Ständig werden neue Phrasen durch das Land gerufen. Es geht für Unternehmen scheinbar darum, "offen und authentisch" zu sein. Man(n) kümmert sich um "Diversität", "Digitalisierung", "Gleichstellung", "Employer Branding" und "Transformation". Ganz tolle Sachen, keine Frage. Und weil das alles auch so unglaublich wichtige Themen sind, werden ganz viele Experten auserkoren, die sich den Themen annehmen und die Umsetzung verantworten sollen. Da gibt es "Transformation-Manager", "Digital Experts", "Diversity-Manager" und, und, und. Man möchte sich eben mit diesen "modernen" Ansprüchen auseinandersetzen, sozusagen "Farbe bekennen". Nah am Mensch und an dessen Bedürfnissen zu stehen - "unser höchstes Ziel". Doch schauen wir mal in die jüngere Vergangenheit. Warum haben sich Unternehmen und Mitarbeiter weiter voneinander entfernt und wie ist es eigentlich dazu gekommen?
Der zynische Rückblick in die Organisationssteuerung
Der zynische Rückblick zeigt uns doch ganz deutlich die Entwicklung der letzten Jahrzehnte auf.
Es gab eine Rezession. Alle Mitarbeiter hatten Angst ihren Job zu verlieren. Einige vermissten zwischenzeitlich ein paar Kolleginnen und Kollegen, die auf Basis von Gehaltshöhe und "Sozialwerten" aus den Reihen gekegelt wurden. Da mussten plötzlich alle etwas mehr Arbeit übernehmen - das wird schon gehen. Sogar die Manager und Führungskräfte waren gezwungen wieder mehr und mehr operative Arbeit zu übernehmen. Das Führung von Menschen Zeit kostet und eigentlich mehr Zeit kosten sollte als die Erledigung von Einzelprozessschritten, daran hatte irgendwie fast keiner gedacht. So waren die Führungskräfte schnell gezwungen "empowerment" zu fördern. Also Aufgaben delegieren (und dennoch jeden einzelnen Schritt weiter kontrollieren wollen). Es war eine triste Zeit und irgendwie war von Zukunftsideen und Innovationen gar nicht so häufig die Rede. Wichtig sind doch "Effizienz" und "Agilität" - ganz klar. Warum auch nicht, alle arbeiten mehr, keiner versteht mehr den Kunden, Wertschöpfung liegt brach, doch effizient sind die einzelnen Abteilungen - zumindest nach den "key performance indicators", den Kennzahlen, die die Welt bedeuten und die man ja auch immer noch situationsspezifsch leicht anpassen oder interpretieren kann.
Dann, ganz plötzlich, sprang die Konjunktur wieder an. Die Unternehmen und Vorstände freuten sich so sehr, dass sie gleich den externen Beratern und Sanierungsmanagern neue Aufgaben gaben. Jetzt ging es darum "innovative Ideen" zu entwickeln, kreative Ansätze zu finden und sich ganz frisch aus dem Ei zu pellen. Gesagt, getan. Die Sanierungsmanager wurden ersetzt durch kreative Köpfe. Diese sollten dann ganz schnell neue Geschäftskonzepte entwickeln. Das war nicht so ganz einfach, denn die Reihen waren stark gelichtet und die Ansätze waren auch meist sogar etwas zu kreativ. Stattdessen wurde man aber schnell auf ein weiteres Einsparpotenzial aufmerksam - die Bürofläche. Da könnten sich die Mitarbeiter doch Arbeitsmaterial, Tische, Stühle und was alles sonst noch benötigt wird, teilen. Außerdem wäre dies in einem großen Raum ohne Wände noch viel effizienter und platzsparend obendrein. Die schnelle Umsetzung stand aufgrund dieser vielen "Vorteile" natürlich ganz klar im Fokus. Die Weltwirtschaft ist einfach eine tolle Sache!
Leider gab es dann aber wieder so ganz plötzlich ein neues Problem. Irgendwie fehlten plötzlich Fachkräfte und Experten. Wieder hätte es keiner vorhersagen können. Zusätzlich war auch die Fahne vor dem Haupteingang mit der Aufschrift "Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt", mittlerweile etwas verwittert. Es musste was für die Mitarbeiter getan werden, denn Fachkräfte sind knapp und suchen sich meist nur die "netten" Arbeitgeber. Also wurden Obstkörbe und Tischfussball organisiert, nette Schalldämpfung im futuristischen Design wurde angebracht. Ganz besonders wichtig waren die vielen Rückzugsmöglichkeiten. "Kaminzimmer", die "Denkercouch" und anders Mobiliar wurde installiert - leider aber meist nicht genutzt, denn wer wollte sich schon gerne beim "nichts-tun" erwischen lassen.
An dieser Stelle ist Schluss mit Zynismus.
Es geht ja um den Blick nach vorne und viele Unternehmen haben nun auch schon verstanden, dass bisherig bekannte Change Routinen keinen Mehrwert für die Zukunft bringen. Sie wundern sich jetzt auch nicht mehr ganz so stark, warum jüngere Generationen diese Arbeitswelt so nicht akzeptieren werden. Die Erinnerung an ihre Eltern und deren Stress ist noch zu präsent.
Die schöne neue Arbeitswelt - Die Passung macht´s
Die Arbeitswelt befindet sich in einem Zustand des fast schon epochalen Umbruchs. Ein neues Verständnis von Arbeit schafft neue Herausforderungen – und neue Chancen. Die „schöne neue Arbeitswelt“ sorgt gleichermaßen für Verunsicherung, wie sie auch fasziniert. Der Strukturwandel der Arbeitswelt beschleunigt sich weltweit immer mehr und läutet eine Ära neuer Arbeitsorganisation ein. Neue technologische Verfahrensweisen, Digitalisierung und weitere Globalisierung, sowie der demographische Wandel und die sich stets im Wandel befindlichen Wertevorstellungen verändern die Arbeitswelt drastisch. Was und vor allem auf welche Weise wir in der Zukunft arbeiten werden, geht uns alle an. Dieser Wandel sollte am Grundverständnis von guter Arbeit nichts verändern. Auch die Arbeit der Zukunft muss sowohl wertschöpfend und wohlstandsorientiert als auch sozial abgewogen der gesamten Gesellschaft dienen. Zugleich muss sie jedem Einzelnen persönliche und unternehmerische Gestaltungskompetenzen bieten, Innovation, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Zufriedenheit fördern (Robins & Judge 2010).
Möchte man verstehen, was in Organisationen vor sich geht, so reicht es nicht, ihre äußerlich beobachtbaren Aufbau- und Ablaufstrukturen, die formalen Regeln oder das Organigramm zu betrachten. Auch wenn das alles durchaus wichtige Komponenten sein mögen, so bedarf es mehr, um zum Kern der Organisation vorzudringen und nachzuvollziehen, was die Akteure bewegt, warum sie wie handeln und kommunizieren und welche Dynamik sich daraus ergibt. Dabei gelangt man unversehens zum Sinnbegriff, der sich hinter jeder Kommunikation und jeder Handlung verbirgt.*
Die organisationale Praxis zeigt, dass die Organisations-Ordnung brüchig ist, sich laufend verändert und systematische Steuerungsversuche vielfach nicht die gewünschten Ergebnisse zeigen. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, was die Entwicklung von Organisationen antreibt, in welche Richtung sie sich bewegen und wie sie sich dennoch in einer bewegten Umwelt relativ stabil halten oder sich in einer stabilen Umwelt offen für Innovationen halten.*
Der Schlüssel in die Zukunft - "Organisationsverhalten"
Ein Schlüssel dafür ist die Analyse des "Organisationsverhaltens"- also, das Wissen darüber, wie Menschen, Führungskräfte und Teams sich verhalten - wie die optimale subjektive Ordnung in einem organisationalen Kontext aussehen kann und woran sie sich dabei orientieren soll.
Auf der individuellen Analyseebene umfasst organisatorisches Verhalten u.a. das Studium von Anforderung und individueller Passung, Kompetenzen, Wahrnehmung, Kreativität, Motivation, persönlichkeitsbezogenen Merkmalen, förderlichem Verhalten und hinderlichem Verhalten. Auf dieser Analyseebene stützt sich das organisatorische Verhalten stark auf Psychologie, Ingenieurwesen und Medizin (Brief 2002, Robins & Judge 2010).
Auf der Teamebene der Analyse umfasst organisatorisches Verhalten Untersuchungen zu Gruppendynamik, zu Konflikten und Zusammenhalt innerhalb und zwischen Gruppen, zwischenmenschliche Kommunikation, Netzwerken und Rollen. Auf dieser Analyseebene stützt sich das Organisationsverhalten am ehesten auf die soziologischen und sozialpsychologischen Wissenschaften (Kristof-Brown 2005).
Auf der Supervisor-Ebene geht es maßgeblich um die Identifikation des tatsächlich wahrgenommenen Führungsverhaltens, sowie der Bewertung möglicher Effekte auf Mitarbeitermotivation, Delegation, Informationsverhalten, Förderung wie auch das gegenseitige Verständnis. Ebenso werden die Effekte im Hinblick auf die Steuerung von Geschäftsprozessen erhoben (Kim 2013)
Auf der Organisationsebene werden Untersuchungen zu Organisationskultur, Organisationsstruktur, interorganisatorischer Zusammenarbeit, zu Werten, Prozesssteuerung und externen Umweltfaktoren zusammengefasst. Auf dieser Analyseebene stützt sich das Organisationsverhalten auf Anthropologie und Politikwissenschaft (Kristof-Brown 2005). Die Organisationen, in denen Menschen arbeiten, wirken sich auf ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen aus. Diese Gedanken, Gefühle und Handlungen wirken sich wiederum auf die Organisation selbst aus.
Das organisatorische Verhalten untersucht die Mechanismen, die diese Interaktionen steuern, und versucht, jene Verhaltensweisen und Passung zu identifizieren und zu fördern, die dem Überleben und der Effektivität der Organisation förderlich sind.
Zufriedenheit fördern.
Die „passenden“ Leute finden.
Passende Organisationskultur finden.
Führung und Konfliktlösung.
Mitarbeiter besser verstehen.
Verstehen, wie man „gute“ Führungskräfte entwickelt.
Verstehen, was ein „gutes Team“ ist und wie es entwickelt werden kann.
Höhere Produktivität.
Eine Organisation oder Gruppe profitiert in fünf wesentlichen Punkten, wenn Führungskräfte eine starke Grundlage im organisatorischen Verhalten haben (Kristof-Brown 2005):
Die Organisation erhält einen Bezugsrahmen, der das Zusammenspiel von Gewinn, Wertschöpfung, Produktivität und den menschlichen Ressourcen verdeutlicht.
Führungskräfte verstehen die organisatorischen Auswirkungen von Einzel- und Gruppenverhalten und erhalten Handlungsvorschläge, die Zufriedenheit, Produktivität und Gesundheit fördern können.
Die Organisation wird effektiver bei der Motivation der Mitarbeitenden und steigert das Vertrauen zwischen Führungsebene und Teams.
Führungskräfte können das Verhalten von Mitarbeitenden besser einschätzen und steuern und reduzieren Kündigungsabsichten.
Die Organisation ist in der Lage, die Humanressourcen optimal einzusetzen und die Anforderungen für eine erfolgreiche Aufgabenerfüllung mit den persönlichen Merkmalen der Mitarbeitenden abzustimmen.
Durch die Anwendung des beschriebenen Organisationsdiagnose-Modells könnten Unternehmen sehr viel schneller mögliche interne Barrieren objektiv erkennen, Produktivität und Zufriedenheit steigern und somit Führungsebenen und Mitarbeitende vor allem nachhaltig unterstützen, effektiv und wertschöpfend zu arbeiten. Daraus ergibt sich ein organisatorischer Kreislauf, der Umsatz und Gewinn steigern kann und Kosten reduziert.
*geändert nach Ulrike Froschauer und Manfred Lueger. Prospektive und retrospektive Sinngenerierung. Vom Sinn der Soziologie. 2015. pp 99-113.