Mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) führten die Güterwagenvermieterin Wascosa und SAVVY Telematic Systems das Forschungsprojekt „Flachstellenerkennung“ durch und entwickelten daraus eine wahre Innovation für den Schienengüterverkehr.
Mit Hilfe dieser Neuentwicklung ist es möglich, Flachstellen frühzeitig über akustische Auffälligkeiten zu identifizieren und effizient zu beheben.
Der von SAVVY® entwickelte Flachstellen-Algorithmus, wertet auf der Telematik die Vibrationen im Zeit- und im Frequenzbereich aus. Die gemessenen Daten werden direkt auf dem Telematiksystem zu verschiedenen Indikatoren verarbeitet und mit historischen Messwerten verglichen. Ist am Wagen eine Flachstelle vorhanden, beeinflusst dies die Indikatorwerte und führt somit zu einem Alarm.
Im Jahr 2000 waren in der Schweiz 265'000 Menschen schädlichem oder lästigem Eisenbahnlärm ausgesetzt. Zu ihrem Schutz wurde nach Massgabe des Schweizerischen Bundesgesetzes (24. März 2000) über die Lärmsanierung der Eisenbahnen (BGLE alt) bis 2015 ein umfassendes Konzept zur Lärmreduktion umgesetzt. Es beinhaltet Massnahmen am schweizerischen Rollmaterial, die Realisierung von Lärmschutzwänden und den Einbau von Schallschutzfenstern. Damit können unter weitgehender Einhaltung der Fristen und mit einer wesentlichen Unterschreitung der ursprünglich geschätzten Kosten zwischen 160‘000 und 170‘000 Menschen vor dem Lärm geschützt werden.
Ziele des Forschungsprojektes waren die Entwicklung einer frühzeitigen und zuverlässigen Flachstellenerkennung mit Telematik-Devices, ohne das Anbringen externer Sensorik, sowie die Übermittlung dieser Informationen mittels standardisierter API-Schnittstellen an die externe IT-Systemumgebung.
Die Wascosa AG hatte zu Projektbeginn bereits mehrere Hundert Intermodalwagen mit Telematiksystemen der Firma SAVVY Telematic Systems AG ausgerüstet. Diese Flotte intelligenter Güterwagen stellte in dem 1-jährigen Forschungsprojekt die solide Grundlage für das Proof of Concept dar. Mit durchschnittlichen Jahreslaufleistungen von weit über 100‘000 km, auch über 200‘000 km sind keine Seltenheit, gehören Intermodalwagen zu den am intensivsten genutzten Güterwagen. Entsprechend wirken sich auch die Lärmemissionen von Flachstellen aus.
Flachstellen verursachen typische akustische Muster
Das Lärmempfinden, insbesondere bei der Eisenbahn, hängt jedoch nicht nur von der Lautstärke einer Schallemission ab, sondern auch von deren Charakter. Während ein «Rauschen» eines Güterzuges aus einiger Distanz zwar hörbar, aber nicht zwingend als störend empfunden wird, erzeugt eine Flachstelle ein sehr eindeutiges, unnatürliches periodisches Schlagen.
In der Praxis wirken zahlreiche Störeinflüsse auf das Rad (Unwucht, Unebenheiten der Lauffläche und Infrastruktur, etc.) sowie auf den Wagen (Eigenschwingung, Ladungseinflüsse, etc.) ein. Es entstehen somit unterschiedlichste, sich überlagernde Frequenzen, welche in der Summe als «Rauschen» wahrgenommen werden. Nicht jede periodische Schwingung ist gleichzeitig eine Flachstelle, und umgekehrt nicht jede Störung auf der Lauffläche entspricht einer Flachstelle. Zentral ist also das Finden von aussagekräftigen Zusammenhängen zwischen den Messdaten von betroffenen Wagen und der Dimension der am Wagen vorhandenen Flachstelle(n).
Während der Dauer dieses Forschungs- und Entwicklungsprojektes zeichnete das Telematikgerät SAVVY® CargoTrac-Ex an der Wascosa-Intermodalflotte unzählige Messwerte wie z.B. Beschleunigungen in drei Achsen (x, y und z), die Geschwindigkeit oder Position des Wagens auf. Aus den zahlreichen Messungen der Wascosa-Wagen wurden bei SAVVY umfangreiche Big-Data Analysen durchgeführt, um Muster einer Flachstelle zu erkennen um damit verlässliche Algorithmen für die Flachstellenerkennung zu entwickeln.
Der von SAVVY entwickelte Algorithmus erkennt Flachstellen zuverlässig
Ziel des von SAVVY entwickelten Flachstellen-Algorithmus ist, auf der Telematik die Vibrationen im Zeit- und im Frequenzbereich so zu analysieren, auszuwerten und zu transformieren, dass daraus Indikatoren entstehen, die eine aussagekräftige und verlässliche Information über das dynamische Vibrationsverhalten des Wagens beinhalten.
Die gemessenen Daten werden direkt auf dem Telematiksystem zu verschiedenen Indikatoren verarbeitet. Diese Indikatoren werden lokal auf dem Telematiksystem aufgezeichnet und mit historischen Messwerten verglichen. Ist am Wagen eine Flachstelle vorhanden verändert dies die Indikatorwerte und führt somit zu einem Alarm.
Der finale Algorithmus wurde noch in der Projektlaufzeit in der Telematikfirmware erfolgreich integriert und auf die Wascosa Wagenflotte ausgerollt. Erste Anwendungen bei weiteren SAVVY‑Kunden haben die Funktionsweise ebenfalls bewiesen: Der Algorithmus hat auch da eine neue Flachstelle zuverlässig erkannt.
Eine alltagstaugliche und wirtschaftlich sinnvolle Lösung
Das Forschungsvorhaben war von Anfang an darauf ausgerichtet, eine alltagstaugliche und für die Betreiber auch wirtschaftlich sinnvolle Lösung zu erzeugen. Dieses Ziel wurde auch in jedem Entwicklungsschritt erneut geprüft und entsprechende Optimierungen implementiert. Dank der Erfahrungen des SAVVY‑Teams und der Daten der laufleistungsstarken Wascosa‑Intermodalflotte entstand ein Verfahren, welches den Energieverbrauch des Telematiksystems kaum beeinflusst und somit bereits getätigte Investitionen sichert. Neben der Lärmreduzierung und dem Sicherheitsgewinn werden auch betriebswirtschaftlich positive Effekte durch frühzeitige Schadensbehebung erwartet.
Entscheidend für diese Zuverlässigkeit ist die inzwischen über 20jährige Erfahrung des SAVVY-Teams in Entwicklung hochpräziser und robuster Telematik-Geräte und von SAVVY entwickelter intelligenter Software Algorithmen, die das Telematik-Gerät in dem entsprechenden Umfang intelligent machen, dass es sich in Echtzeit nur dann meldet, wenn das tatsächlich notwendig ist. Somit ist durch die batterieschonende Softwareintelligenz des Gerätes ein autonomer Lebenszyklus bis zu 15 Jahren gewährleistet. Eine Übermittlung in einem z.B. 10minütigen Takt, ohne dass es einen Auslöser dafür gibt, ist somit überflüssig.
Projektleiter Christoph Becker, Wascosa AG:
„Die Resultate haben die Erwartungen mehr als erfüllt. Dank den neuen Daten können wir heute kritische Zustände gezielt erkennen, effizient beheben und wir haben ein weiteres Instrument, um unsere Fahrzeuginstandhaltung noch besser zu steuern und weiter zu optimieren (Stichwort Predictive Maintenance).“
Aida Kaeser, CEO SAVVY® Telematic Systems AG:
„Es freut uns außerordentlich mit Wascosa dieses Projekt erfolgreich zur Roll-Out-Phase gebracht zu haben. Unsere Zusammenarbeit zeigt uns, dass wir mit Wascosa einen innovativen Partner an unserer Seite haben, mit dem wir gerne auch zukünftig weitere Forschungs- und Entwicklungsprojekte durchführen werden, die die Schienengüterverkehre weiterhin innovativer und effizienter machen werden.“