Sabine Koll :: Herr Klostermann, die Corona-Pandemie hat das wirtschaftliche Leben hart getroffen. Wie schaut es bei Ihrem Unternehmen aus?
Klostermann: Die Auftragslage wird definitiv dünner. Aber ich will mich nicht beschweren, geschweige denn den Kopf in den Sand stecken.
Die vergangenen vier Jahre waren schließlich attraktive Jahre für uns, wo wir in allen Abteilungen - Vertrieb, Schulung, Service und Lohnmesstechnik - sehr gut zu tun hatten. Wir sind in dieser Zeit gewachsen, haben ein neues Gebäude und neue Mitarbeiter an Bord genommen. Wirtschaftlich sind wir sehr solide aufgestellt - und werden diese schwierige Zeit wohl recht gut überstehen. Insofern haben wir den Kopf frei für neue Ideen, auf die wir uns nun mit Vollgas stürzen - und genau das ist als Geschäftsführer meine Aufgabe.
Koll :: Gibt es Unterschiede zwischen ihren vier Bereichen Vertrieb, Schulung, Service und Lohnmesstechnik hinsichtlich der Auftragslage?
Klostermann: Ja, da haben wir gravierende Unterschiede zu verzeichnen. Der Service-Bereich ist tatsächlich im Moment eine Katastrophe, weil wir durch die Reisebeschränkungen und die Zutrittsverbote bei unseren Kunden tatsächlich nicht mehr in die Werke kommen. Serviceeinsätze werden derzeit von Werkleitern, Geschäftsführern oder Vorständen genehmigt - und dann auch nur für Aufträge, die für die Unternehmen essentiell sind.
Koll :: Auch Schulungen sind aufgrund des Kontaktverbots schwierig durchführbar, oder?
Klostermann: Das stimmt, doch in Absprache mit dem Kunden und mit meinen Mitarbeitern lassen wir Schulungen noch selektiv stattfinden - damit die Kunden ihre neu gekauften Messmaschinen auch nutzen können. Wir haben dazu natürlich alle notwendigen Hygienemaßnahmen bei uns im Unternehmen getroffen. Außerdem haben wir in einigen Schulungsräumen Messmaschinen vereinzelt. Dahinter haben wir große Monitore gehängt, sodass der Schulungsleiter an der Messmaschine sitzen kann und die Teilnehmer in ausreichendem Sicherheitsabstand - auch untereinander - sitzen können. Über den Monitor können sie alles genau mitverfolgen, was er vorne tut.
Koll :: Verkaufen Sie in der aktuellen Situation, in der viele Unternehmen ihre Produktion herunterfahren, noch neue Maschinen?
Klostermann: Glücklicherweise ja, und nur rund 20 % der aktuellen Projekte sind bislang geschoben oder ganz auf Eis gelegt worden. Das heißt, die meisten Projekte, an denen wir arbeiten, können wir wohl über die Ziellinie heben.
Koll :: Wie schaut es mit dem Bereich Lohnmesstechnik aus?
Klostermann: Der läuft nach wie vor prima -nicht zuletzt deswegen, weil wir seit mehreren Monaten aktiv daran gearbeitet haben, unseren Branchenmix zu verändern. Kamen vor der durch die Diesel-Krise verursachten Krise der Automobilindustrie noch rund 80 % unserer Kunden aus dieser Branche, sind es jetzt nur noch knapp 60 %.
Koll :: Ist denn bei Ihnen durch das Coronavirus die Nachfrage aus dem Bereich Medizintechnik gestiegen?
Klostermann: Definitiv ja. Doch die Anfragen kommen nicht von alleine, wir sind vertriebsseitig sehr aktiv und werfen unseren Hut überall in den Ring -nicht nur bei Bestands-. sondern auch bei Neukunden. Dadurch haben wir aktuell auch ein Projekt an Land ziehen können, bei dem es um die Herstellung von Covid-19-Teströhrchen geht. Das Unternehmen fährt die Produktion dieser Teströhrchen in China derzeit hoch, die Werkzeugkapazitäten müssen verdoppelt werden.
Koll :: Wie genau unterstützen Sie hier?
Klostermann: Die Daten des Werkzeugs, das bereits heute in Produktion ist, werden vor Ort mit einem 3D-Scanner erhoben und zu uns nach Remscheid geschickt. Wir gehen dann über die Flächenrückführung und die Werkzeugoptimierung und der Kunde erhält auf dieser Basis CAD-Daten, um ein Schwesterwerkzeug bauen zu können. Wir nutzen dafür eine Software von Wenzel, um idealisierte Werkzeugdaten zu ermitteln. Anstatt zwei oder drei Korrekturschleifen hat der Kunde in der Regel nur eine Korrekturschleife, sodass das Werkzeug schneller zum Laufen kommt.
Koll :: Das heißt, die Spritzgießwerkzeugefür die Teströhrchen werden in China gebaut?
Klostermann: Ja, und unser Service geht bis hin zum Erstmusterprüfbericht. Ein Problem für den Kunden ist, dass der Werkzeugbauer in China die Erstbemusterung des Werkzeugs macht- ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Hinzu kommt, dass die dafür erstellten Messberichte zum Teil nur in der Landessprache vorliegen. Auch werden Toleranzen wild vergeben. Daher haben wir ein Konzept erstellt, um für den Kunden eine globale Messstrategie zu entwickeln. Wir schreiben Messprogramme - beispielsweise für Messgeräte von Wenzel oder OGP. Oder wir erhalten beispielsweise Punktewolken von 3D-Messsystemen, die wir dann bei uns nach den Spielregeln des Kunden ausrichten und messtechnisch durchlaufen lassen. Wir standardisieren die Messungen des Kunden somit weltweit. Die Messberichte haben alle den gleichen Aufbau, die gleichen Toleranzen, die gleichen Interpretationsmöglichkeiten.
Koll :: Ist das ein neues Geschäftsmodel/für Sie?
Klostermann: Es ist relativ neu, aber nicht erst jetzt in der Krise entstanden. Das Konzept der Standardisierung von Messberichten haben wir auch schon bei anderen Kunden ausgerollt - und das kommt sehr gut an.
Koll :: Sind bei Ihnen durch die jetzige Krise denn neue Geschäftsideen entstanden?
Klostermann: Ja, wir bieten unseren Kunden nun erstmals Maschinenkapazitäten auf Zeit an. Das heißt, wenn ein Unternehmen etwa aufgrund der Covid-19-Pandemie seine Fertigungs- und damit Messtechnikka pazitäten hochfährt, dann erhält er von uns für diesen Produktions-Peak von mehreren Monaten eine gebrauchte Messmaschine mit aktuellster Software und Hardware und mit Full-Service-Konzept. Das heißt, der Kunde zahlt eine monatliche Rate für eine Messmaschine einschließlich Aufstellung, Inbetriebnahme und Kalibrierung. Eine gewisse Anzahl von Helpdesk-Stunden ist inkludiert und vielleicht das Erstellen von ein oder zwei Messprogrammen, die dazu ausreichen, dieses eine Bauteil zu messen.
Für das Röntgen-Museum haben der Remscheider Messtechnik-Dienstleister Klostermann und Excit3D eine Virtual-Reality-Anwendung Virtual Reality Anwendung geschaffen, bei der sie Wilhelm Conrad Röntgen zum Leben erweckt haben: Mit einem Streifenlichtprojektor von GOM hat Klostermann eine Büste des Physikers digitalisiert.
Das System ist mobil, so konnten wir die Büste vor Ort im Museum scannen. CT ist leider nicht geeignet, da die Büste aus Bronze und somit schwer zu durchstrahlen ist. Die Datenqualität wäre hier deutlich schlechter: sagt Geschäftsführer Christian Klostermann. Auf Basis der Messdaten hat Excit3D mit einer Augmented-Reality-Lösung eine virtuelle Animation von Röntgen entwickelt. Im Röntgen-Museum wird Röntgen so einem 60 bis 80 s langen Film über sein Leben und seine Eifindung berichten. Außerdem kann er durch die Kamera im Smartphone betrachtet im Raum auftauchen.
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