Der Verband der Mittelständischen Energiewirtschaft Deutschland (MEW) begrüßt die am 26. Juli 2023 vom Bundeskabinett beschlossene Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS). Der MEW möchte an dieser Stelle noch einmal das schleppende Tempo der Bundesregierung kritisieren, denn bereits Ende letzten Jahres war ein Referentenentwurf zum Update der NWS an die Öffentlichkeit gelangt. Wenn Deutschland in Zukunft ein wichtiger globaler Akteur im Bereich Wasserstoff sein möchte, müssen Beschlüsse künftig deutlich schneller gefasst werden.
Der MEW sieht in der Fortschreibung der NWS insgesamt durchaus positive Signale für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. An vielen Stellen bleibt das Strategiepapier jedoch wenig konkret und nicht ambitioniert genug.
Zusammenfassung:
- Wasserstoffbedarf und Elektrolysekapazität werden richtigerweise erhöht.
- Der steigende Importbedarf für Wasserstoff und dessen Derivate wurde erkannt. Nun bedarf es schnell einer technologieoffenen und geografisch breit gestreuten
Importstrategie mit klaren Mengenzielen. - Forderungen nach mehr Technologieoffenheit wurden richtigerweise berücksichtigt.
- Der Infrastrukturausbau muss schnellstmöglich angegangen werden. In diese Überlegungen sollten auch bestehende Tanklager einbezogen werden, denn sie weisen vor allem für die Speicherung von flüssigen Wasserstoffderivaten enorme Vorteile auf und können somit den Investitionsbedarf in Infrastrukturprojekte reduzieren
- Freie und mittelständische Tankstellen müssen bei Ausbau und Förderung der Infrastruktur mit einbezogen werden. Ihnen kommt eine zentrale Rolle im Ausbau des Netzes, insbesondere für Nutzfahrzeuge, zu.
Positiv ist ebenfalls die späte Erkenntnis der Bundesregierung hervorzuheben, dass
Deutschland seinen Bedarf an Wasserstoff nicht alleine wird decken können. So wird davon ausgegangen, dass bis 2045 ca. 80 % des Wasserstoffbedarfs durch Importe abgedeckt werden müssen. Die hierfür angekündigte Importstrategie ist von enormer Wichtigkeit. Es darf jedoch nicht bei einer bloßen Ankündigung bleiben. Die Strategie muss zügig erarbeitet werden. Wichtig wird außerdem sein, dass die Bundesregierung die Importstrategie technologieoffen gestaltet, klare Mengenziele für 2030 und darüber hinaus bestimmt und einen geografisch breit gestreuten Import anstrebt.
Der MEW befürwortet den deutlich technologieoffeneren Ansatz der vorliegenden Fassung der NWS. Der Fokus wird zwar weiterhin auf grünem Wasserstoff liegen, jedoch werden auch blauer, türkiser und orangener Wasserstoff gefördert. Außerdem sollen neue Förderinstrumente den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft deutlich stärker ankurbeln als bisher vorgesehen war. Die Förderung konkreter Projekte muss in Zukunft jedoch wesentlich schneller und unbürokratischer geschehen als bisher. Auch die Anwendungsbereiche für den Einsatz von Wasserstoff werden deutlich breiter gefasst, als im vorangehenden Referentenentwurf. Der MEW hatte sich für diese Technologieoffenheit seit jeher stark gemacht, da alle klimafreundlichen Formen des Wasserstoffs und seiner Derivate in Zukunft benötigt werden.
Beim Aufbau der notwendigen Infrastruktur muss nun endlich Tempo gemacht werden. Der Prozess zur Modellierung eines Wasserstoff-Kernnetzes bis 2032 ist zu begrüßen, jedoch müssen Betreiber von Infrastruktur und Abnehmer von Wasserstoff oder
Wasserstoffderivaten schnell wissen, ob und wann sie an ein potentielles Wasserstoffnetz angeschlossen werden. Das Netz muss hierfür schnellstmöglich ausgebaut bzw. ertüchtigt werden. Dabei begrüßt der MEW den Vorstoß Genehmigungsverfahren für die Errichtung von Wasserstofftankstellen zu vereinfachen und zu digitalisieren. Hierfür sollten jedoch sichergestellt werden, dass die freien und mittelständischen Tankstellen bei Ausbau und Förderung der Infrastruktur mit einbezogen werden. Ihnen kommt eine zentrale Rolle im Ausbau des Netzes, insbesondere für Nutzfahrzeuge, zu. Außerdem sollten neben der künftigen Umwidmung von LNG-Terminals zusätzliche Terminals für den Import von Wasserstoff und dessen Derivaten errichtet werden.
Die zu importierenden Wasserstoffderivate benötigen eine funktionierende Speicherinfrastruktur. Es ist hierbei dringend notwendig, neben der Umrüstung von bestehenden Kavernenspeichern, auch bereits vorhandene Tanklager in den Blick zu nehmen. Diese weisen vor allem für die Speicherung von flüssigen Wasserstoffderivaten enorme Vorteile auf, denn sie sind mit der Lagerung und dem Umgang mit flüssigen Kraft- und Brennstoffen bereits heute gut vertraut. Außerdem können Tanklager, dank ihrer jahrzehntelangen Logistik- und Distributionsfunktion, zukünftig eine sichere Versorgung von Abnehmern in ihrer Region gewährleisten. Dies ermöglicht, dass auch für mittelständisch geprägte Industrieregionen die Möglichkeit besteht, auf Wasserstoff umzustellen und so an der Defossilisierung der Energieversorgung teilzuhaben. Der MEW kritisiert, dass dieser Möglichkeit der Speicherung heute viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Auch in der Fortschreibung der NWS fehlen konkrete Pläne für Berücksichtigung und Förderung von bestehenden Tanklagern.
Abschließend ist festzuhalten, dass der MEW viele Punkte der NWS begrüßt, sich jedoch im Einzelnen oft konkretere und ambitioniertere Maßnahmen gewünscht hätte. Was es nun braucht, ist stringentes politisches Handeln, schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren, Pragmatismus und Investitionssicherheit, denn die Mitgliedsunternehmen des MEW stehen in den Startlöchern und wollen zum Erreichen des Ziels, Leitmarkt für international wettbewerbsfähige Wasserstofftechnologien zu werden, unterstützend beitragen.