„Der Trend, aus der gewerkschaftlichen Gesamtsolidarität auszubrechen, wird sich bei hoch spezialisierten Berufsgruppen wohl weiter fortsetzen“, sagte der Frankfurter Politikwissenschaftler Professor Josef Esser in karriere. Aufgrund ihres fachlichen Monopols sei es für sie leicht, vorteilhafte Abschlüsse zu erreichen.
Die Ursachen sind vielfältig: Es geht um bessere Arbeitsbedingungen, Gehalt und Prestige. So bei den Ärzten. „Wie kaum eine Berufsgruppe haben sie in letzter Zeit einen Statusverlust erlitten, den sie nun über Gehaltsforderungen kompensieren“, sagt Gewerkschaftsforscher Jörn Pyhel vom Hamburger Institut für Sozialforschung. „Bei einer großen Gewerkschaft kämen sie damit nicht durch.“
Die sich verändernden Bedingungen des Arbeitsmarktes höhlen das Gewerkschaftssystem zusätzlich aus. Die Macht der Ingenieure etwa liegt in der großen Nachfrage im globalen Markt. Nach Ansicht von Pyhel werden die Separierungskräfte im Moment nur dadurch abgefangen, dass etwa der Managementnachwuchs außertariflich bezahlt wird. Auch die Föderalismusreform schafft im öffentlichen Dienst eine Zäsur. So ist es für den Frankfurter Wissenschaftler Josef Esser denkbar, dass bayerische oder baden-württembergische Lehrerverbände bald ihre eigenen Wege gehen. „In Zukunft wird es für die Gewerkschaften immer schwerer, Belegschaften ganzer Wirtschaftsbranchen mit Augenmaß zu vertreten“, befürchtet der Hamburger Soziologe Pyhel.
Die Februar-Ausgabe von karriere erscheint am 26. Januar 2007.