Dank eines starken Investorenkonsortiums bestehend aus Green Growth Fund 2 / Wermuth Asset Management, Nordia Invest und Scheufelen Equity Partners nimmt die neugegründete „Scheufelen GmbH“ den Geschäftsbetrieb mit 100 Mitarbeitern am 02.07.2018 wieder auf. Die Papierfabrik Scheufelen hatte Ende Januar 2018 einen Insolvenzantrag stellen müssen. „Trotz vorübergehender Einstellung der Produktion Anfang April 2018 und der insolvenzbedingten Freistellung von nahezu 280 Mitarbeitern, haben wir die Hoffnung und die intensiven Bemühungen für eine Fortführungslösung nie aufgegeben,“ so der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. Tibor Braun aus Stuttgart. „Insbesondere das in Lenningen zur Marktreife entwickelte Scheufelen Graspapier und das entsprechende ganz besondere Produktions-Knowhow war Ansporn, alle Möglichkeiten für den Erhalt des Unternehmens auszuschöpfen“.
Mit dem aus aufgeschlossener Grasfaser und aus Zellstoff hergestellten Scheufelen Graspapier hatte man seit Mitte 2017 für eine kleine Revolution auf dem Papiermarkt gesorgt, nicht zuletzt um sich unabhängiger von den weltweiten Zellstoffmärkten zu machen. Bei Scheufelen Graspapier handelt es sich um ein besonders nachhaltiges und kostengünstiges Frischfaserpapier mit massiven Einsparungen an Wasser-, Chemie- und Energiebedarf für die Rohfaser. Gegenüber Recyclingpapieren zeichnet sich Scheufelen Graspapier dadurch aus, dass bei Anwendungen im Lebensmittelbereich die dem Verbraucherschutz widersprechende Mineralölmigration aus Altpapieren vermieden wird. Grasfasern wachsen im Gegensatz zu Faserstoffen aus Holz aber auch innerhalb kürzester Zeit nach und sorgen damit für einen schnellen CO²-Ausgleich von Verpackungen aus Graspapier.
„Die großen internationalen Konsumgüterhersteller, aber auch viele andere Marktteilnehmer und vor allem Endkunden haben ihr großes Interesse an Scheufelen Graspapier trotz der schwierigen Situation des Unternehmens immer wieder unterstrichen“, so Geschäftsführer Stefan Radlmayr, der auch bei der Scheufelen GmbH künftig die Geschäfte leiten wird. „Das hat die Investoren ermutigt, auf den Entwicklungsvorsprung sowie das Können der Mitarbeiter als gute Grundlage für zukünftiges Wachstum bei Scheufelen zu setzen.“ Den verbleibenden, aber auch den ausscheidenden Mitarbeitern gelte ein besonderer Dank: „Ohne Ihren Einsatz und Glauben an die Zukunft des Unternehmens wären wir nicht so weit gekommen“, sagt Stefan Radlmayr.
Der Insolvenzverwalter ist erfreut darüber, dass durch die Fortführungslösung langfristig zunächst wenigstens 100 Beschäftigungsverhältnisse im Lenninger Tal und eine Keimzelle für neue Arbeitsplätze erhalten werden konnten. „Bei unseren Bemühungen wurden wir sowohl von der Bundesagentur für Arbeit als auch der zuständigen Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vorbildlich unterstützt“, so Braun. Insbesondere die Agentur für Arbeit hat bei den Bemühungen um eine Transfergesellschaft mitgewirkt, die ihre Tätigkeit am 02.07.2018 aufnimmt. Der Wechsel in diese Transfergesellschaft ermöglicht die Fortbildung der nicht übernommenen Mitarbeiter und bietet ihnen gleichzeitig das Vermittlungs-Knowhow der Transfergesellschaft Refugio, um schnell wieder im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Diese Mitarbeiter werden bis zu fünf Monaten in der Transfergesellschaft fortbeschäftigt und werden somit nicht arbeitslos. Nahezu 100 Mitarbeiter haben das Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft angenommen. Waren 2017 noch 340 Mitarbeiter bei Scheufelen beschäftigt gewesen, so hatten nach der vorübergehenden Betriebsstilllegung etliche Mitarbeiter bereits neue Arbeitsplätze gefunden. Zuletzt waren noch 264 Mitarbeiter beschäftigt.
Das Konzept der Investoren sieht neben Scheufelen Graspapier weiterhin die Produktion und Fortentwicklung der weltweit nachgefragten Scheufelen Premiumpapier-Produkte vor, insbesondere des hochweißen Verpackungskartons Phoenolux, verzichtet aber auf die von hohem Margendruck belasteten Bilderdruckpapiere, die letztlich Grund für die Insolvenz waren. Die Entwicklung und Markteinführung der Scheufelen Produkte werden auch zukünftig vom Packaging Campus Lenningen in Kooperation mit der Hochschule der Medien in Stuttgart und weiteren Partnern begleitet. Der innovative Packaging-Campus kann seine Aktivitäten in Lenningen nun verstärken, weitere Forschungs- und Technikumseinrichtungen rund um das Thema Ressourceneffizienz und alternative Faserstoffe sollen bald folgen.
Stefan Radlmayr ist sich sicher, dass dank des Neustarts aus dem idealen Standort in Lenningen ein Leuchtturmprojekt für den auch im Koalitionsvertrag der Landesregierung verankerten Bioökonomiegedanken werden kann. Angesichts der großen wirtschaftlichen Bedeutung des Standorts für die Region sei es wünschenswert, wenn neben der klassischen Papierproduktion auch diese Ideen schnell zum Tragen kämen. Großes Lob gibt es für die politische Unterstützung während des Insolvenzverfahrens. „Besonders das Baden-Württembergische Umweltministerium und hier vor allem Minister Franz Untersteller müssen hervorgehoben werden, die uns nicht nur bei der Investorensuche, sondern letztlich auch bei der am Ende sehr komplexen Umsetzung der Lösung im öffentlichen Bereich geholfen haben und dies in einem Maße, wie ich es bislang nicht erlebt habe“ so Tibor Braun.
Zu den Investoren:
Wermuth Asset Management (WAM), Berlin, ist ein Family Office mit Fokus auf Impact-Investitionen in ressourceneffiziente Unternehmen durch seine Green Gateway Funds (siehe auch Pressemitteilung in Anlage).
Nordia Invest, Hamburg, ist eine Investmentgesellschaft, die selektiv Beteiligungen u.a. aus Restrukturierungssituationen erwirbt. Der Fokus liegt dabei vorwiegend auf Unternehmen bzw. Branchen, die über eine klassische Fertigungstiefe verfügen sowie in ihrem Produktbereich nachhaltige Erfolgsaussichten aufzeigen können.
Scheufelen Equity Partners, Lenningen, ist eine Holding der traditionellen schwäbischen Unternehmerfamilien Schaeff und Scheufelen für nachhaltige Investitionen im Pulp and Paper Bereich.