Netzausfall: statistisch 11 Minuten – praktisch auch mal Stunden
Der statistische Mittelwert für einen Stromausfall lag 2020 in Deutschland bei 11 Minuten, 2006 waren es noch 22 Minuten. Statistisch gesehen nimmt die Dauer der Stromausfälle also ab, was allerdings nicht bedeutet, dass Stromausfälle von mehreren Stunden nicht möglich sind. Wenn der lange Blackout kommt, wird es schnell ungemütlich: Neben elektrischer Beleuchtung fallen Telekommunikation, Heizung, Kühlung, Torantriebe und Fahrstühle aus. Wer nicht gegen Stromausfall abgesichert ist, sitzt im Dunkeln oder, wenn es blöd läuft, im Fahrstuhl. Für eine zuverlässige Absicherung gegen Stromausfall sind Wissen und Technik notwendig – und sie kostet Geld. Wird an einem Punkt gespart, bleiben bei Netzausfall die Lichter aus und die Fahrstuhltüren geschlossen. „Rien ne va plus“ – „Nichts geht mehr!“ – so geschehen ca. 2018 im Münchner Süden.
So besser nicht!
Ein privates Wohnhaus im Münchner Süden – 2000 Quadratmeter Wohnfläche, Grundstück direkt am See – wurde von einem lokalen Elektrounternehmen mit unterbrechungsfreier Stromversorgung (USV) und Blockheizkraftwerk (BHKW) gegen Stromausfall im öffentlichen Netz abgesichert – vermeintlich. Beim ersten Stromausfall versagte die installierte Technik allerdings komplett und die Versorgungsunterbrechung hielt sich auch nicht an das statistische Mittel von 11 Minuten – sie dauerte 12 Stunden.
Fehleranalyse und Neuaufbau
Grund für das Komplettversagen des installierten Notstromsystems war eine Gemengelage aus Mess-, Auslegungs- und Planungsfehlern.
Nach dem Versagen der vorhandenen Technik wurde die Powertrust GmbH aus Bremen mit Planung und Neubau der Notstromversorgung beauftragt. Die Aufgabe war, die im Gebäude installierte Energietechnik so abzusichern, dass eine unabhängige Energieversorgung für mehrere Tage sichergestellt werden konnte.
Was der Kunde wollte:
Der Auftraggeber wollte ein netzunabhängiges Inselsystem, das bei Ausfall der öffentlichen Stromversorgung eine unterbrechungsfreie Vollversorgung des gesamten Anwesens mit allen elektrischen Verbrauchern im Parallelbetrieb sicherstellen konnte: Beleuchtung, elektrische Kleingeräte, Kommunikationstechnik, Entertainment aber auch Großverbraucher wie Fahrstuhl, das Schwimmbad, dessen Temperatur auf konstanten 24° Celsius gehalten werden muss – und das BHKW musste für die Langzeit-Wärme- und Stromversorgung anfahren können.
Notstrom mit Stromspeicher und Photovoltaik für mehrere Tage
Die Ingenieure und Techniker der Powertrust GmbH haben dem System so viel Leistung gegeben, dass bei einem Netzausfall bei laufender Grundversorgung des Anwesens der Aufzug und das BHKW parallel hochgefahren werden können.
Um die erforderliche Leistung für den Notfall vorzuhalten, wurde als „First Response“ ein Powertrust Stromspeicher der HawkTower-Baureihe mit 80 Kilowattstunden Nettokapazität installiert. Er bildet bei Netzausfall die erste Front und sorgt mit USV und Notstromversorgung vollautomatisch für unterbrechungsfreie Vollversorgung des Anwesens. Das Gas-BHKW funktioniert bei Netzausfall als Generator für Verbrauchsstrom und zum Nachladen der Stromspeicher. Eine 30 Kilowatt peak-Photovoltaikanlage mit Maxeon–Hochleistungsmodulen der Marke SunPower liefert mit bis zu 22,7 Prozent Wirkungsgrad in Kombination mit SolarEdge-Optimierern einen garantierten Mehrertrag für zusätzlichen Gebäude- und Ladestrom. Eingebunden ist die Photovoltaik in den galvanisch vom öffentlichen Netz getrennten Stromkreis. Sie sorgt vor allem im Sommer dafür, dass die BHKW-Laufzeiten, Abwärme und Gasverbrauch reduziert werden. Die Gasheizung ist ein reines Backup zur Wärmeversorgung – nur für den Fall, dass das BHKW einmal nicht zur Verfügung steht – z. B. während einer Wartung.
Galvanisch getrennt – sicher versorgt, auch bei Blackout
Die Versorgung des Anwesens wurde in zwei voneinander unabhängige Stromkreise aufgeteilt: Ein Stromkreis ist durch zwei Transformatoren galvanisch komplett vom öffentlichen Netz getrennt – das ist die sicherste und zuverlässigste Lösung, weil bei Netzausfall die Versorgung aus Speicher, BHKW und Photovoltaik bereits als Inselsystem arbeitet und ohne Verzögerung übernehmen kann. Der zweite Stromkreis wird bei Ausfall des öffentlichen Stromnetzes mechanisch vom öffentlichen Netz getrennt und vom ersten Stromkreis mitversorgt.
Ab auf die Insel!
Die Kombination aus 80 Kilowattstunden Speicherstrom, Blockheizkraftwerk und SunPower-Solarstromanlage stellt genug Erzeugungsleistung und Speicherkapazität zur Verfügung, um das Haus am See unabhängig vom öffentlichen Stromnetz zu betreiben – wenn nötig für viele Stunden oder sogar Tage. Die Leistung der Batteriewechselrichter ist dabei so ausgelegt, dass die Anlaufströme aller Verbraucher auch für einen parallelen Start berücksichtigt sind. Die intelligente Mess- und Regeltechnik erlaubt es darüber hinaus, bei Bedarf Lasten „abzuwerfen“.
Qualität, Datenspeicher und Monitoring für nachhaltigen Betrieb
Industrietechnik garantiert bei allen verbauten Komponenten zuverlässig und dauerhaft nachhaltige Leistung. Bei Stromspeicher, Wechselrichtern und Akkumulatoren handelt es sich um individuell geplante und vor Ort montierte hochwertige Komponenten, die – soweit möglich – in Deutschland und Europa hergestellt worden sind. Alle Hard- und Softwarekomponenten sind Eigenentwicklungen der Firma Powertrust, die in eigenen Produktionslinien in Deutschland am Standort Oyten gefertigt werden. Im Stromspeicher ist ein Industrie-Rechner für Kommunikation, Datenverarbeitung, Energie- und Batteriemanagement verantwortlich. Ihm zur Seite stehen zwei Festplatten mit Kapazitäten von mehreren Terabyte für Betriebssystem, EMS und BMS sowie als Massespeicher für Dokumentation, Archivierung und Datenablage. Das System überprüft 20-mal pro Sekunde Messwerte von Akkus und Batterien und archiviert im 10-Sekunden-Takt alle Betriebszustände. Meldeerfassung, Fernwartung und Monitoring sind systemintegriert. Unregelmäßigkeiten können in Bruchteilen von Sekunden erkannt und Reaktionen schnell eingeleitet werden. Die Bauweise des Speichers ist modular. Einzelne Komponenten lassen sich vor Ort schnell und einfach tauschen, sodass im Falle eines Komponentenproblems der Betrieb ohne lange Unterbrechung weitergeführt werden kann.
Geprüfte Technik
Das gesamte System wurde vor der Installation im Testaufbau im Entwicklungslabor geprüft. Nach der Installation im Anwesen wurden sowohl der netzparallele Betrieb als auch der Betrieb bei Netzausfall auf Herz und Nieren getestet. Den nächsten Blackout nach dem Neubau des Systems haben die Betreiber erst bemerkt, als die Nachbargebäude dunkel blieben. Für die Betreiber jedoch sind die Lichter nicht ausgegangen, und das Leben ging voller Energie und unterbrechungsfrei weiter!
Facts & Figures:
- 29,25 kWp-PV-Anlage mit schwarzen SunPower Maxeon Hochleistungs-Modulen
- SolarEdge-Optimierer
- Schwarz eloxierte Unterkonstruktion
- Powertrust Lithium-Eisen-Phosphat-Stromspeicher mit 2x 38,8 kWh Nettokapazität (48,5 kWh brutto)
- EMS & BMS mit Batterieüberwachung alle 50 Millisekunden (20-mal pro Sekunde)
- Einbindung eines Erdgas-BHKW mit 10 Kilowatt elektrischer Leistung als Nachladekonzept
- Das System ist auf 100 Prozent Inselbetrieb – auch langfristig – ausgelegt.
- Zwei Stromkreise – einer galvanisch vom öffentlichen Netz getrennt. Der zweite wird bei Stromausfall mechanisch vom öffentlichen Stromnetz getrennt und vom zweiten Stromkreis mitversorgt.
- USV: Unterbrechungsfreie Stromversorgung
- BHKW: Blockheizkraftwerk
- EMS: Energie-Management-System
- BMS: Batterie-Management-System
- kW: Kilowatt
- kWh: Kilowattstunde