Ist es seelenlose Mechanik? Ist es eine Kunst? Ist es etwas ganz Anderes, Neues?
»Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird der Analphabet der Zukunft sein.« Walter Benjamin
Zugegeben, das Buch ist anstrengend zu lesen. Es passt aber sehr gut in unsere Zeit. Mit dem Begriff #FinaleKomposition betreten wir als Photolux ebenfalls wieder Neuland mit dem umfassenden Blick auf den fotografischen, digitalen Workflow. Der technische Einfluss wird immer stärker. Diesen zu beherrschen ist die "Kunst". Gleichzeitig müssen wir erkennen, dass wir in der Fotografie bzw. im Workflow rekursive Prozesse haben. Back-to-the-roots: Ansel Adams hat immer noch Recht. Auch in der digitalen Welt.
Es erscheint uns wichtig, die Spur zulegen und über die Wurzeln der Fotografie Bescheid zu wissen. Erkennen, das sich vieles immer wieder wiederholt. Dazu kann dieses Buch einen guten Beitrag leisten und gehört unter den Weihnachtsbaum der engagierten Fotografen.
Walter Benjamins Kleine Geschichte der Photographie (1931) war einer der frühesten Versuche zum Verständnis der immer noch jungen Technik und weist zugleich voraus auf seine berühmte Abhandlung Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1935).
Was Benjamin nicht ahnen konnte und mit dem Wort »Knipsen« streift: Seither hat sich die Welt der Bilder radikal verändert. Durch Digitalisierung steigerte sich die Zahl der Fotos ins Unzählbare, die Bedeutung jedes einzelnen Bildes dagegen ist fast verschwunden. Was bleibt von Benjamins Theorie?
Liest man heute seinen Text von Neuem und mit dem Blick auf alle hier wieder reproduzierten Abbildungen der Originalausgabe, so gibt er verblüffend aktuelle Anstöße. Vor allem aber entdecken wir ganz anders die Kraft jener frühen Bilder: von August Sanders Porträts bis Germaine Krulls Pariser Passagen. Ist ihnen inzwischen nicht auch die »Aura« zugewachsen, die sie laut Benjamin zerstörten? Und stellt sich nicht die Frage nach Fotografie und Malerei auf einmal neu? Mit der KI dürften sich diese Fragen erneut stellen.
In seinem ebenfalls bebilderten Essay stellt der Benjamin-Kenner Wolfgang Matz Benjamins Text kritisch in den Kontext seiner Zeit und zeigt, wo produktiv anzuknüpfen ist angesichts der unfassbaren Sintflut an unaufhörlich hergestellten und vernichteten Bildern.
Mit Abbildungen von Gustave Caillebotte, Étienne Carjat, Louis Daguerre, David Octavius Hill, Germaine Krull, Charles Marville, Isolde Ohlbaum, August Sander, Michael Wesely
Broschur. Fadenheftung. Silberfolie. 120 Seiten. 24 Abb.. 12 x 17 cm
ISBN 978-3-89581-587-4
Wolfgang Matz (Hrsg.), Walter Benjamin
Walter Benjamin, Literatur- und Kulturkritiker, Essayist und Philosoph, wurde 1892 als Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren. 1933 musste er emigrieren; auf der Flucht vor den Nazis nahm er sich 1940 in Spanien das Leben. Die Kritische Gesamtausgabe seiner Werke erscheint seit 2008 im Suhrkamp Verlag. Wolfgang Matz (*1955) lehrte deutsche Sprache und Literatur an der Universität Poitiers, arbeitete als Verlagslektor und lebt als Autor und Übersetzer in München. Er publizierte über Benjamin u. a. Eine Kugel im Leibe. Walter Benjamin und Rudolf Borchardt: Judentum und deutsche Poesie (2011).