Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die nordenglische Stadt Wakefield zu einem der Zentren der britischen Industrialisierung. Hatte der Standort zuvor noch als Hauptlieferant Großbritanniens für Gerste und Malz gegolten, siedelten sich jetzt Wollspinnereien, Ziegeleien und Maschinenfabriken mit starken Verbindungen zum rasch wachsenden Bergbau an. Teil des lokalen Wirtschaftslebens waren auch mehrere Brauereien, sodass der Standort heute auf eine gewisse Tradition in der Herstellung von Getränken zurückblicken kann.
Auf dieser baut man erneut auf: Seit 1989 ist die Stadt, die zusammen mit Leeds, Bradford und Huddersfield zu einem der am dichtesten besiedelten Ballungsräume des Landes zählt, Heimat der größten Erfrischungsgetränkefabrik Europas. Dort, in einem von fünf britischen Produktionsstandorten, füllt Coca-Cola European Partners (CCEP) pro Minute bis zu 10.000 Dosen sowie bis zu 1.800 PET-Flaschen an Erfrischungsgetränken ab – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das entspricht 45 Prozent des Gesamtvolumens, das CCEP in Großbritannien herstellt, oder – in absoluten Zahlen ausgedrückt – 176 Millionen Verkaufseinheiten beziehungsweise rund eine Milliarde Liter an fertigen Produkten.
Größte Getränkefabrik Europas
Insgesamt verfügt das Werk über acht Abfülllinien; auf fünf davon werden Dosen mit einem Volumen von 330 und 500 Milliliter abgefüllt, auf den restlichen drei Anlagen PET-Flaschen in den Größen 500 Milliliter sowie von 1 bis 2,25 Liter – insgesamt rund 300 Stock Keeping Units (SKUs). Als Technologiepartner kooperiert der weltweit größte unabhängige Coca-Cola-Abfüller mit KHS: Der Dortmunder Maschinen- und Anlagenbauer ist für vier der insgesamt fünf Dosenfüller beziehungsweise für zwei komplette Dosenlinien verantwortlich. Diese beiden Linien 4 und 5 wurden innerhalb eines Jahres installiert und in Betrieb genommen. Nachdem die Linie 4 vom ersten Tag an hinsichtlich Verfügbarkeit und Linieneffizienz ein voller Erfolg war, beauftragte der Abfüller KHS mit einer zweiten Dosenlinie. Herzstück beider Anlagen ist jeweils der Dosenfüller Innofill Can DVD – hier mit einer Leistung von bis zu 120.000 Dosen pro Stunde.
Flexibilität gefragt
„Das Ziel unserer Investition war es natürlich, die Kapazität zu erhöhen“, sagt Michail Skarpathiotakis, Senior Project Manager im CCEP-Headquarter in Uxbridge bei London. „Jede Dose zählt!“ Im Fokus standen jedoch vor allem Karton-Multipacks, die es in einer Vielzahl an Formaten vom Vierer- bis zum 30er-Pack gibt. Vor dem Hintergrund der Coronakrise, in der die Menschen mehr Zeit zuhause verbringen, wächst der Absatz dieser Gebinde derzeit zweistellig. Entsprechend leistungsfähig und zuverlässig sind die Innopack Kisters Wrap-Around-Schrumpfpacker, die in die beiden Linien integriert sind.
Als Abfüller, der angesichts eines riesigen Produktportfolios möglichst geringe Lagerbestände anstrebt, legt CCEP Wert auf maximale Flexibilität in der Produktion. Das erfordert vor allem schnelle Formatwechsel. Die Tatsache, dass die neue Linie 5 rund 40 Prozent der verfügbaren Zeit mit Formatwechseln oder Reinigung belegt ist, sagt weniger über die Dauer der Wechsel als über deren Anzahl aus. Auf die Nachfrage, wie viele es denn seien, antwortet Kerry Morgan-Smith, Operations Manager am Standort Wakefield lachend: „Zu viele.“ Aber angesichts der immer individuelleren Bedürfnisse der Konsumenten sei das der einzig richtige Weg.
Nachhaltig in jeder Hinsicht
Neben dem Ausstoß und der Effizienz sind auch die Nachhaltigkeitsbestrebungen bei CCEP rekordverdächtig. In puncto Müllvermeidung, Energie- und Ressourcenverbrauch sowie im Bereich Recycling setzt das Unternehmen Maßstäbe: Wie alle britischen Produktionsstandorte verfolgt auch Wakefield das Motto „Zero Waste“ – das heißt, dass keinerlei Abfall auf Deponien landet. Alle Verpackungen sind zu 100 Prozent wiederverwertbar. „Ich glaube, dass die Plastikdiskussion nirgendwo in Europa intensiver geführt wird als bei uns in England“, vermutet Andy Carter, bei KHS als Director of Sales für Großbritannien und Irland zuständig. „In unseren Medien ist die Verschmutzung der Umwelt, besonders der Meere, mit Kunststoffabfällen allgegenwärtig. Das hat dazu geführt, dass Konsumenten diesem Thema eine hohe Bedeutung beimessen.“
Die Getränkedose erfreut sich im Vereinigten Königreich überdurchschnittlicher Beliebtheit: Während in Deutschland PET-Flaschen 81 Prozent zum CCEP-Verpackungsmix beisteuern und die Dose lediglich einen Anteil von fünf Prozent hält, beträgt das Verhältnis bei den Briten 46 zu 35 Prozent. Damit sind sie bei der Dose europäischer Spitzenreiter. Dennoch reagiert der Abfüller auf die wachsende Sensibilität der Verbraucher gegenüber Kunststoffen: „Seit Oktober verwenden wir in unseren PET-Flaschen 50 Prozent Rezyklat“, betont Morgan-Smith. „Das entspricht einer Menge von jährlich 21.000 Tonnen. Und wir arbeiten daran, den Anteil weiter zu steigern.“ Auch bei der Sekundärverpackung hat sich das Kaufverhalten verändert: „Wir stellen fest, dass der Anteil der FullyEnclosed-Kartonverpackung wächst – zulasten des in Folie eingeschweißten Shrinkpacks.“
Ressourcenschonung im Fokus
In seiner Energieversorgung ist das Werk in Wakefield auf dem besten Weg zum Selbstversorger: „Wir haben eine Million Pfund in den Bau einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage investiert“, berichtet Morgan-Smith. „Damit erzeugen wir vor Ort erneuerbare Energie und tragen dazu bei, 1.500 Tonnen CO2 pro Jahr einzusparen. Nicht weit entfernt betreiben wir außerdem einen Photovoltaik-Park in der Größe von 12 Fußballfeldern, der die Fabrik mit Solarstrom versorgt. Damit bestreiten wir etwa 15 Prozent des gesamten Stromverbrauchs und können unseren CO2-Fußabdruck erheblich reduzieren.“ Inzwischen werden 100 Prozent des eigenen Bedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Auch bei der schrittweisen Reduzierung des Wasserverbrauchs spielt CCEP in der ersten Liga: Für jeden Liter fertigen Produkts werden rund 1,3 Liter Wasser verbraucht – ein Wert, der sich im Lauf der vergangenen 15 Jahre halbiert hat.
Beim Materialverbrauch legt der britische Getränkeabfüller ebenfalls großen Wert auf nachhaltiges Handeln: „Wir haben in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich Programme zur Gewichtsreduzierung sowohl unserer Dosen als auch unserer Flaschen durchgeführt“, erklärt Morgan-Smith. „Wog unsere 500-Milliliter-PET-Flasche zum Beispiel 1994 noch 36 Gramm, sind es heute nur noch 19,9 Gramm.“
Wiederholungstäter
Wie für jedes Projekt im Coca-Cola-System, muss sich KHS selbstverständlich dem üblichen Angebotsverfahren unterziehen. Der Konzern verfügt über eine sehr ausgereifte Bieterplattform, die eine umfassende Scorecard mit sowohl kommerziellen als auch quantitativen und qualitativen technischen Parametern beinhaltet. KHS erzielte in dieser Scorecard das beste Ergebnis und erbrachte so den Nachweis, dass seine Maschinen die gesteckten Produktivitätsziele unter entsprechenden finanziellen und technischen Voraussetzungen auch bei der Linie 5 erreichen.
Nachdem der Zuschlag erteilt war, tauchte ein unvorhersehbares Hindernis auf, wie sich Skarpathiotakis erinnert: „Schon während der Vorbereitungsphase waren wir plötzlich mit Covid-19 konfrontiert. Das war natürlich eine sehr herausfordernde Zeit für uns alle.“ Andy Carter erzählt: „Die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie galt als systemrelevant. Trotzdem mussten wir einen hohen bürokratischen Aufwand betreiben, um die Notwendigkeit des Projektes zu beweisen und um unseren Kollegen zu ermöglichen, in ganz Europa plötzlich geschlossene Grenzen zu überqueren. In dieser schwierigen Zeit mussten wir eine geschützte Umgebung schaffen, das Social Distancing durchsetzen und die Unterbringung sowie Verpflegung der Mitarbeiter organisieren. Da haben wir alle zusammen an einem Strang gezogen und sehr schnell zu pragmatischen Lösungen gefunden.“ Dafür steht man auch schon mal nachts auf: „Einmal hat mich um zwei Uhr morgens der britische Grenzschutz aus dem französischen Calais angerufen, um zu kontrollieren, ob die dort wartenden Kollegen wirklich zur Einreise berechtigt waren.“
Bevor das Projekt jedoch in die Umsetzung ging, musste zwischen dem Werk in Wakefield und der CCEP-Zentrale erst ein Konsens gefunden werden: Manche der Kollegen vor Ort standen dem Aufenthalt der auswärtigen Ingenieure und Monteure in der Pandemie anfänglich skeptisch gegenüber. Das Headquarter hingegen wollte die Installation wie geplant vorantreiben. „Als einer der ganz wenigen Vertragspartner, denen während der Zeit des Lockdowns überhaupt Zugang zum Werksgelände gewährt wurde, musste KHS eine Art Vorbildfunktion erfüllen“, erklärt Skarpathiotakis. „Das hat wirklich ausgezeichnet funktioniert.“
Installation im Lockdown
Die Installation startete eine Woche nachdem in England der komplette Lockdown verhängt wurde. Unter den schwierigen Umständen war das Projekt auch technisch eine große Herausforderung: „Gemeinsam mit KHS haben wir es geschafft, innerhalb von nur 12 Monaten zwei Linien zu installieren“, sagt Morgan-Smith. „Das haben wir noch nie zuvor gemacht – sonst vergehen immer mindestens drei bis vier Jahre zwischen solchen Projekten. Von Null auf Hundert, und das mitten in der Pandemie. Es war wirklich ein Glücksfall, mit einem so engagierten und herausragenden Team zu arbeiten, in dem jeder Einzelne unsere Bedürfnisse als Kunde in den Mittelpunkt gestellt hat.“ Sie hat in ihrer Laufbahn auch mit anderen Projektteams gearbeitet und kennt die Schwierigkeiten, die zum Beispiel aufgrund von unterschiedlicher Mentalität oder Sprachbarrieren entstehen können. Die Zusammenarbeit mit KHS aber – und hier nennt sie eine ganze Reihe von Mitarbeitern im Team sogar namentlich – sei im Gegenteil äußerst harmonisch, sehr angenehm und vollkommen reibungslos verlaufen.
Am Ende behielt die Unternehmensleitung recht: Es gab keinerlei Infektionen, weil sich alle Beteiligten mit größtmöglicher Disziplin an die äußerst strikten Hygiene- und Abstandsregeln hielten. Installation und Inbetriebnahme konnten problemlos und ohne Verzug erfolgen. Vom ersten Tag an erweist sich die neue Linie als äußerst effizient und übertrifft selbst die höchsten Erwartungen. Mit dem glücklichen Ausgang des Projektes zeigen sich alle hochzufrieden. „Auf das, was wir hier gemeinsam geleistet haben, können wir alle wirklich stolz sein“, sagt Skarpathiotakis, und Kerry Morgan-Smith erinnert sich: „Wie wir das geschafft haben, weiß ich heute immer noch nicht genau …“