Die Familie Anne Boot und Olaf Boothe betreibt in genau diesem Kalkar, im Ortsteil Wissel, ein Modehaus bereits in dritter Generation. Gegründet hat es der Großvater 1925. Die Gegend um Kalkar ist ländlich und dünn besiedelt, weshalb es aus Sicht der Bundesregierung auch ein idealer Standort für einen schnellen Brüter gewesen wäre. Mitten auf dem „platten Land“ steht also dieses Modehaus, übrigens mit Photovoltaik und Stromspeicher mit Notstromfunktion ausgestattet. Auf die Frage, wie ein Modehaus im dünn besiedelten Kalkar in Zeiten des allgegenwärtigen Onlinehandels überlebt, gibt Olaf Boothe e eine überraschend einfache wie überzeugende Antwort: „Mode war und ist ein beratungsintensives Geschäft und wird es auch in Zukunft bleiben. Wir liefern die Beratung, was unsere Kunden sehr schätzen, das kann ein Versandhandel einfach nicht leisten.“
Über Facebook zum Mieterstromprojekt
Die Geschichte des Mieterstromprojektes beginnt vor vielen Jahre mit einem Kontakt auf Facebook. Herr Borys, Inhaber des Wuppertaler Planungs- und Entwicklungsbüros für Erneuerbare Energiesysteme mit dem eigensinnigen Namen „Jamp“, ist nicht nur ein engagierter Energiewendler, sondern auch ein exzellenter Social-Media Marketingmensch. Mit seinen authentisch, ehrlichen Videos zum Thema Photovoltaik, Stromspeicher und Kleinwindkraft berichtet er fast wöchentlich in den Sozialen Medien zum Thema erneuerbaren Energien. So sind Frau Boot und Herr Boothe durch Facebook auf Herrn Borys aufmerksam geworden.
Aus der Facebook Bekanntschaft entwickelte sich der erste Auftrag für das Privathaus von Frau Boot und Herrn Boothe. Installiert wurden eine Klein-Windkraftanlage und eine Photovoltaikanlage. Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit beim Privathaus entschloss sich das Unternehmerehepaar auch auf ihrem Modehaus eine10 Kilowatt Peak Photovoltaikanlage mit Stromspeicher installieren zu lassen. „Gute Beleuchtung ist das „A“ und „O“ bei der Modeberatung. Bei unserem hohen Stromverbrauch war es naheliegend eine Photovoltaikanlage für den Eigenverbrauch installieren zu lassen. Weil wir im Raum Kalkar auch öfter Stromausfälle haben, war die Installation eines Stromspeichers mit Notstromfunktion eine gute Idee. Wir haben die Notstromfunktion schon mehrmals gebraucht. Bei uns gehen die Lichter in Zukunft nicht mehr aus “, erklärt Frau Boot.
Wohnungsmangel als Treiber des Mieterstromprojektes
Zwei Mitarbeiterinnen des Boot-Modehauses waren auf Wohnungssuche. Die stellten fest, dass es auf dem Land zwar viele große, aber keine kleinen Wohnungen für Singles oder Wochenendpendler gibt. Hier hat Familie Boothe die Initiative ergriffen und ein Objekt für neun Mietparteien, mit Wärmepumpe als Wärmequelle, Photovoltaik und Stromspeicher als Energiequelle entwickelt, dem Bedürfnis nach kleinen Wohnungen auf dem Land entgegenkommt. Das neue Wohngebäude sollte Mieterstrom und maximale Autarkie bieten. Gewinnmaximierung und maximale Rendite waren kein Thema. Alle Mietparteien zahlen eine moderate und pauschale Warmmiete.
Borys von Jamp als Experte verpflichtet
Als Experte für das Mieterstromprojekt wurde Armin Borys von Jamp verpflichtet, der eine maximale Vollversorgung mit Photovoltaik und Stromspeicher entwickelte. Auf dem Weg zum fertigen Projekt wurden zwei Eletkrofachbetriebe verschlissen. „Die hatten „ihre“ Elektrik schon fertig geplant und waren wenig begeistert von der Idee eines Mieterstromprojektes. Zum Problem entwickelte sich das Messkonzept für selbst erzeugten, gespeicherten und zugekauften Strom. Zwei Elektrobetriebe haben angesichts dieser Herausforderung das Handtuch geworfen. Realisiert wurde das Messkonzept schließlich von einem jungen Elektriker, der das Messkonzept unaufgeregt und professionell umgesetzt hat“, erklärt Armin Borys seine Odyssee mit zwei Elektrofachbetrieben.
Vermieter wird Stromlieferant
Stromlieferant sind die Hausbesitzer und Vermieter. Zur ordentlichen Abrechnung hat jede Mietpartei einen eigenen elektronischen Unterzähler. Sollte eine Mietpartei beim Mieterstromprojekt nicht mitmachen wollen, wird ein neuer Zähler vom Netzbetreiber gesetzt. Wobei dieser Fall eher unwahrscheinlich sein dürfte, da Mieter eine pauschale Warmmiete, inklusive Heizung und Strom zahlen. Ein Ausstieg aus dem Mieterstromprojekt wäre wirtschaftlich nicht attraktiv.
Das Gute tun, damit es in der Welt sei
Für Frau Boot und Herr Boothe stand bei dem Projekt nicht die Rendite im Vordergrund, sondern der Wille bezahlbaren, modernen und ökologisch intelligent gemachten Wohnraum nach den Bedürfnissen der Mitarbeiter zu schaffen. „Es geht hier darum umweltfreundlich zu bauen und auch etwas vom eigenen Erfolg abzugeben, Gutes für die Umwelt und unsere Kinder zu tun und zu zeigen, dass mit erneuerbaren Energien eine Eigenversorgung auch bei einem Mietobjekt möglich ist“, erklärt das Unternehmerehepaar sein Engagement bei Projekt.
Das hat vielleicht auch etwas mit der Nähe zum ehemaligen Atomkraftwerk Kalkar zu tun. Das Projekt wurde 1991 endgültig beerdigt, der Reaktor ging nie ans Netz. Trotzdem ist Betroffenheit vor Ort da und daher vielleicht auch der Wille größer, selbst etwas für die Energiewende zu tun, als in anderen Regionen.
Auf dem Gelände des ehemaligen Schnellen Brüters befindet sich heute ein Tagungshotel, sowie ein Freizeitpark. Im ehemaligen Kühlturm dreht sich ein Karussell.
Investitionsruine Schneller Brüter und Mieterstromprojekt werden Nachbarn
Seit 2019 befindet sich rund 2500 Meter westlich der Investitionsruine „Schneller Brüter Kalkar“ ein beispielhaftes Mieterstromprojekt, mit moderner Wärmepumpenheizung, 38 Kilowatt Peak Photovoltaik, kombiniert mit einem 52 Kilowattstunden Hochvolt Stromspeicher der Firma Powertrust für maximalen Eigenstromerzeugung und -Verbrauch. „Die Entscheidung für den Stromspeicher der Firma Powertrust wurde aus mehreren
Motiven gespeist. Erstens vertrauen wir auf das Urteil von Herrn Boris, zweitens ist der Stromspeicher brand- und explosionssicher, er soll sogar schussfest sein. Drittens werden die Akkus zu 99 % wiederverwertet, in einem etablierten Verfahren. Das ist uns wichtig, wir wollen unseren Kindern keinen Sondermüll hinterlassen“, erklärt Frau Boot die Entscheidung für genau diesen Stromspeicher. Und Herr Borys erklärt: „ Die CrystalTower liefern genug Be- und Entladeleistung, um ein so großes Projekt tatsächlich unabhängig zu machen. Wir sprechen von Be- und Entladekapazitäten von 21,6 Kilowatt. Das ist genug Beladeleistung, dass bei Sonnenlicht die Akkus schnell beladen werden und es ist genug Entladeleistung, dass am Abend genug gespeicherte Leistung und Kapazität zur Verfügung steht, um das Gebäude mit selbst geernteter Sonnenenergie zu versorgen.
Auf Gute Nachbarschaft – sicher nicht
Eine von Deutschlands größten Investitionsruinen der atomaren Energiewelt hat nun ein privat initiiertes Vorzeigeobjekt für erneuerbare Energien in direkter Nachbarschaft. Ob die zwei Freunde werden darf bezweifelt werden. Der schnelle Brüter ist Mahnmal für gescheiterte Energiepolitik, das Mieterstromprojekt der Familie Boot und Boothe ist ein Blick in die Zukunft, wie es sein kann und sein sollte.
Mieterstromprojekt Kalkar-Wissel in Zahlen:
Bauherren: Anne Boot,Olaf Boothe
Projekt: Neubau eines Mietshauses in Kalkar-Wissel mit neun Mietparteien
Jahresenergiebedarf: je Mitpartei ca. 2500 Kilowattstunden pro Jahr
Planung und Realisation Photovoltaik und Stromspeicher: Jamp GmbH Wuppertal
Stromspeicher: Drei CrystalTower der Firma Powertrust GmbH Bremen,
Gesamtkapazität Netto: 51,9 kWh (3 x 17,3 kWh)
Be- und Entladekapazität: 21,6 Kilowatt (3 x 7,2 Kilowatt)
Photovoltaikanlage: 37,50 kWp (125 Modulen zu je 300 Watt)
Wärmepumpensystem: Luftwärmepumpe