Korrekte Fertigung entsprechend den Auftragsdaten, komplexe Produktion an verschiedenen Standorten und Gewährleistungsfälle mehrere Jahre nach Verkauf, die anhand der vorhandenen Daten und Protokolle aus der Produktion entschieden werden, setzen eine lückenlose Dokumentation in allen einzelnen Prozessschritten voraus. Der damit verbundene Aufwand ist zeit-, arbeits- und kostenintensiv, lohnt sich aber. So lässt sich zum Beispiel nachweisen, dass einem Achsbruch kein Materialfehler, sondern Materialermüdung durch Überlastung zugrunde liegt, die vom Eigentümer zu verantworten ist. Gerade wenn Personenschäden mit im Spiel sind, kann ein mangelnder Nachweis des Herstellers zu sehr hohen Schadenersatzansprüchen führen. Das wirtschaftliche Interesse an einer sauberen Dokumentation und sorgfältigen Archivierung trifft sich hier mit den gesetzlichen Auflagen der Produkthaftung, die Aufbewahrungsfristen für Dokumente von 15 Jahren vorsehen.
„Die Unternehmensprozesse von MAN Nutzfahrzeuge werden durch verschiedenste IT-Systeme unterstützt – Hostsysteme für Auftragsabwicklung und Produktionsmanagement, mehrere SAP-Module und Datenbanken etc. Neben den zahlreichen Stammdaten, die im Lauf des Gesamtprozesses in den verschiedenen Systemen erzeugt und ergänzt werden, bilden die vielen prozessbegleitenden Papierdokumente – pro Fahrzeug ein Aktenordner und davon mehr als 87.000 Stück pro Jahr – die tragende Säule in den Abläufen“, erklärt Sebastian Rottenwöhrer, Projektleiter Elektronische Fahrzeugakte bei der MAN IT Services GmbH, dem konzerneigenen IT-Dienstleister. „Eine zentrale und einheitliche ECM-Infrastruktur für alle Daten und Dokumente bildet daher eine fundamentale Voraussetzung dafür, weitere Wertschöpfungspotenziale etwa durch die Ablösung des Papierarchivs in der Produktion oder die Einbeziehung externer Nutzer im Service zu erschließen. Aus dieser Erkenntnis heraus ist das Projekt der elektronischen Fahrzeugakte, zu dessen Erfolg das Prozesswissen und die Mitarbeit unserer Fachkollegen aus der Abteilung Gewährleistung maßgeblich beigetragen haben, entstanden.“
Seit Juli 2006 arbeiten über hundert Mitarbeiter in Produktion und Service mit der ECM-Infrastruktur, entsteht vom Auftragseingang bis zur Lieferung und Rechnungsstellung eine komplette Fahrzeugakte inklusive Stammdaten und Protokollen aus der Produktion. Im Falle eines Gewährleistungsfalles können die Servicemitarbeiter über die Browser-Oberfläche von Livelink PDMS direkt auf Fahrzeugakten zugreifen und die vielfältigsten Funktionen nutzen. Sie können die Akten etwa um Photos vom Schadenfall oder Korrespondenzen, die den Fort- und Ausgang des Falls dokumentieren, ergänzen. Handelt es sich um ein Nutzfahrzeug eines Drittherstellers, für den MAN Nutzfahrzeuge Komponenten zugeliefert hat, legen die Servicemitarbeiter einen neuen Stammdatensatz an und verknüpfen diesen mit den Dokumenten, zum Beispiel der zugelieferten LKW-Achse.
„Mit der elektronischen Fahrzeugakte sind wir unseren strategischen Zielen der Prozessoptimierung und Risikominimierung einen entscheidenden Schritt näher gekommen“, betont Petra Sedlmeier, Teilprojektleiterin After Sales, MAN IT Services. „Die nächsten Schritte bestehen in der Beseitigung der letzten Medienbrüche und der Erweiterung des Anwenderkreises. Die grundlegende Infrastruktur ist bereits vorhanden.“
Noch 2007 sollen die MAN-Serviceniederlassungen, die an das unternehmensinterne Fahrzeuginformationssystem auf SAP-Basis angebunden sind, die elektronische Fahrzeugakte innerhalb des einheitlichen SAP-Clients, den MAN Nutzfahrzeuge zur Verfügung stellt, selbstständig nutzen. Möglich wird dies durch die nahtlose Integration von Livelink PDMS in SAP®-R/3®. Dadurch wird sich der Anwenderkreis erheblich erhöhen und einige Zwischenschritte über die interne Serviceabteilung großteils entfallen. Ein weiterer Meilenstein ist die Abschaffung der Fahrzeugabnahmeprotokolle in Papierform, die 2008 realisiert werden soll.