Balingen/Wiefelstede. Das umstrittene Solarkonzept von Finanzminister Philipp Rösler und Umweltminister Norbert Röttgen soll am Mittwoch, 29. Februar, bereits im Kabinett beschlossen werden. Danach muss der Bundestag festlegen, ob die Kürzungen tatsächlich ab März gelten. Solarunternehmen wie relatio sehen sich deshalb im Hauruck-Verfahren ihrer Existenzgrundlage beraubt. Verstehen kann auf der Zollernalb niemand, weshalb Kürzungen der Einspeisevergütungen von 20 bis 30 Prozent – zusätzlich zu den geplanten monatlichen Absenkungen – sinnvoll sein sollen. Vertrauensschutz, Investorenschutz – alles Makulatur? Bernd Bodmer, geschäftsführender Gesellschafter der relatio-Gruppe, hofft auf den immer lauter werdenden Protest aus den Ländern – auch aus den CDU-regierten. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht lehnt das gewagte Röttger-Rösler-Ansinnen ebenso kategorisch ab wie ihr sachsen-anhaltinischer Amtskollege Reiner Haseloff: Beide haben Angst vor großem Schaden an ihren traditionellen Solarstandorten. Auch von der grün-roten Landesregierung Baden-Württembergs dürfte Gegenwind zu erwarten sein: Im „Ländle“ wurden erst vor wenigen Wochen die Eckpunkte eines neuen Klimaschutzgesetzes beschlossen, mit dem der Klimaschutz Gesetzesrang erhält. Eine Energiewende rückwärts dürfte hier also genauso wenig ins Konzept passen.
Der „Pferdefuß“ für alle, die in dieser Sache auf ein Veto hoffen: Der Bundesrat ist bei der PV-Neuregelung nicht zustimmungspflichtig, die Länderkammer könnte die neuen Vorschläge höchstens über das Einberufen eines Vermittlungsausschusses stocken lassen. Allerdings haben die Regierungsfraktionen im Bundestag freilich eine Mehrheit – und könnten damit den umstrittenen Gesetzesentwurf in Kraft setzen.
Nicht zum ersten Mal sieht sich die Solarbranche mit vergleichsweise spontanen Einspeise-Verkürzungen oder schwerwiegenden Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen konfrontiert. Bernd Bodmer plagt ein besonderes Déjà-vu: „Unser Tauberlandpark war ursprünglich mit einer geplanten Leistung von 72 MWp im Endausbau einer der größten Solarparks weltweit – und leider auch einer der letzten seiner Art in Deutschland.“ Warum dies? Bodmer erinnert sich mit Groll: „Die Bundesregierung wollte solche Flächen nicht mehr für die solare Stromgewinnung zulassen. Von den ursprünglich drei geplanten Bauabschnitten Ernsthof, Gickelfeld und Richelbach wurden durch diese politische Entscheidung letztlich nur noch zwei teilweise umgesetzt.“
Das vielzitierte Argument, von der Solarförderung würden vor allem Modulhersteller in China profitieren, ärgert Bodmer immer wieder. „Auch wenn Module aus Fernost bezogen werden: Die Anlagen werden hier in Deutschland geplant, projektiert und gebaut. Wir von relatio setzen dabei vor allem auf europäische Fachleute – und nicht etwa auf chinesische Monteure. Wir schaffen damit Arbeitsplätze – nicht nur für uns, sondern auch für andere mittelständische Unternehmen oder Handwerksbetriebe.“ Auf den Terminus „Solar-Subvention“ reagiert der relatio-Chef mittlerweile hochallergisch: „Die Einspeisevergütung für Solarstrom hat noch nie, noch gar nie, staatliche Subventionen gekostet und schafft trotzdem Arbeitsplätze. Außerdem zahlen wir nicht wenig Steuern – wie andere Firmen unserer Branche auch.“ Sauer reagiert Bodmer auch auf das Rösler-Röttgen-Argument, man wolle durch die Einspeise-Rasur den Stromkunden vor zu hohen Kosten schützen: „Hat schon einmal jemand nachgerechnet, was passieren würde, wenn man die satten 15 Milliarden Gewinn der Energieriesen durch rund 40.1 Millionen Haushalte teilt? Nach meiner Rechnung müsste der Strom da pro Jahr und Haushalt sogar um über 300 Euro billiger werden.“ Eine Zahl streicht Bodmer besonders heraus: „Unser Branchenwachstum hat es ermöglicht, die Solarstromförderung seit 2008 zu halbieren. Und wie will man jetzt die Energiewende schaffen – ganz ohne Solartechnik und unser Know-how?“ Sein Kollege, relatio-Geschäftsführer Frank Rothacher, sieht sich ans spanische Vorbild erinnert: „Dort wurde vor einigen Jahren die Solartechnik extrem zurückgestutzt. Heute spielt das Land in Sachen PV trotz seiner vielen herrlichen Sonnenstunden auf dem Markt kaum mehr eine Rolle.“