Seit über 100 Jahren prägt der 275 m lange Eisenbahnviadukt als filigrane Stahlkonstruktion das Chemnitzer Stadtbild. Das historische Bauwerk überbrückt nicht nur mehrere Straßen und den Fluss Chemnitz, mit seinen genieteten Fachwerkbögen und Balkenträgern hat das Baudenkmal für die Chemnitzer auch Symbolcharakter. Im Rahmen der 390 km langen DB-Ausbaustrecke von Dresden nach Nürnberg, der sogenannten Sachsen-Franken-Magistrale, und als wichtiger Bestandteil des Chemnitzer Bahnbogens wird die denkmalgeschützte Bestandsbrücke derzeit aufwendig saniert. Die große Herausforderung dabei ist, alle Anforderungen an eine moderne Schienen-Infrastruktur unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Aspekte in Einklang zu bringen – unter eingeschränkter Aufrechterhaltung des Zugverkehrs.Aufwendige Sanierung
Die 275 m lange und 17,50 m breite Stahlbrücke besteht aus insgesamt 12 Brückenfeldern, davon 2 Fachwerkbögen. Die Sanierung des Viadukts ist äußerst aufwendig: Stahlteile werden erneuert, über 30.000 m² Stahloberfläche sind zu strahlen und neu zu beschichten. Darüber hinaus müssen die beiden Bogenbereiche durch Verstärkungen ertüchtigt und über 10.000 Nieten ausgetauscht werden.
Lösungskompetenz Gerüstbau
Voraussetzung dafür sind Arbeitsgerüste, die in bis zu 9 m Höhe sichere Arbeitsebenen für alle auszuführenden Tätigkeiten bieten. Insbesondere der 43 m spannende Brückenbogen über den Fluss Chemnitz erforderte ein außergewöhnliches Gerüstkonzept. Hierbei vertraute das Paderborner Gerüstbauunternehmen VERO auf die Lösungskompetenz von PERI. Auf Basis der beiden miteinander kombinierbaren Baukastensysteme PERI UP und VARIOKIT erarbeiteten PERI Ingenieure eine Gerüstlösung, die allen projektspezifischen Herausforderungen gerecht werden sollte: vom anspruchsvollen Prüflauf der Deutschen Bahn bis hin zur praktischen Umsetzbarkeit auf der Baustelle.
Temporäre Überbrückung
Da ein Anhängen oder Verankern der PERI UP Einrüstung an die vorhandene Brückenkonstruktion und auch eine Zwischenabstützung im Fluss Chemnitz nicht möglich war, sah das PERI Konzept eine temporäre Überbrückungskonstruktion mit VARIOKIT Fachwerkträgern vor. Vor Ort wurden dafür teils auskragende Auflager als beidseitige Fahranlage montiert. Nach Fertigmontage von fünf Fachwerkeinheiten mit jeweils 25 m Länge und 10 Tonnen Gewicht wurden diese mittels Mobilkran eingehoben. Das Einfahren unter den Brückenbogen in deren exakte Position erfolgte als polygonaler Querverschub mittels PERI Exzenterwagen, die speziell für den Verschub auf standardisierten RCS Kletterschienen modifiziert wurden. An der endgültigen Position angelangt, ließen sich die Fachwerkträger auf die statisch notwendige Gesamtlänge von 37 m erweitern, indem die Gurte und Streben auf Basis des VARIOKIT Ingenieurbaukastens beidseitig angebaut wurden – zwischen der vorhandenen Brückenkonstruktion hindurch bis zu deren Fundamente.
Gut vorbereitet
Grundlage für eine reibungslose und kollisionsfreie Realisierung war eine detaillierte 3D-Gerüstplanung inklusive des erforderlichen statischen Nachweises. Das zugrundeliegende 3D-Modell der Stahlbrücke basierte mangels Bestandsplänen auf einem anfangs durchgeführten 3D-Laserscan. Dass die komplette VARIOKIT Überbrückungskonstruktion in nur 2 Tagen fertiggestellt werden konnte, war neben der kompetenten Planungsleistung auch der guten Vorbereitung zu verdanken. So wurde zuvor bei VERO in Paderborn mit Unterstützung eines PERI Richtmeisters eine Testmontage bis hin zum eigentlichen Querverschub durchgeführt. Daran anschließend konnten einzelne Bindermodule zu transportfähigen Einheiten vormontiert und weitgehend einsatzfertig auf die Baustelle nach Chemnitz geliefert werden.
Metrisch kombinierbar
Der VARIOKIT Ingenieurbaukasten ist ein System mit schier unzähligen Möglichkeiten. Es baut auf mietbaren Stahlriegeln und Kletterschienen mit Doppel-U-Profil auf. Die Verbindungen werden mit Passbolzen und somit kupplungsfrei hergestellt. Durch das Systemmaß von 12,5 cm ist VARIOKIT kompatibel zum PERI UP Gerüstbaukasten, der auf einem ebenso metrischen 25-cm-Grundraster basiert. Als Verbindungsbauteil beider Baukastensysteme fungiert in Chemnitz der Basisstiel UVA – der sowohl als Auflager als auch zum einfachen Weiterbau nach oben dient. Insbesondere beim Ausbilden der Gerüstlagen spielte das metrische PERI UP Systemraster seine Stärken aus: Trotz der komplexen Brückengeometrie mit kreuz und quer verlaufenden Stahlstreben und -bögen konnten Belagsebenen weitestgehend ohne aufwendige Kupplungsarbeiten ausgebildet werden – lückenlos und ohne gefährliche Stolperstellen bei der späteren Gerüstnutzung.
Digital unterwegs
Gerüst und Digitalisierung gehören bei PERI eng zusammen. Gerüstplanungen können mittels Augmented und Virtual Reality virtuell begangen und zudem in die physische Umgebung projiziert werden. Die VERO Gerüstspezialisten verwendeten für die Gerüstmontage die PERI Extended Experience App (XR). Diese stellte das in PERI CAD geplante 3D-Gerüstmodell auf Tablet oder Smartphone digital bereit. Planzeichnungen auf Papier sowie das Ablesen und Einmessen vor Ort waren damit nicht notwendig. Durch das Zusammenführen der virtuellen Welt mit der realen Umgebung konnte ein direkter Soll-Ist-Abgleich stattfinden, was den Montageablauf nochmals erheblich vereinfachte.
Gerüstbauunternehmen
VERO Scaffolding EOOD, Niederlassung Deutschland, Paderborn
Projektbetreuung
PERI Niederlassung Düsseldorf; PERI Competence Center Gerüst, Weißenhorn