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Mit Sonne und Wind zur Unabhängigkeit

Ungarn setzt auf Erneuerbare Energien

(PresseBox) (Reutlingen, )
Imre Tokaji hat sich einen Traum erfüllt. Vor gut vier Jahren ist der 52-jährige Bauunternehmer auf einen in Eigenregie umgebauten Bauernhof nach Hernád, rund 50 Kilometer südöstlich von Ungarns Hauptstadt Budapest, gezogen. Der einzige Schönheitsfehler: Die Farm liegt einige Kilometer vom Dorfkern und damit vom regionalen Stromnetz entfernt. „Für einen eigenen Stromanschluss hätte ich über 75.000 Euro bezahlen müssen“, erzählt Tokaji, warum er aus der Not eine Tugend gemacht hat.

Seine Familie ließ sich in Etappen eine Photovoltaikanlage mit einer Gesamtleistung von einem Kilowatt auf das Dach schrauben, mit der Solartechnik war Tokaji bereits mit seiner Baufirma in Berührung gekommen. Der Solarstrom fließt zuerst in einen Batteriespeicher, um danach im gesamten Anwesen verteilt zu werden. „Das System funktioniert und hat uns lediglich ein Fünftel im Vergleich zum Stromanschluss gekostet“, freut sich Imre Tokaji.

Für solche netzunabhängigen Solarsysteme sieht Tamas Veghely, Geschäftsführer des Planungs- und Installationsbetriebs Gaiasolar Kft, wachsende Chancen in Ungarn: „Zwischen Budapest und der Grenze zu Kroatien und Serbien sind Tausende kleiner Höfe, auf denen etwa 100.000 Menschen leben, ohne Stromanschluss. Für diese ländliche Elektrifizierung drängt sich die Photovoltaik auf.“

Ansonsten werde es die Solarstromnutzung trotz wachsenden Interesses weiter schwer bei den Magyaren haben. Im Vergleich zu Deutschland liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bei etwa einem Drittel, die Preise für Photovoltaikanlagen sind in etwa identisch. Da auch die Vergütung mit knapp neun Cent pro Kilowattstunde (Vergleich Deutschland: knapp 52 ct) einen wirtschaftlichen Betrieb nicht zulässt, wird es bei der bestehenden Regelung keinen Solarboom geben.

Die Regierung in Budapest setzt bei den erneuerbaren Energien auf andere Prioritäten, und zwar auf die Biomasse. Mit dem Bau dreier Biomassekraftwerke sowie der Umrüstung zweier Braunkohlekraftwerke auf Holzfeuerung mit teilweise bis zu 50 Megawatt Leistung in den vergangenen Jahren haben die Ungarn bereits heute die Vorgabe aus Brüssel erfüllt, bis zum Jahr 2010 ihren Ökostromanteil auf einen Anteil auf 3,6 Prozent zu erhöhen.

Zsolt Kazai kann das nicht beeindrucken. „Unter all den zehn Ländern, die im Jahr 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, hat Ungarn die mit Abstand niedrigste Quote beim Ökostrom-Ausbau zu erfüllen“, relativiert der Abteilungsleiter „Erneuerbare Energien“ beim Energia Klub, das vorzeitige Erreichen der Zielmarke. Der Energia Klub ist ein unabhängiger Verein, der sich Bildungs- und Lobbyarbeit für mehr Energieeffizienz, nachhaltigen Energieeinsatz und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat.

Da bei den meisten dieser Biomassekraftwerke auf eine Wärmeauskopplung verzichtet worden ist und einige Anlagen nur einen Wirkungsgrad von 25 Prozent aufweisen, hält Kazai die Projekte „für wenig nachhaltig und wegweisend.“ Ein weiteres Ärgernis: „Mitunter muss das Holz aus der Ukraine und Rumänien angeliefert werden, womit der produzierte grüne Strom deutlich an ökologischem Wert verliert.“

Für Kazai ist es überfällig, dass die Regierung von Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány ein Konzept für den Ausbau der erneuerbarer Energien vorlegt. Dass sich in Kabinettskreisen in dieser Richtung durchaus etwas tut, weiß Tamás Tóth von der Ungarischen Energiebehörde, die in etwa die gleichen Aufgaben wie die Bundesnetzagentur in Deutschland hat. „Es gibt Überlegungen, das Ziel des Ökostromausbaus auf einen Wert zwischen 6,5 bis 11,5 Prozent zu erhöhen.“ Er selbst hält eher den unteren Wert für wahrscheinlich, da die Politik angesichts steigender Energie- und Lebenshaltungskosten die Bürger nicht durch zusätzliche Abgaben belasten will.

Absehbar, sagt Tóth, dass die Regierung auch künftig verstärkt auf die Biomasse setze: „Wenn es Fördergelder aus Brüssel gibt, dann sollen vor allem lokale, kleine Heizkraftwerke auf Biomasse-Basis unterstützt werden.“

Aber auch die Windkraft soll in den nächsten Jahren der Ökostromanteil steigern. Bislang sind landesweit nur wenige Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 17 Megawatt am Netz. Unlängst hat die Energiebehörde eine Ausschreibung abgeschlossen, die den Neubau von 330 MW bis zum Jahr 2010 ermöglichen soll. Tóth macht kein Geheimnis daraus, dass die Anfragen von Investoren weit über 1.600 MW lagen. „Mehr als 330 MW Zubau im Windkraft-Sektor lassen unsere Netze nicht zu“, betont Tamás Tóth.

Da die Gas- und Strompreise in den vergangenen Monaten in Ungarn deutlich angezogen haben und weiter steigen werden, erwartet den Mann von der Energiebehörde, dass sich mehr Bürger in Ungarn für das Energiesparen und erneuerbare Energien interessieren werden.

Diese Entwicklung will die REECO Hungary Kft, ein Tochterunternehmen des deutschen Messe- und Kongressveranstalters REECO GmbH aus Reutlingen, nutzen. Vom 19. bis zum 21. April kommenden Jahres veranstaltet REECO Hungary in Budapest die erste Messe für erneuerbare Energien sowie energieeffizientes Bauen und Sanieren in Ungarn. Die RENEXPO® Central & South East Europe bringt im Messezentrum Budapest erstmals alle Akteure im südosteuropäischen Raum auf einem zentralen Event zusammen. Der begleitende Kongress versammelt Fachleute aus Politik, Wirtschaft, Verbänden und Medien sowie Anwender.

Geschäftsführer Stefan Varga ist zuversichtlich, dass die Veranstaltung bis nach Rumänien, Bulgarien und die Ukraine ausstrahlt: „Wir wollen diese Messe zu der Leitmesse für Südosteuropa ausbauen.“ Bislang hat Varga rund 50 Zusagen von Ausstellern vorliegen, doppelt so viele sollen es bis zum kommenden Frühjahr werden. „Bei den Buchungen zeichnet es sich ab, dass die Nutzung von Biomasse im Mittelpunkt stehen wird“, lautet Vargas Zwischenbilanz.

Ob Imre Tokaji zu der Messe kommt, kann er noch nicht sagen. Neben seinem kleinen Solarkraftwerk hat er in seine gute Stube auch einen Holzofen eingebaut: „Auch dadurch werden wir von unseren Flüssiggas-Lieferungen immer unabhängiger.“
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