Es ist ein Projekt der Superlative: Nach den islamischen Pilgerstätten in Mekka und Medina ist sie die drittgrößte Moschee der Welt. Sie hat mit 265 Metern das weltweit höchste Minarett. Der Gebetssaal fasst an religiösen Feiertagen bis zu 36.000 Menschen. Der Gesamtkomplex bietet Platz für bis zu 120.000 Besucher und umfasst neben Gebetssaal und Minarett weitere Einrichtungen wie ein Museum mit Forschungszentrum für den Islam, ein Konferenzzentrum, eine Bibliothek, eine theologische Hochschule, Apartments und Infrastrukturgebäude.
Der Sakralbau in der Bucht von Algier ist ein Gemeinschaftswerk von Architekten, Ingenieuren und Bauleuten aus drei Kulturkreisen: Europa, Nordafrika und China. Die Gesamtanlage auf dem 26 Hektar großen Grundstück wurde im Auftrag der algerischen Regierung errichtet. Konzipiert wurde die Moschee von deutschen Planern, einer Arbeitsgemeinschaft von KSP Jürgen Engel Architekten und der Ingenieurgesellschaft KREBS+KIEFER International. Nachdem der architektonische Entwurf von KSP Jürgen Engel Architekten im Jahr 2008 im internationalen Wettbewerb gewann, erhielt die Arbeitsgemeinschaft auch den Auftrag für die Generalplanung des Großprojekts. Im Beisein der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und des damaligen algerischen Präsidenten fand im Juli 2008 die Vertragsunterzeichnung statt – der offizielle Auftakt für die Planungsarbeit. Mit der Realisierung des Großprojektes mit einer Bruttogrundfläche (BGF) von insgesamt rund 400.000 Quadratmetern wurde als Generalunternehmer die größte chinesische Baufirma (CSCEC) beauftragt. Anfang 2012 begannen die Bauarbeiten zur Djamaâ el Djazaïr – arabisch für Moschee von Algerien.
Algeriens Regierung will mit einer Reihe von Großprojekten die Modernisierung und die Erneuerung des Landes sichtbar machen. Neben Universitäten, Schulen, Infrastruktur- und Verkehrsbauten wie dem neuen Flughafen von Algier zählt auch die Große Moschee zu diesen Projekten.
„Bei der Betrachtung des Standortes war uns sofort klar, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den lokalen Gegebenheiten ist: die Nähe des Meeres, die starke Sonneneinstrahlung, die Bergketten, die die Bucht von Algier vom Hinterland mit der Wüste trennen. Wir haben diese Großform gewählt, um dem Bau, der zwischen dem Meer und den Bergen liegt, eine starke Präsenz zu verleihen.“ reflektiert Jürgen Engel, Architekt, die Vorgehensweise zu Beginn des Entwurfs- und Planungsprozesses.
Der Entwurf überzeugte nicht nur im internationalen Architekten- und Generalplaner-Wettbewerb, sondern lieferte auch eine Antwort auf die Frage, wie eine Moschee heute gebaut werden sollte. Die Architekten haben den Bautypus der Pfeilerhallen-Moschee neu interpretiert, der im Maghreb weit verbreitet ist. Als Freitagsmoschee ist die Große Moschee nicht nur Mittelpunkt in religiösen Angelegenheiten, sondern auch Zentrum des sozialen und gesellschaftlichen Lebens. Innerhalb des Komplexes befinden sich – ähnlich einem Stadtzentrum – auch weltliche, öffentliche Nutzungen wie Geschäfte, Teestuben und eine Cinemathek mit vier Vorführungssälen. Diese Orte, an denen Menschen zusammenkommen und sich aufhalten können, beleben das Moscheebauwerk. Ein weitläufiger Park verbindet den 600 Meter langen Hauptkomplex mit dem benachbarten Kongresszentrum, der Bibliothek und der theologischen Hochschule.
Basierend auf einer klaren Struktur gliedert sich der Hauptkomplex mit Gebetssaal in vier aneinander gereihte Quadrate mit je einer Grundfläche von rund 150 x 150 Metern. Sie bilden eine hierarchisierte Raumfolge: in linearer Anordnung in Richtung Mekka folgen auf den offenen Platz mit Eingangsarkaden (Loggia) und Blick in Richtung Meer der Vorplatz (Esplanade), der zu den sakralen Nutzungen überleitet wie Vorhof (Cour) und Gebetssaal (Salle de Prière). Der gemeinsame Sockel beherbergt eine Tiefgararge mit ca. 4.000 Stellplätzen und schafft als erhöhte Plattform eine klare Trennung zur parallel verlaufenden, mehrspurigen Schnellstraße.
Gestalterisches Leitmotiv des Ensembles ist eine schlanke Säule mit weitauskragendem Kapitell. Sie findet sich in allen Bereichen wieder. Ihre Form und Proportion sind inspiriert von der in Afrika heimischen Calla-Pflanze (Zantedeschia). Diese floralen Säulen – insgesamt sind es 618 Stück – sind je nach Funktion und Anforderungen in unterschiedlichen Höhen und Ausführungen verbaut. Sie dienen als zentrales Verbindungselement aller Bereiche des Ensembles. Auch der große Gebetssaal mit zentraler Kuppel wird im Inneren durch Säulenreihen gegliedert, die hier eine Höhe von bis zu 45 Metern erreichen. Die Säulen dienen auch technischen Anforderungen wie der Belüftung, Entwässerung der Dachflächen und Verbesserung der Raumakustik durch ihre großen Kapitellflächen. Als historische Referenz diente die Mezquita-Catedral von Córdoba. Deren enge Stützenreihen untergliedern den Gebetssaal und machen dennoch den Raum in seiner Größe erfahrbar. Die Gestaltung des Komplexes basiert auf der Auseinandersetzung der Architekten mit den lokalen Gegebenheiten: „Die Farbe und Materialität der Wüste drückt sich im sandfarbenen Naturstein aus (Travertin). Die üppige Vegetation in Algerien haben wir mit der floralen Stütze interpretiert, die mit ihren kelchförmigen ‚Calla‘-Kapitellen als verbindendes Element den gesamten Komplex prägt.“ erläutert Jürgen Engel, Architekt, seine Wahl der Materialien und Formen.
Weithin sichtbare Landmarke des Komplexes ist neben der Kuppel, die an ihrer Basis einen Durchmesser von 50 Metern misst und an ihrem Scheitelpunkt eine Höhe von 70 Metern erreicht, das 265 Meter hohe Minarett. Es ist nicht nur das derzeit höchste Hochhaus Afrikas, sondern auch das höchste Minarett der Welt. Der schlanke Turm folgt einerseits der Bautradition des Maghreb: asymmetrisch aus der Achse gerückt fußt er auf einer quadratischen Grundfläche. Andererseits nimmt er als erstes Minarett der Welt unterschiedliche Funktionen auf und gleicht damit einem modernen Hybridhochhaus. Neben einer Aussichtsplattform in der verglasten Turmspitze (Sommah) befinden sich im Turm auch ein Museum der islamischen Kultur inklusive Forschungszentrum, Bürobereiche und Skylobbies. Sie dienen ebenfalls als Aussichtspunkte und gliedern den Turm optisch in fünf Segmente analog den fünf Säulen des Islam.
Die Große Moschee vereint maghrebinischen Bautradition mit europäischer Moderne. Bis zu 120.000 Besucher am Tag machen sie zum kulturellen und religiösen Zentrum der Stadt. Entstanden ist eine neue maghrebinische Architektur mit internationaler Strahlkraft. Als Wahrzeichen der Stadt ziert das Bauwerk mittlerweile sogar einen Geldschein des Landes (1.000 Dinar-Schein). Einmalig in dieser Größenordnung sind auch die konstruktiven und baulichen Vorrichtungen im gesamten Komplex, die für die Erdbebensicherheit der Gebäude sorgen.
„Wir haben uns natürlich intensiv mit der Kultur beschäftigt, mit dem Maghreb an sich, mit der islamischen Religion und mit der Geschichte Algeriens. Als westliche Architekten befassen wir uns mit einer zunächst fremden Kulturwelt. Wir sehen sie mit unseren Augen, lernen sie zu verstehen und interpretieren sie neu.“ beschreibt Jürgen Engel, Architekt, die Vorgehensweise zu Beginn des Entwurfs- und Planungsprozesses.
Die Moschee ist ein Gemeinschaftswerk verschiedener Kulturen.
Neben dem Planungsteam und der Bauleitung aus Deutschland zählten auch das lokale Team mit algerischen Ingenieuren und internationalen Fachleuten sowie u.a. ein kanadischer Projektsteuerer und die chinesische Baufirma zu den Projektbeteiligten. So waren anfangs 1600, in der Endphase bis zu 4000 chinesische und algerische Arbeiter sowie über 300 Architekten und Ingenieure aus Deutschland, Frankreich und China auf der Baustelle tätig. Neben der offiziellen Projektsprache Französisch waren viele weitere Sprachen zu hören, darunter Arabisch, Deutsch, Englisch und Chinesisch.
„Ein wesentlicher Grundstein des Projekterfolgs liegt in der sozialen Kompetenz des Projektmanagement-Teams. Nur mit hoher Bereitschaft, sich auf Fremdes einzulassen, und nur mit der Fähigkeit zur interkulturellen Kommunikation haben wir diese Aufgabe bestanden und sind daran in jeder Hinsicht gewachsen. “ beschreibt Eric Fischer von KREBS+KIEFER die Schlüsselkomponenten des Projekts.
Weitere Informationen und Pressebilder erhalten Sie gerne auf Nachfrage.
Projektdaten (ausführliches Factsheet s. Anhang)
Bauherr:
ANARGEMA: Agence Nationale de Réalisation de Gestion de la Mosquée d’Algérie
Architekt:
Jürgen Engel, KSP Jürgen Engel Architekten
Generalplaner:
Arbeitsgemeinschaft KSP Jürgen Engel Architekten mit KREBS+KIEFER International
BGF (Gesamtfläche):
ca. 400.000 m²
Höhe Minarett:
265 m
Wettbewerb:
01/2008, 1.Preis
Grundsteinlegung:
31.10.2011
Baubeginn:
Anfang 2012
Fertigstellung:
2020
Öffnung Gebetssaal:
28.10.2020 (Feiertag Mawlid an-Nabi, Geburt des islamischen Propheten Mohammed)
6.11.2020, anlässlich des Freitagsgebets ist der Gebetssaal zum ersten Mal für die Öffentlichkeit zugänglich
KREBS+KIEFER
Das Ingenieurunternehmen KREBS+KIEFER hat heute 16 Standorte in Deutschland sowie weitere zwei im Ausland mit insgesamt ca. 800 Mitarbeitern weltweit. KREBS+KIEFER erbringt ingenieurtechnische Planung für anspruchsvolle Hoch- und Ingenieurbauten sowie für komplexe Verkehrs- und Infrastrukturprojekte. Im Ausland liegt der Schwerpunkt im Projektmanagement, in der Generalplanung und in der Bauüberwachung von Großprojekten in Nordafrika, in Osteuropa, sowie im Nahen und mittleren Osten. Auch in Asien ist KREBS+KIEFER aktiv.
> Eric Fischer, Geschäftsführer und Gesellschafter von KREBS+KIEFER
Weitere Informationen zu KONSTRUKTION und TRAGWERK
Das höchste Minarett der Welt und ein Gebetssaal für 36.000 Gläubige in einem Erbebengebiet – außergewöhnliche Anforderungen an die Statik.
Mit seinen 265 Metern Höhe ist das Minarett das derzeit höchste Hochhaus Afrikas, und es liegt in einem Gebiet mit hoher seismischer Aktivität. Um die Standsicherheit des sehr schlanken Turms mit seiner geringen Grundfläche von 28 auf 28 Meter zu gewährleisten, ist dieser ca. 50 Meter tief im Boden auf einem Raster von 1,20 Meter starken Betonwänden verankert. Die Tragstruktur des Hochhauses ist eine Verbundkonstruktion aus Stahl und Beton, die den Belastungen aus Erdbeben optimal standhält.
Die Erdbebensicherheit des Gebetssaals wird durch seine Lagerung auf seismischen Isolatoren erzielt. Sie sorgen dafür, dass das Bauwerk sich im Erdbebenfall in alle Richtungen bewegen kann und so weitestgehend von den Erdstößen abgekoppelt wird.
„Die außergewöhnlichen Dimensionen der Bauwerke, die Belastungen aus Klima und Erdbeben, sowie die lokalen Grenzen der Bautechnik und der Baumaterialien waren Herausforderungen, die wir gemeinsam gemeistert haben.“ beschreibt Eric Fischer von KREBS+KIEFER die technische Besonderheit des Projekts und die enge Zusammenarbeit mit KSP Jürgen Engel Architekten und allen Projektbeteiligten.
Eine logistische Herausforderung stellte die Beschaffung der Baumaterialien und Bauelemente dar. So wurden beispielsweise mehr als 600 vorgefertigten Schleuderbetonstützen, die als florale Säulen das Ensemble prägen, in Deutschland produziert und per Bahn und Schiff nach Algier transportiert.