Um zu verstehen, wie bedrohlich ein Blackout heute für uns sein kann, müssen wir zwischen den derzeitigen Systemen zur Stromverteilung und den entstehenden Smart Grids unterscheiden. Per Definition bestehen Smart Grids aus intelligenten Netzen, bei denen eine Kommunikation zwischen allen Teilnehmern am Energiemarkt stattfindet, um Kosten zu senken, die Effizienz zu steigern und sicher zu stellen, dass verteilte Energiequellen, einschließlich erneuerbarer Energien, integriert werden. Die Smart Grids der Zukunft bringen zahlreiche Vorteile mit sich, erfordern jedoch eine sehr solide und robuste Infrastruktur. Zu den Merkmalen, die die Stabilität des Smart Grids gewährleisten, gehören präzise Zeit, stabile Frequenz und hochgenaue Synchronisation.
Die traditionelle Energiewirtschaft erzeugt den Strom in einem Stromkraftwerk, dieses oder ein anderes Unternehmen verteilt den Strom im Netz und am Ende steht der private oder industrielle Verbraucher. Die sternförmige Versorgung von Haushalten und Anlagen mit Strom funktioniert seit über hundert Jahren einwandfrei, reicht heutzutage aber nicht mehr aus. Die sich entwickelnde Wirtschaft hat einen wachsenden Strombedarf. Die bestehende Infrastruktur kommt nun aber an ihre Grenzen.
Eine Diskussion über Lösungen muss den Schutz der Umwelt einschließen - künftige Generationen benötigen eine intakte Umwelt.
Wir haben das Glück, den Übergang der Energiewirtschaft in die Ära der „Industrie 4.0“ zu erleben. Photovoltaik-Module werden auf Dächern installiert, Windkraftanlagen und Biogasanlagen entstehen. Diese erneuerbaren Energien vergrößern den Energiepool, aus dem wir unseren Strom beziehen.
Traditionelle Stromkraftwerke werden an der intelligenten dezentralen Energiebranche der Zukunft einen reduzierten Anteil haben. Strom wird gleichzeitig von vielen unterschiedlichen Anlagen erzeugt. Diese Anlagen zur Stromerzeugung können in großer Entfernung zueinander liegen. Elektrizität muss bidirektional übertragen werden, wobei die Richtung sich dynamisch ändert. Hier gelten ähnliche Prinzipien wie beim Management eines Eisenbahnverkehrs, mit dem Unterschied, dass die Äquivalente der "Weichen" gleichzeitig auf beiden Seiten des "Gleises" mit einer Genauigkeit von einer Millionstel Sekunde (Mikrosekunde, 1ms) geschaltet werden müssen. Dieser Vorgang wird von IED-Relais (Intelligent Electronic Device) ausgeführt. Die entsprechenden Normen IEEE C37.238 und IEC61850 zu erfüllen ist eine Herausforderung.
Warum ist die Genauigkeit von 1ms entscheidend? Ein längeres Intervall lässt die Übertragungsleitung zu lange offen, was zu einem Stromausfall führt. Da sich in einem Smart Grid viele Stromerzeuger und -verbraucher gleichzeitig befinden, sind Zeit und Synchronisation der Relaisschalter von IEDs wichtig. Zusätzlich zu lokalen Ausfällen kann ein schlechtes Strommanagement zu einer unerwünschten Anhäufung von überschüssiger Energie führen. Das Energiemanagement basiert auf dem Ausgleich von Energieüberschuss und -mangel. Überschreiten diese Parameter bestimmte Werte, können Schutzmaßnahmen ausgelöst werden, die sich zu einem unkontrollierbaren Dominoeffekt an Fehlern aufschaukeln können. Im ungünstigsten Fall endet dies in einem totalen Stromausfall. Das System darf weder zu viel noch zu wenig Energie enthalten. Es muss immer "genau die richtige" Energiemenge vorhanden sein. Durch die wechselnde Energieausbeute bei Wind- und Sonnenenergie variiert diese ständig in Stärke und Phase. Die intelligente Netzsteuerung muss sich voraussichtlich darauf konzentrieren, die Verluste zu minimieren und die Effizienz der Energieübertragung zu maximieren (Wirkleistung vs. Blindleistung). Dieses Ziel wird zum einen durch die Beeinflussung der Effizienz der Stromanlagen erreicht. Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen können per Fernsteuerung in der Leistung reduziert oder periodisch deaktiviert werden, um den Schutz vor Energieüberschüssen zu gewährleisten. Zum anderen können mit IEDs dynamische Änderungen in der Stromverteilung durchgeführt werden. Um richtig zu entscheiden, wird eine exakte Information über das "hier und jetzt" benötigt - sowohl direkt vor Ort als auch über größere Entfernung.
Mit Uhren ausgestattete Phase Measurement Units (PMU) messen den Stromstatus. Der Systemüberwachungsprozess geht davon aus, dass die Nachfilterinformationen, z. B. Daten, die mit einer nicht akzeptablen Verzögerung eintreffen, mit hoher Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Energiezustand widerspiegeln. Auf dieser Basis extrapoliert die Kontrollstation die Situation zum nächsten Zeitpunkt in der Zukunft, indem sie dem IED Anweisungen zur Leitungssteuerung erteilt. Die Zeit-Variable steuert auf diese Weise die dynamische Energieübertragungsstruktur im Smart Grid. Die Stabilität dieser Struktur hängt von präziser Zeit und Synchronisation ab.
Bis vor kurzem wurde angenommen, dass eine Synchronisation allein durch das GPS-System, oder ein anderes Global Navigation Satellite System (GNSS), sichergestellt werden kann. Die Signale der Navigationssatelliten enthalten eine sehr genaue Zeit. Leider ist es relativ einfach, das GNSS Signal zu stören. „Jamming“ kann mit Hilfe im Internet kostengünstig erhältlicher Störsender praktiziert werden. Man kann das GNSS-Signal auch verfälschen, indem man ein eigenes Signal mit falschen Zeit- und Positionsdaten sendet. Diese Technik wird als "Spoofing" bezeichnet und stellt ein besonderes Risiko für die Smart-Grid-Energiebranche dar. Störungen lassen sich erkennen und beheben, während Spoofing nicht leicht zu identifizieren und zu bekämpfen ist. Effektives Spoofing führt zu einer Fehlberechnung von Verzögerungen bei den PMU-Daten, die über ein Computernetzwerk eingehen. Die falsche zeitliche Zuordnung führt zu einer unerwünschten Zurückweisung der richtigen Informationen und einer falschen Akzeptanz von zeitlich falschen Informationsbits. Infolgedessen besteht ein Energie-Missmanagement, das zu einer temporären Störung oder einem Stromausfall führen kann. Der Verlust der tatsächlichen Chronologie von Ereignissen in den Log-Dateien aufgrund der Desynchronisation wird zu einem zusätzlichen Problem. Dies wiederum macht es unmöglich, das Problem zu identifizieren, da die Logik des Analyseprozesses gestört ist. In desynchronisierten Log-Dateien kann man ein seltsames Phänomen beobachten, bei dem "der Effekt seiner Ursache vorausgeht".
Überall dort, wo die Sicherheit wirtschaftlich relevanter Systeme auf dem Spiel steht, sollten hybride Methoden zur Zeitsynchronisation verwendet werden. Dazu wird die Zeit der GNSS-Satellitensystemen mit lokalen atomaren Cäsiumuhren ergänzt. Die offizielle Zeit, die in den meisten Ländern in nationalen Instituten festgelegt wird, spielt dabei eine besondere Rolle. In Europa wird diese Funktion seit 100 Jahren von den Royal Observatories (GB), den National Physical Laboratories (z.B. der PTB in Braunschweig) und dem Central Office of Measures (Paris) erfüllt. In den USA kommt die offizielle Zeit vom NIST.
Die Verteilung der koordinierten Weltzeit UTC über das Netz, mit der hohen Genauigkeit und vor allem dem hohen Stabilitätsniveau einer Atomuhr, ist eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe - nur wenige Länder sind derzeit in der Lage, dieses Problem zu lösen. Großbritannien, Italien, die Niederlande, Polen, Frankreich und Deutschland gehören zu einer Gruppe gut vorbereiteter europäischer Länder. Die Verteilung der nationalen Zeitskala UTC (k) gewinnt zunehmend an Bedeutung. Schlussendlich handelt die EU das europäische Satellitensystem GALILEO mehr und mehr als offizielle EU-Zeitreferenz, die zusammen mit GPS und der nationalen UTC Netzwerk-Zeit-Verteilung mit spezieller Zeitprüfungsfunktion eine neue leistungsstarke und robuste Synchronisationsreferenz für Smart-Grids schafft. Man geht davon aus, dass die einheimische Energiewirtschaft, die sich zu Smart Grids entwickelt, auf dieser soliden Grundlage von Zeit und Frequenz beruhen wird. Das übergeordnete Stromnetzwerk und die regionalen Systeme müssen manipulationssicher und vor externen Störungen geschützt sein - Zeit und Synchronisation müssen sicher sein.
Eine Lösung bieten auf Smart Grids spezialisierte ausfallsichere Zeitserver, die neben der Zeit eines Satellitennavigationssystems auch eine weitere stabile Zeitquelle einbringen.
Die Zeit und die nationalen Institute für Standards und Messtechnik, die die offizielle UTC-Zeit bereitstellen, spielen jetzt und werden vor allem in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.