Für den weltweiten Bedarf produziert Hersteller SPAX International GmbH & Co. KG allein in Deutschland bis zu 50 Millionen SPAX pro Tag. Jetzt hat das Unternehmen, größter von vier eigenständigen Unternehmensbereichen der Altenloh, Brinck & Co. (ABC) Gruppe, Ennepetal, und europaweit Marktführer im Bereich der Spanplattenschrauben, seine Logistik neu strukturiert. „Mit den strukturellen Veränderungen in den Kundenaufträgen nach Lieferung in immer kürzeren Abständen und immer kleineren Mengen sowie dem kontinuierlichen Unternehmenswachstum stießen die vorherigen Logistikstrukturen an ihre Leistungsgrenzen“, erklärt SPAX-Geschäftsführer Michael A. Thomas.
Im Frühjahr 2015 wurden die Lagerkapazitäten in einem neuen, zentralen Logistikzentrum am Autobahnkreuz Unna konzentriert, das von der 100-prozentigen ABC-Tochter ABC Logistikservice GmbH & Co. KG betrieben wird. Die operativen Prozesse dort wurden optimal auf die effiziente Bearbeitung aller möglichen Sendungsstrukturen vom Kleinstpaket bis zur Komplettladung ausgelegt. Die zentralen technischen Systeme für die Materialflüsse und Prozesseffizienz basieren auf einer innovativen Entwicklung und Modifizierung der eingesetzten Komponenten durch den Systemlieferanten Trans Log Systeme GmbH (TLS), Warstein. Überdies übernahm die LES Consulting GmbH mit Sitz in Ahaus die erforderlichen Anpassungen des seit 2013 bei ABC eingesetzten Lagerverwaltungssystem von SAP (WM) auf die neuen Abläufe. „Mit dem neuen, hochmodernen Logistikzentrum in Unna ist die Logistik der ABC-Gruppe fit für den weltweiten Wettbewerb“, urteilt SPAX-Geschäftsführer Thomas.
In weniger als neun Monaten nach Planungsbeginn wurde das Bestandsgebäude eines Einzelhandelslagers zum SPAX-Logistikzentrum umgebaut. Im April 2015 startete der operative Betrieb – zunächst zur Belieferung der Baumärkte, seit Juli 2015 auch für den Handel weltweit. „Aufbauend auf dem Altbestand der vorhandenen Regalanlage, die modernisiert und erweitert wurde, installierten wir eine neu entwickelte, ganzheitliche Materialfluss- und Kommissionierlösung, die exakt auf den Bedarf des Distributionszentrums von SPAX zugeschnitten ist“, erläutert Wolfgang Hartwig, Geschäftsführer der ABC Logistikservice GmbH & Co. KG. „Die ganzheitliche Systemlösung ist eine einzigartige Kombination aus Kommissionierstrategie und -geräten, Flurförder- und Fördertechnik. Sie basiert auf 20 Multiorder-Picking-Wagen und einer automatisch arbeitenden Entladestation von TLS. Damit bietet die Lösung bei minimalem Automationsaufwand maximale Flexibilität sowohl für die Auftragskommissionierung unterschiedlichster Artikel, Los- und Auftragsgrößen.“
Großzügig bemessene Bearbeitungsflächen prägen das rund 12.000 Quadratmeter umfassende Logistikzentrum. „Die Größe des Logistikzentrums bietet uns Reserven für künftiges Wachstum“, so SPAX-Geschäftsführer Thomas. Etwa 60 Prozent der Fläche nimmt gegenwärtig die Regalanlage ein. In 16 Gängen des Breitganglagers stehen insgesamt rund 12.000 Palettenstellplätze zur Verfügung. Die untere Ebene der Regalanlage dient zur Kommissionierung, die oberen fünf Etagen der Reserve und Nachschubversorgung. Für die Lagerung und Kommissionierung von B- und C-Artikeln wurden neue Schwerlast-Durchlaufregale mit 2.700 Kanälen installiert. Insgesamt sind 4.200 Lokalisationen im direkten Zugriff der Kommissionierer. 10.500 Stellplätze decken den Nachschub.
Besonderheit: das Materialflusskonzept. Die Kommissionierung der Auftragsposten erfolgt in Unna direkt in beziehungsweise auf die Versandeinheit (Pick-Pack in Karton oder auf Palette). Dazu hat TLS unterfahrbare Kommissionierwagen für das Multiorder-Picking entwickelt. Mit ihnen kann im SPAX-Logistikzentrum von der Kommissionierung bis zum Versand jede Los- und Auftragsgröße mit minimalem Handling und geringstem Automations- und Zeitaufwand optimal bearbeitet werden.
Die Kommissionierwagen sind mit einem zur Wagenmitte hin angekippten Rahmenaufbau für zwei Regalebenen auf jeder Seite konzipiert. Die flexibel höhenverstellbaren Regalebenen sind mit frei wählbarem Neigungsgrad leicht nach vorn-unten geneigt und mit Rollenböden bestückt. Über den Regalebenen wurde auf jeder Seite des Rahmenaufbaus ein doppelläufiges Put-to-Light-Panel mit zweimal acht Signalanzeigen übereinander installiert – insgesamt 32 Leuchteinheiten auf beiden Seiten des Kommissionierwagens. Das Lichtsystem der KBS Industrieelektronik GmbH, Freiburg, zeigt den Kommissionierern an, welche Artikelmenge sie in welche Versandeinheit legen sollen. Auf die Rollenböden darunter lassen sich – je nach Größe - bis zu acht Zielkartons je Regalboden aufstellen bis die Böden vollständig belegt sind. Eine Stoppvorrichtung verhindert dabei ein Herabrollen und gibt den Kartons Halt.
Um die Multiorder-Kommissionierung über das Put-to-Light-System zu führen, wird für die bei SPAX genutzten Kommissionierwagen eine Belegung mit maximal 32 Kartons bzw. drei Paletten vom LVS berechnet. Über eine Schnittstelle sind die Kommissionierwagen an das SAP-Lagerverwaltungssystem des Betreibers angebunden. Per Remote Function Call werden die Anzeigen direkt aus dem SAP-System angesteuert. „Auf diese Weise können zusätzliche optische Hinweise etwa zur Auftragspriorität übermittelt werden“, erklärt Annette Hartmann, Geschäftsführerin der LES Consulting GmbH.
Zur Kommissionierung werden die Pick-Wagen – nach dem Rüsten mittels Scannerdialog und Put-to-Light-Anzeigen – mit Langgabel-Kommissionierwagen unterfahren. SPAX setzt dabei auf 12 moderne Flurförderzeuge (FFZ) des Typs OSE 250 Remote von Toyota Material Handling. Ihre eingebaute Sensorik ermöglicht den Betrieb mittels Fernsteuerung. Das erspart den Kommissionierern bei kurzen Entfernungen von Pick zu Pick das ständige Auf- und Aussteigen. Mit der Fernsteuerung lassen sie die Pick-Wagen komfortabel vor sich herfahren. „Bei Kommissionierrundläufen mit durchschnittlich 200 Fachanfahrten können so mehr als 30 Prozent der üblichen Wegzeiten eingespart werden“, veranschaulicht Dirk Brahm, Verkäufer bei der Gabelstapler-Vertrieb Wolfgang Schlüter GmbH in Hilter, die Vorteile.
Nach dem Start des Pick-Rundlaufes wird der Kommissionierer durch mobile Datenerfassungsgeräte (MDE) an den jeweiligen Lagerplatz geführt. Das Erreichen wird per Scan des Platzbarcodes verifiziert. Nach der Bestätigung des korrekten Entnahmeartikels zeigen die Put-to-Light-Bänder mit einer gelben Signalleuchte einen oder mehrere Zielkartons und die entsprechenden Auftragsmengen an. Nachdem ein Zielkarton mit dem Artikel in vorgegebener Anzahl befüllt ist, wird der Put-Vorgang durch Scannen eines Barcodes auf dem Karton bestätigt. Das Umschalten der Signalleuchte von gelb auf grün zeigt den erfolgreich im LVS quittierten Put-Vorgang an. Sobald die gesamte Entnahmemenge des Artikels auf die Zielkartons verteilt wurde, erlöschen die Anzeigen und der Kommissionierer wird vom LVS zur nächsten Entnahmeposition geführt. Analog laufen die Prozesse der Kommissionierung auf Palette.
Ganzheitlich intelligent wird die Systemkonzeption durch die nahtlose Einbindung der Kommissionierwagen in die nachfolgenden Prozesse für eine weitgehend mechanisierte Versandfertigung. Denn deren Komponenten korrespondieren exakt mit der Ausstattung und Auslegung der Kommissionierwagen. Die Wagen werden nach Abschluss der Einzelteil-Kommissionierung in eine entsprechend konstruierte Entladestation gefahren. Per Knopfdruck starten die Kommissionierer anschließend den automatischen Entladevorgang.
Hierbei werden auf beiden Seiten des Gestells die nach oben beweglichen Regalböden von zweier speziellen Hubtischen angehoben, bis sie das Niveau der Rückhaltevorrichtungen überschreiten. Durch das verbleibende Rest-Gefälle laufen die bis zu 31 Kilogramm schweren Kartons dann per Schwerkraft vom Regal des Kommissionierwagens auf eine Röllchenleiste der Hubtische. Von diesen werden die Kartons automatisch zunächst über Schwerkraft und im Weiteren über angetriebene Fördertechnik auf eine automatische Gewichtskontrolle transportiert.
Abweichende Pakete werden zur Kontrolle und Nachbearbeitung an einen NIO-Platz ausgesteuert, unbeanstandete Kartons vier Packplätzen zugeführt. Dort erfolgt die Beigabe der Versandpapiere und Labels. Nachdem eventuelle Freiräume in den Kartons mit Füllmaterial verfüllt wurden, werden die Kartonagen verschlossen. Nach der automatischen Umreifung läuft der weitaus größte Teil der Pakete über Scherenrollenbahnen bis in die Brücken des KEP-Dienstleisters hinein. Weniger als fünf Prozent der Sendungen werden nach der Umreifung ausgeschleust und manuell auf andere Transportdienstleister verteilt. Die Leistungskapazität der Anlagenkonzeption liegt bei bis zu 200 Paketen pro Stunde.
Ähnlich die Versandfertigung für die Paletten. Die mit den Kommissionierwagen parallel auf bis zu drei Paletten (je bis zu 700 kg) kommissionierten Artikel werden auf einen Palettenpuffer für bis zu sechsmal drei Paletten nebeneinander übergeben. Dabei ist der Bahnhof für die Kommissionierwagen derart ausgelegt, dass die drei angedienten Paletten durch einfachen Hebelzug ohne Umlagerung gleichzeitig parallel an die Gefällerollbahnen übergeben werden können. Am Ende der Rollenbahnen werden die Paletten einzeln abgenommen und verwogen. An mobilen Arbeitsstationen mit Drucker und Verbindung zum SAP System werden die erforderlichen Versandpapiere und Label erzeugt und den Versandpaletten beigegeben. Abschließend erfolgt auf einem stationären Palettenwickler die transportsichernde Folierung der Paletten.
Parallel zur Hardware-Ausstattung erfolgten für die Lösung umfangreiche IT-Anpassungen und -Installationen. So mussten innerhalb der kundenseitig betriebenen SAP-Lagerverwaltung (WM) neben der Ansteuerung der Put-to-light Anzeigen, der Steuerung der Verpackungsanlagen und einer Schnittstelle zum externen Multi-Carrier Versandsystem Vistalog insbesondere die Strategien und Algorithmen zur Bildung der Versandeinheiten sowie der entsprechenden Multi-Order-Kommissionierrundläufe programmiert werden. Zudem galt es zahlreiche Anzeigemasken und Dialoge an den Mobilen Endgeräten, den MDE-Geräte für Wareneingang, Kommissionierung und Versand sowie den Tablet-PCs auf den Schubmaststaplern, intuitiv bedienerfreundlich zu gestalten.
Für die Planung, Steuerung und Kontrolle der logistischen Produktion wurde überdies eine Software der OneClick Results GmbH, Teltow, installiert und mit dem SAP- sowie dem Zeiterfassungssystem verknüpft. Sie umfasst neben einem leistungsstarken Online-Reporting aller relevanten Statusinformationen und Kennzahlen insbesondere auch Funktionen für das qualifikations- und leistungsgerechte Personaleinsatzmanagement.
„Gestützt auf die IT-Systeme konnten wir mit dem innovativem Kommissioniersystem bereits wenige Wochen nach der Inbetriebnahme Rekorddurchsätze bewältigen und weitgehend reibungslos ausliefern“, resümiert Niederlassungsleiter Goran Sekula. „Mit dem Logistik Manager von OneClick Results habe ich als operativ Verantwortlicher den Betrieb hinsichtlich Leistung und Qualität jederzeit im Blick und kann so bei Bedarf steuernd eingreifen. Insgesamt eine optimale Lösung für hohe Verfügbarkeit und einen herausragenden Service-Level.“