Wie es um den Umsetzungstand der EU-DLR bestellt ist, haben der Fachbereich Verwaltungswissenschaften und das Forschungskompetenzzentrum der Hochschule Harz (FH), gefördert durch das Land Sachsen-Anhalt, und der IT-Dienstleister MATERNA GmbH nachgeprüft: Beide Partner haben im vergangenen Herbst über 200 deutsche Kommunen mit jeweils mehr als 10.000 Einwohnern befragt. Die hohe Beteiligung an der Studie "EU-Dienstleistungsrichtlinie - Umsetzungsstand in der deutschen Verwaltung" zeigt, dass das Thema den Befragten am Herzen liegt. Denn der Zeitrahmen ist eng und die technischen, rechtlichen und organisatorischen Anforderungen sind hoch. So ist das Ergebnis nicht überraschend: Die kommunale Ebene hat bis auf wenige Ausnahmen noch Nachholbedarf bei der Umsetzung der EU-DLR. Bis Ende 2009 muss die Dienstleistungsrichtlinie per Gesetz umgesetzt werden. Noch ist die EU-Dienstleistungsrichtlinie - laut Studie - in den meisten befragten Kommunalverwaltungen im Befragungszeitraum kein "zentrales Thema". Entsprechend selten findet die EU-DLR auch im Haushalt Berücksichtigung. So gaben 83 Prozent der Befragten an, für 2009 keine Haushaltsmittel für die Umsetzung der EU-DLR ausgewiesen zu haben. Die Studie zeigt außerdem, dass die Chancen und Möglichkeiten, die sich für die eigene Verwaltung durch die Umsetzung und weitergehende Integration der geforderten Maßnahmen eröffnen, noch nicht ausgeschöpft werden. So kann die EU-DLR beispielsweise die Erneuerung organisatorischer Strukturen sowie die Modernisierung der IT-Architektur beschleunigen. Interessenten können die Studienergebnisse unter www.eu-dlr-studie.de anfordern.
Die EU-DLR soll die rechtlichen und administrativen Hindernisse im Dienstleistungsverkehr zwischen den EU-Mitgliedsstaaten beseitigen und die Niederlassungsfreiheit von Dienstleistungserbringern gewährleisten. Zu den Kernanforderungen der EU-DLR gehört unter anderem die Einrichtung eines Einheitlichen Ansprechpartners (EAP) für alle erforderlichen Formalitäten und Verfahren sowie das Recht auf eine problemlose elektronische Verfahrensabwicklung.
In jüngster Zeit stehen vor allem die kommunalen Verwaltungen im Fokus des Umsetzungsfortschritts: Sie stehen besonders häufig im Kontakt mit Dienstleistungserbringern und müssen darüber hinaus eng mit dem Einheitlichen Ansprechpartner (EAP) zusammen arbeiten. Dieser wird es in Zukunft ermöglichen, dass Unternehmer jederzeit nur eine Stelle für alle Behördenangelegenheiten kontaktieren müssen. Waren in der Vergangenheit für eine Betriebserweiterung noch zahlreiche Behördenwege zu erledigen, so übernimmt die gesamte Kommunikation in Zukunft der Einheitliche Ansprechpartner für die Unternehmer. Wie die Kommunen mit dieser Herausforderung umgehen, wie sie sich organisieren und welche Ressourcen mit welchen Zielen eingesetzt werden, war Hintergrund der vorliegenden Studie zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie in den deutschen Kommunen. Wie die Befragung zeigt, sind momentan vor allem die Information und Kommunikation zwischen den Bundesländern und der kommunalen Ebene noch verbesserungswürdig.
Es bleibt daher kritisch zu beobachten, ob die Kommunen bis zur Frist im Dezember 2009 eine Umsetzung präsentieren können, die den Anforderungen der Richtlinie entspricht. Denn eine Reihe rechtlicher, organisatorischer und technischer Hürden machen die Umsetzung dieses Großprojektes zu einer ganz besonderen Herausforderung.
Untersuchungsergebnisse im Einzelnen
Untersucht wurden unter anderem die Themenfelder "Organisation, Informationsstand und Stand der Umsetzung", "Eingeplante Haushaltsmittel" sowie "Abhängigkeit zwischen Wichtigkeit des Themas und bereitgestellten Haushaltsmitteln".
Der derzeitige Bearbeitungsstand der Umsetzung der Richtlinie wird unterschiedlich eingeschätzt. 41 Prozent der Befragten beurteilen die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie zum Beispiel als gar nicht ausreichend, nur gut ein Viertel (27 Prozent) als teilweise ausreichend. Weitere 17 Prozent der Befragten sehen sich lediglich ausreichend vorbereitet und nur drei Prozent sind überzeugt, dass ihr derzeitiger Umsetzungsstand vollständig ausreichend ist. Noch ganze zwölf Prozent können hierzu gar keine Aussage treffen. Ein knappes Jahr vor Ende der Umsetzungsfrist lassen diese Zahlen einen signifikanten Nachholbedarf in den Kommunen erkennen. Ein Grund hierfür kann sein, dass zum Befragungszeitpunkt erst wenige Länder entschieden hatten, welcher Behörde beziehungsweise Institution der geforderte Einheitliche Ansprechpartner zuzuordnen ist. Des Weiteren ist festzustellen, dass der Stand der Umsetzung mit dem Einsatz von Haushaltsmitteln für das Jahr 2009 korreliert: Es werden nur dann explizit Haushaltsmittel bereitgestellt, wenn das Thema in der Verwaltung kommuniziert und die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie praktiziert wird. So haben nur 17 Prozent der befragten Kommunen überhaupt Haushaltsmittel für die Umsetzung der EU-DLR für 2009 ausgewiesen.
Entscheidend für den Umsetzungsstand der EU-Dienstleistungsrichtlinie scheint die Kommunengröße zu sein. Während die Hälfte der befragten Kommunen mit mehr als 500.000 Einwohnern die Umsetzung der Richtlinie bereits vollzogen haben oder diese regelmäßig diskutieren, geben dies erst elf Prozent der Kommunen mit weniger als 50.000 Einwohnern an.
Die Umsetzung der EU-DLR gestaltet sich aufgrund mehrerer Faktoren schwierig: Als Hauptursache dafür werden mangelnde Informationen zur Umsetzungsplanung durch die jeweilige Landesverwaltung (62 Prozent) genannt. Zudem geben weitere 55 Prozent der Befragten an, dass die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie in ihrer Kommunalverwaltung keine Priorität genießt.
Handlungsempfehlungen
"Die EU-DLR ist eine konzeptionelle Organisationsaufgabe mit technischer Problemstellung. Sie eröffnet weitreichende Chancen für die Verwaltungsmodernisierung und für den Verwaltungsstandort; Verwaltungen müssen dies erkennen und verstehen. Nur so gelingt es, einen Wirtschaftsstandort auch durch die Verwaltungsdienstleistungen zu profilieren und damit für bestehende und neue Unternehmen attraktiv zu gestalten. Besonders die Verantwortlichen auf Länderebene sind bei der Umsetzung der Richtlinie gefragt. Sie sollten ihre Kommunikations- und Informationsstrategie sowie ihr Projekt-Management neu überdenken, um die kommunale Ebene fachlich und zeitlich einzubinden", so Prof. Dr. Jürgen Stember, Dekan des Fachbereiches Verwaltungswissenschaften der Hochschule. "Wir empfehlen, die Umsetzung der EU-DLR zur Chef-Aufgabe zu machen."
"Gleichzeitig müssen die Konsequenzen der Umsetzung neu und ganz konkret beschrieben werden. Bei der Abschätzung der organisatorischen und finanziellen Ressourcen haben noch zu viele Akteure keine Handlungsklarheit. Darüber hinaus müssen sich die Kommunen mit sachkundigem Personal an der Umsetzung der EU-DLR beteiligen. Ein interdisziplinärer und fachlicher Austausch muss zwischen allen Akteuren gewährleistet werden", ergänzt Kurt Wolke, Bereichsleiter bei MATERNA.
Hochschule Harz (FH) - Fachbereich Verwaltungswissenschaften
Der Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz (FH) in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) ist seit 1998 als externalisierte Ausbildung für den gehobenen, nicht-technischen Verwaltungsdienst nicht nur in Sachsen-Anhalt zuständig. Hierfür werden seit 2008 vier akkreditierte Bachelor-Studiengänge angeboten, mit derzeit über 850 Studierenden. Die angewandt-wissenschaftliche Lehre spiegelt dabei alle wichtigen und modernen Bereiche der Verwaltungen und Verwaltungsmodernisierung wider: Recht, Ökonomie/Management, Europa/Internationalisierung und neue Medien/eGovernment. Die Hochschule Harz beschäftigt sich darüber hinaus intensiv auch mit der angewandten und praktischen Forschung, die insbesondere den Fachbereich Verwaltungswissenschaften weit über die Grenzen Sachsen-Anhalts bekannt gemacht haben. Insgesamt gibt es derzeit drei zentrale Forschungsschwerpunkte: Umsetzung der Doppik, neues öffentliches Personalmanagement und eGovernment/neue Medien im Verwaltungseinsatz. Letzterer Schwerpunkt beinhaltet unter anderem das Forschungsprojekt Digitales Wirtschaftsförderungsmanagement (DiWiMa), welches die Studie zur Umsetzung der EU Dienstleistungsrichtlinie maßgeblich unterstützt hat. Das Forschungsprojekt ist Teil des Forschungskompetenzzentrums für Informations- und Kommunikationstechnologien/ Tourismus/ Dienstleistungen an der Hochschule Harz, gefördert aus Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt.