Der Vorsitzende des WRO-Wirtschaftsbeirates, Helmut Hilzinger, begrüßte die Referenten und die Gäste mit fröhlicher Miene: „Wir treffen uns heute zu einem Thema, auf das die Wirtschaft in Deutschland lange gewartet hat. Der europäische Binnenmarkt und die Freizügigkeit sind hohe Güter, um die die Wirtschaft sehr dankbar ist. Diese großen Errungenschaften europäischer Politik werden bei aller Kritik an Europa gerne vergessen.
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist der richtige Schritt. Wir müssen in der Lage sein, weltweit die besten Köpfe anzusprechen und ohne bürokratische Hürden einstellen zu können. Auch wenn die Konjunktur gerade abkühlt: Es kommen wieder bessere Tage und die demographische Entwicklung nötigt uns weitere Anstrengungen bei der Suche nach Fachkräften ab.“
Der Lahrer Bundestagsabgeordnete Peter Weiß hatte den Gesetzentwurf im Bundestag inhaltlich begleitet und mit ausgestaltet. „Dafür will ich Ihnen im Namen der Ortenauer Wirtschaft herzlich danken!“, so Hilzinger.
Auch beim Gastgeber Martin Bellin stößt der Gesetzentwurf auf großes Interesse. Sein Unternehmen BELLIN Treasury International GmbH ist Weltmarktführer in der Entwicklung von Finanzsoftware. Das Unternehmen kämpft seit Jahren mit dem Fachkräftemangel im IT-Bereich. „Rekrutierung ist bei uns ein großes Thema. Mittlerweile sind Deutschkenntnisse überhaupt keine Voraussetzung mehr. Die Unternehmenssprache ist Englisch. Wir rekrutieren aus der Ukraine, Weißrussland und Indien und die Überwindung der bürokratischen Hürden waren in der Vergangenheit nicht leicht“, berichtete Inhaber Martin Bellin.
„Qualifizierte Fachkräfte können zukünftig nach Deutschland kommen“ lautet das Motto des neuen Einwanderungsgesetzes. Für eine praktikable Ausgestaltung des Gesetzes hat der Abgeordnete Peter Weiß als Mitglied des Ausschusses Arbeit und Soziales im Bundestag intensiv gerungen. Das Gesetz soll die Fachkräftesicherung durch eine gezielte und gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten flankieren. Peter Weiß benannte die Eckpunkte des Gesetzes: „Alle Personen, die eine berufliche Ausbildung haben, dürfen nach Deutschland kommen, wenn Sie einen Arbeitsplatz nachweisen können“, kündigte Peter Weiß an. Eine weitere Voraussetzung seien Deutschkenntnisse auf Sprachniveau B2. Akademiker dürfen für sechs Monate einreisen und sich vor Ort eine Stelle suchen. Das Sprachniveau muss vorhanden und der Lebensunterhalt sichergestellt sein. Im Bereich der Berufsausbildung hat der Gesetzgeber ebenfalls Erleichterungen vorgesehen. Zur Ausbildungsplatzsuche kann künftig nach Deutschland eingereist werden. Voraussetzung ist, dass der Kandidat Absolvent einer deutschen Auslandsschule ist oder über einen ausländischen Abschluss verfügt, der ihn in Deutschland oder dem Land, in dem er den Schulabschluss erworben hat, zum Hochschulzugang berechtigt. Zudem müssen mindestens Sprachkenntnisse auf B2-Niveau vorliegen. „Besonders liberal ist das Einwanderungsgesetzt gegenüber IT-Fachkräften. Hier ist eine dreijährige Berufserfahrung ausreichend. Auf Deutschkenntnisse wird in diesem Fall verzichtet“, so Peter Weiß.
„Begleitend wird der Bund die weltweit die deutschen Sprachangebote intensivieren und das Visumprozedere beschleunigen, damit Interessenten nicht ein halbes Jahr auf einen ersten Temin in der Deutschen Botschaft warten müssen“, erläutert Weiß.
Für Daniel Terzenbach, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit kommt das Gesetz genau zum richtigen Zeitpunkt. „In den letzten 5 Jahren wurde jeder zehnter Arbeitsplatz mit Ausländern besetzt. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit um 30 Prozent zurückgegangen und die von den Firmen ausgeschriebenen freien Stellen haben sich fast verdreifacht, von 3.000 auf 8.000“, berichtet Terzenbach. Deutschland könne sich nicht mehr nur auf osteuropäischen Fachkräften verlassen, da Osteuropa noch intensiver als Deutschland von der degressiven demographischen Entwicklung betroffen sei und ebenfalls Fachkräfte suche. „Wir müssen um kluge Menschen werben mit klugen Strategien. Die Bundesagentur für Arbeit konzentriert sich auf besonders aussichtsreiche Länder, die eine junge Bevölkerung haben. Der Zuwanderungsprozess muss sich in einem partnerschaftlichen Rahmen bewegen, damit diese Länder auch von Vorteilen profitieren“, erklärt Terzenbach. Beispielsweise unterstütz die Agentur Länder wie Indien, Mexico und die Philippinen, wo man vor Ort mit dem Aufbau von Berufsschulen unterstützt.
Neben der gesteuerten Zuwanderung gebe es aber auch Potentiale in Deutschland, die aktiviert werden müssen, bevor man auf Arbeitskräfte aus Drittländern zugreift. „Wir müssen die Schul- und Hochschulabbrüche noch mehr reduzieren und langjährigen Arbeitslosen umqualifizieren“ mahnt Terzenbach.