Die Unternehmensberatung McKinsey & Company bezeichnet die Krise in einer Studie als „The great acceleration“ „Just as an earthquake produces a sudden release of pent-up force, the economic shock set off by the pandemic has accelerated and intensified trends that were already underway. The result is a dramatic widening of the gap between those at the top and the bottom of the power curve of economic profit. (…) The best industries are getting better, and the worst are getting worse.
Heterogener Interim Markt in DACH
Auch in der Interim Management Branche spiegelt sich die Entwicklung der Pandemie. Dabei zeigt sich, wie heterogen und vielfältig der Markt mit rund 13.-16.000 Interim Managern in der DACH-Region ist (siehe AIMP-Providerumfrage 2020). Das Spektrum reicht vom ehemaligen DAX-Konzernvorstand bis zum Alleingeschäftsführer eines Familienunternehmens, vom Sanierer/CRO, CEO, über den IT-Leiter, CFO, CHRO bis hin zu spezialisierten Projektmanagern, Führungskräften für Vakanzüberbrückungen, Beiräten und umsetzungserfahrenen Beratern. Es gibt Spezialisten für unterschiedliche Projekttypen, Branchen und Funktionsfelder. Es gibt Neustarter und etablierte Interim Manager mit weitreichenden Projektreferenzen. Es gibt Top-Performer, die auch oder besser: gerade in Krisenzeiten mehr Anfragen bekommen, als sie Projektkapazitäten zur Verfügung haben. Und natürlich auch einen nicht geringen Anteil von Low-/Under-Performern, die meist nur temporär am Markt ihr Glück versuchen.
Dazu Erdwig Holste, Geschäftsführer der Interim Personalberatung Management Angels GmbH: „Interim Management ist kein geschützter Beruf. Jeder Manager mit Führungserfahrung kann sich Interim Manager nennen, doch nur die wenigsten sind den spezifischen Anforderungen langfristig wirklich gewachsen. Erfolgreiche Interim Manager verfügen über Erfahrung, Methodenkenntnisse, fachliches KnowHow, Markt-/Produkt-Kenntnisse, wichtige Branchen-Kontakte, pragmatische Umsetzungsorientierung, Flexibilität und Unabhängigkeit, ein hohes Maß an Selbstreflektion und Unternehmerpersönlichkeit.“
Krisen bereinigen das Interim Management
In der Krise trennt sich dann die Spreu vom Weizen, so Holste. „Ohne gute Projektreferenzen und ein gepflegtes persönliches Netzwerk haben es Solo-Selbständige jetzt schwer.“ Das viel zitierte „K“-Modell (allgemeiner Marktrückgang für alle, dann geht’s für einige zügig wieder rauf, für andere weiter abwärts) trifft verzögert auch für Interim Manager zu. Im Vergleich zu anderen Personaldienstleistungen wie etwa der Zeitarbeit ist Interim Management eher spätzyklisch. So wurden nur wenige Interim Mandate im ersten Lock-Down abgebrochen oder ausgesetzt, vielfach haben Interim Manager remote aus dem HomeOffice weitergearbeitet.
Das Phänomen der auf- und verschobenen Projekte betrifft vor allem Interim Management Mandate, deren kurzfristiger „Return on Interim Management“ unklar ist. Dies betrifft beispielsweise Commodity-Projekte, kapazitätsorientierte Projekte wie Vakanzüberbrückungen oder „wichtig-aber-nicht-dringlich“-Projekte. Strategisch wichtige und operativ relevante Mandate werden weiterhin am Markt nachgefragt. Dies bestätigt auch die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. (DDIM). In einer aktuellen Pressemitteilung wird „die Lage bei nach wie vor hoher Auslastung“ als gut beschrieben, „aktuell sind 61% der Interim Manager im Mandat,“ nur 5% weniger als zu Jahresbeginn. „Die Top-20% der Interim Manager sind eher mehr als weniger gefragt. Sicherheit steht in der Krise immer an erster Stelle, da setzen Kunden auf Profis und sind weniger offen für Experimente“, kommentiert Holste.
Interim Provider sichern die Qualität
Orientierung im Markt, Entscheidungshilfe bei der richtigen Auswahl und professionelle Begleitung in der Projektdurchführung bieten spezialisierte Personalberatungen an, sogenannte Interim Management Provider. Die führenden Provider haben sich im Arbeitskreis Interim Management Provider zusammengeschlossen und zu strikter Qualität verpflichtet.
In Deutschland entstand der Markt für selbständige Führungskräfte in den Wendezeit der 1990er Jahre. Erfahrene Interim Manager waren als Krisenmanager in den neuen Bundesländern gefragt. In den Gründerjahren der Dot-Com-Welle um die 2000er Jahre kamen Manager mit Tech-Know-How, Projekt-Spezialisten und innovative Gründer hinzu. Eine wachsende Anzahl spezialisierter Personalberatungen professionalisierte und internationalisierte den Markt. Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008-2009 war die Einbindung von hochqualifizierten und erfahrenen, selbständigen Führungskräften zu einem etablierten HR-Tool geworden, das auch im Mittelstand Einzug hielt. Von 2013 bis 2019 stiegen die Tagessätze mit jedem Jahr bis auf durchschnittlich 1.124 EUR und einem durchschnittlichen Auslastungsgrad von 154 fakturierten Tagen pro Jahr (AIMP-Providerumfrage 2020).
Interim Management bleibt ein Wachstumsmarkt
Eine zusammen mit der Helmut-Schmidt-Universität im Jahr 2015 durchgeführte Leadership Studie, für die rund 250 Entscheider in Unternehmen unterschiedlicher Größen befragt wurden, ergab eine positive Wachstumsprognose für die Dienstleistung Interim Management. Bis zum Jahr 2030, so ist eine deutliche Mehrheit der befragten Entscheider (90%) überzeugt, wird sich der Arbeitsmarkt weiter flexibilisieren und neue Erwerbsformen zunehmen. Die Interim Management Branche bleibt davon nicht unberührt – 76% der Entscheider erwarten ein weiteres Marktwachstum und eine steigende Nachfrage für freiberufliche Führungskräfte.
Zusammengefasst: Die Corona-Krise trifft viele Soloselbständige und Gründer ohne finanzielle Rücklagen sicher in besonderem Maße sehr hart. Die Interim Management Branche schlägt sich in dieser Situation noch vergleichsweise gut und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von einem ansteigenden Restrukturierungsgeschäft sowie einem absehbaren „Projektstau“ in 2021 profitieren können.