Zu den Schwerpunkten der Voith-Tochter aus Chemnitz gehören neben Entwicklungen für den Bereich Automotive auch Neuentwicklungen oder Modernisierungen von Schienenfahrzeugen. "Wir gaben unser Angebot ab und erhielten nach zwei Monaten zäher Verhandlungen von Siemens den Auftrag für die Entwicklung der Lokomotiv-Reihe mit der Bezeichnung Class 3800. In einer extrem kurzen Zeit, innerhalb von 14 Monaten, musste das Projekt abgewickelt werden", berichtet Ullrich Meixner. Der Auftraggeber wollte alle Konstruktionsdaten in AutoCAD Mechanical 2005 zusammenführen. "Wir haben deshalb kurzfristig in einem Benchmark mögliche Lösungen untersucht. Nur Autodesk Inventor zusammen mit dem PDM-System Autodesk Productstream Professional erfüllte die Anforderungen und lieferte ohne Aufwand Datenformate für das 2D-CAD-System bei Siemens. Wir benötigten ein 3D-CAD-System, denn viele der geforderten Aufgabenstellungen waren nur mit 3D-Technologie zu lösen. Zum anderen war ein PDM-System unverzichtbar. Nur mit PDM lässt sich die präzise Zusammenarbeit eines großen Teams in einem so komplexen Projekt sicherstellen. Außerdem mussten wir 2D- und 3D-Daten verwalten, neben den übrigen Projektdokumenten und der gesamten E-Mail-Korrespondenz.
"Sportliches Projekt"
Die N+P Informationssysteme GmbH (N+P) realisierte die IT-Betreuung bei diesem Wettlauf gegen die Zeit. "Innerhalb von fünf Wochen war alles zu erledigen: Pflichtenheft, Kopplung von PDM- und CAD-System, Schulungen, Konfiguration, Import großer Datenmengen über STEP und IGES. "Das war bei weitem das sportlichste Projekt, das wir je gemacht haben, wenn ich an den Zeitplan und die Aufgaben denke", erläutert Uwe Lindner, Senior Consultant bei N+P.
"Wegen des Zeitdrucks gingen wir zum Schichtbetrieb über. Dieser brachte zwar Nachteile hinsichtlich der Abstimmung unter den Kollegen, die aber durch die Funktionalität und die Ordnung des PDM-Systems abgemildert wurden", so Meixner. "Zudem besaßen zwei Drittel der Mitarbeiter schon Inventor-Kenntnisse. Außerdem: Wer schon andere 3D-Systeme kennt, kommt mit Inventor schnell klar", meint Meixner.
Innovative Lösungen
Die Kohlezüge der QR gehören zu den schwersten der Welt und fahren mit einer Geschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde von den Tagebauen im Landesinneren zu den Verladeorten an den Küsten. Dabei sollen drei Lokomotiven jeweils 124 Waggons mit einer gesamten Masse von 13.500 Tonnen ziehen. Alle sechs Achsen auf drei Drehgestellen sind angetrieben mit einer Antriebsleistung von 4 Megawatt. Die Spurweite beträgt nur 1067 Millimeter. Deshalb war der Schwerpunkt sorgfältig auszubalancieren und niedrig zu halten sowie die Massen auf die Achsen gleichmäßig zu verteilen. Um die Traktion sicherzustellen war eine schwere Lok gefordert, ohne die Zielmasse zu überschreiten. "Wir konnten wenig von den Vorgänger-Loks übernehmen. Die Fertigungsmethoden haben sich weiterentwickelt, beispielsweise durch die präziseren und verzugsfreien Methoden der Blechbearbeitung. Wir haben auch konzeptionelle Änderungen eingebracht, so z. B. beim Führerstand, den wir als Baugruppe gestaltet haben, sodass eine komplette Vorfertigung und die Montage durch eine Dachöffnung erfolgen konnten. Außerdem haben die neuen Loks höhere Kräfte und Lasten aufzunehmen", erklärt der Entwicklungsleiter.
Besondere Anforderungen waren beispielsweise die Bogenfahrt mit einem Radius von 80 Metern und die so genannte Wannenfahrt durch eine Senke. Das bedeutete, dass das mittlere Drehgestell Auslenkungen bis zu 210 Millimeter zulassen musste und die Federpakete entsprechend auszulegen waren.
Die Versuche und Prüfungen am realen Modell waren nur begrenzt möglich, deshalb spielten die Analysen am virtuellen 3D-Modell eine große Rolle. Hier kam die Methode des Digital Prototyping voll zum Zuge. Tests wie Kollisionsuntersuchungen, Einbaubedingungen, FEM-Analysen und Drehgestelluntersuchungen erfolgten digital. N+P unterstützte z. B. die technische Umsetzung der vorhandenen Excel-Integration in Inventor bezüglich der zu prüfenden Parameter bei der Auslenkung des Drehgestells. Der spätere Praxislauf der Loks bestätigte alle virtuellen Testergebnisse. Damit wurde die Entwicklung wesentlich effizienter gestaltet und signifikant beschleunigt.
Bereits im Oktober, vier Monate nach Projektstart, gingen die ersten Baugruppen in die Fertigung, die so genannten Langläufer. Am Ende des Projekts standen 4000 Zeichnungen im gewünschten AutoCAD-Format.
Erfolgreicher Abschluss - Folgeaufträge winken
Trotz der engen Termine und dank der Einsatzbereitschaft aller Beteiligten lief das Projekt erfolgreich ab. "Die Autodesk-Systeme und das Know-how von N+P als Systemintegrator spielten eine wesentliche Rolle bei diesem außergewöhnlichen Projekt", stellt Meixner fest. "Die Resonanz auf der Kundenseite zeigt sich an den Folgeaufträgen: Am Anfang des Projektes ging es um 20 Lokomotiven, inzwischen erhielt Siemens Optionen und Aufträge für das Mehrfache der ursprünglichen Bestellgröße.