- Aktuelle gesetzliche Vorgaben etwa zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen und zur Langlebigkeit von Produkten genügen nicht für eine nachhaltige Trendwende
- Impulspapier des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) empfiehlt strengere Reparaturanforderungen, geringere Mehrwertsteuern auf Reparaturen und eine Förderung der Reparaturlandschaft
- Internationaler Repair Day am 21. Oktober will mehr Menschen zum Reparieren ermutigen
Dank Schraubendreher, Nähmaschinen, Lötkolben und Co. können viele Produkte repariert und dadurch Ressourcen eingespart werden. Würden beispielsweise Laptops ein Jahr länger genutzt, ließen sich in der EU bis 2030 1,6 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Voraussetzung ist, dass Ersatzteile auch für veraltete Modelle lange genug verfügbar bleiben und dass sich Reparieren finanziell lohnt. „Der Gesetzgeber sollte Reparaturanforderungen festlegen, die sich insbesondere auf langlebige Gebrauchsgüter beziehen. Damit werden gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Hersteller geschaffen. Daneben sollte es Anreize für Konsument*innen geben, etwa durch eine Senkung der Mehrwertsteuer für Reparaturdienstleistungen“, sagt Frieder Rubik, Ökonom und Experte für nachhaltige Produktpolitik am IÖW. In einem Impulspapier empfiehlt er, dass die Verbraucherschutzpolitik Initiativen wie den Runden Tisch Reparatur stärkt und ihre Forderungen aufgreift.
Runder Tisch Reparatur: „Reparieren für alle“
„Reparieren ist eine jahrtausendealte Tradition. Doch seit ein paar Jahren sind die meisten Produkte nicht mehr auf eine lange Nutzung und auf Reparierbarkeit ausgelegt“, sagt Katrin Meyer, Leiterin der Geschäftsstelle in Berlin beim Runden Tisch Reparatur. In ihrem Verein setzen sich über 30 Initiativen aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und dem Handwerk für bessere gesetzliche Vorgaben ein.
Gemeinsam mit zahlreichen Initiativen weltweit beteiligt sich der Runde Tisch Reparatur am siebten Repair Day am 21. Oktober. „Nach dem Motto ‚Reparieren für alle‘ fordern wir ein universelles und herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur. Das bedeutet: Wir brauchen einen fairen Reparaturmarkt, der kleine und unabhängige Reparaturdienstleister nicht diskriminiert und dadurch Reparaturen für Verbraucher*innen wieder attraktiver macht“, erklärt Katrin Meyer. Dafür sei es notwendig, Ersatzteile zu angemessenen Preisen zur Verfügung zu stellen und Praktiken wie Software-Blockaden zu verbieten, die Reparaturen verhindern.
Hersteller können Feedback nutzen, um ihre Produkte zu verbessern
Welche Produkte bei der Reparierbarkeit vorn liegen, zeigen Reparaturstatistiken. In Frankreich gibt es bereits seit 2021 einen Reparaturindex: Das gesetzlich verpflichtende Label zeigt etwa beim Kauf einer Waschmaschine oder eines Smartphones, wie gut die Bedingungen für eine Reparatur erfüllt sind. Zwar ist in Deutschland ein solches Siegel nicht geplant, aber ab 2025 gibt es einen EU-weiten Repair-Score für Smartphones und Tablets, der perspektivisch auf andere Produktgruppen ausgeweitet werden soll.
Bereits heute sammeln Initiativen wie Repair-Cafés Erfahrungswerte und Verbesserungsvorschläge zur Reparierbarkeit von Produkten. Frieder Rubik empfiehlt, dieses Wissen zu bündeln und digital verfügbar zu machen, auch für Hersteller. „Wenn Unternehmen die Schwachstellen ihrer Produkte durch Rückmeldungen der Verbraucher*innen und aus Reparaturstatistiken aufgreifen, können sie Trends in Richtung Nachhaltigkeit setzen, Wettbewerbsvorteile erzielen und auch Wettbewerber zum Nachziehen ermuntern“, so Rubik.
Ehrenamt fördern
Neben guten gesetzlichen Rahmenbedingungen und engagierten Unternehmen braucht es weiterhin Menschen, die sich ehrenamtlich in der Repair-Community einbringen: In Repair-Cafés oder bei Aktionstagen wie dem Repair Day geben Engagierte ihr Know-how weiter.
„Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel im Handwerk gelingt der Ausweg aus der Wegwerfgesellschaft nur, wenn sich mehr Menschen fürs Reparieren begeistern“, sagt Rubik. Sein Impulspapier empfiehlt daher, den Ausbildungsplan neu auszurichten und Reparaturbetriebe zu fördern, etwa durch die Bereitstellung räumlicher und technischer Infrastrukturen in kommunalen Gewerbeflächen.
Über das Projekt:
Das Projekt Zivilgesellschaftliche Feedbackschleifen als Impulse für eine nachhaltige Produktentwicklung (SDGpro) erforschte, wie Unternehmen Feedbacks von Verbraucher*innen für nachhaltigere Produkte besser aufgreifen können. Verbraucherschutz- und Umweltorganisationen nehmen dabei eine wichtige Vermittlerrolle ein: Sie bündeln Feedbacks in Verbraucherapps oder in ihrer politischen Arbeit. Für das Projekt kooperierte das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) mit vier Praxispartnern: Runder Tisch Reparatur e. V., Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e. V., Küste gegen Plastik e. V. sowie Orang-Utans in Not e. V.
SDGpro wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) im Programm „Verbraucherschutz im Dienst der UN-Agenda 2030 und der Sustainable Development Goals“ gefördert.
Weiterführende Informationen:
- Impulspapier: Rubik, Frieder (2023): Zivilgesellschaftliche Impulse für
nachhaltige Produkte fördern. Wie die Politik Verbraucher*innen-Apps und
Reparaturinitiativen stärken kann - Repair Day: Aktionen in der Nähe suchen
- Forderungspapier: Runder Tisch Reparatur e. V. (2022): Neue Bundesregierung muss Recht auf Reparatur wirksam umsetzen
- Pressemeldung zu den Verbraucherapps, die im Projekt erforscht wurden: Innovationen für nachhaltigere Produkte: Forschung rät Unternehmen, Kritik aus Feedback-Apps zu nutzen
- Ausführliche Studie: Rubik, Frieder; Wiesemann, Eva (2023): Zivilgesellschaftliche Impulse und Einflüsse auf die Produktentwicklung (Vollständiger Bericht / Kurzfassung)