehmen zeigen, wie Business GPT den Einstieg in die KI-Technologie für den Mittelstand vereinfacht. Überhaupt wird KI auf dem Event bei allen Trendthemen wie Nachhaltigkeit, Cybersicherheit, vernetzte Geschäftsmodelle oder auch Zukunft der Arbeit präsent sein.
Herzlichen Dank für das Gespräch Herr Werner.