Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat Großbritannien den Austrittsantrag noch nicht eingereicht. Diese Tatsache ermögliche lediglich Prognosen über die zukünftigen Gegebenheiten, erklärt Dr. Barbara Mayer, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht in der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen, am Mittwoch im Hotel Grafs Adler in Offenburg. „Es ist eine Hängepartie bis Großbritannien den Antrag stellt. Bis dahin wird alles so bleiben, wie es ist“, bemängelt sie. Sollte es letzten Endes zum Austritt kommen, gebe es dringend Handlungsbedarf. Besonders wichtig seien dann Themen wie die zukünftige Vertragsgestaltung, die Wahl der Rechtsform und Gerichtsverfahren.
Bei der Vertragsgestaltung müsse man von nun an vorsichtig sein. Dies betreffe unter anderem derzeit bestehende Verträge, die als Vertragsgebiet das „Gebiet der EU“ aufführen. Hier stelle sich die Frage, ob Großbritannien nach dem Austritt noch beinhaltet sein soll. Dr. Barbara Mayer empfiehlt, dies mit dem Vertragspartner umgehend zu klären. Außerdem rät sie, in die Verträge zukünftig Kündigungsklauseln oder Anpassungsregelungen, zum Beispiel bezüglich Zöllen, Preisen und Produktzulassungen, im Falle des Austritts Großbritanniens aus der EU, aufzunehmen.
Auch das Gesellschaftsrecht werde betroffen sein, weiß die Fachanwältin. Derzeit gebe es in Deutschland etwa 9.000 Unternehmen mit der englischen Rechtsform „Limited“. Diese Rechtsform habe den Vorteil, dass die Haftung beschränkt, der Gründungsaufwand im Vergleich zu einer GmbH jedoch sehr gering ist. Innerhalb der Europäischen Union werden auch Gesellschaftsformen anderer EU-Länder anerkannt. Dies könne sich mit dem Brexit ändern, warnt Mayer. Wird die Limited in Deutschland nicht mehr anerkannt, haften die Geschäftsführer persönlich. Eine mögliche Lösung könne die Übertragung des Geschäftsbetriebs auf eine deutsche Gesellschaft sein.
Bei der Anerkennung von Gerichtsurteilen befürchtet Mayer ebenfalls Schwierigkeiten. Innerhalb der gesamten EU werden Urteile von allen EU-Ländern anerkannt und vollstreckt. Im Falle des Ausstiegs Großbritanniens gilt dies nicht mehr. Es sei daher ratsam, in den Verträgen Schiedsklauseln aufzunehmen.
Neben den rechtlichen Folgen würde der Austritt Großbritanniens auch Einfluss auf die Wirtschaft nehmen. Mayer betont besonders die in Großbritannien arbeitenden Deutschen. Es handle sich um insgesamt 420.000 Mitarbeiter, die derzeit nicht abschätzen können, wie sich ihre Arbeitssituation im Falle des Brexits entwickelt, bedauert sie.
Exakte Handlungsempfehlungen seien laut Mayer derzeit noch sehr schwer zu geben. „Halten Sie die Augen offen und lesen Sie Zeitung, damit Sie aktiv werden können, sobald es ernst wird“, gibt sie den Gästen der WRO als guten Ratschlag mit auf den Weg.