So auch bei Schnellecke. In einem neuen Projekt in Wolfsburg wird die Brille eingesetzt, um Kommissionier- bzw. Sequenzierprozesse von Einzelteilen zu unterstützen, genauer gesagt, bei Fahrzeughimmeln für den VW Touran und VW Tiguan. Dabei handelt es sich um insgesamt vier Prozesse, von der Vorkommissionierung der Teile bis zur Ablage des fertig montierten Formhimmels im Sequenzgestell, das dann punktgenau bei Volkswagen ans Band geliefert wird.
In der ersten Stufe werden die Rohhimmel für die Montage vorbereitet, indem sie in eine Stanzmaschine gelegt werden, wo die erforderlichen Aussparungen erzeugt werden. Die Datenbrille, die die Mitarbeiter tragen, unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von einer herkömmlichen Brille. Beobachtet man sie jedoch einige Zeit, dann merkt man, dass sie immer wieder mal mit dem Finger gegen den rechten Brillenbügel pochen. „Durch solche Klopfzeichen lassen sich Menüpunkte auswählen oder Auswahlen bestätigen“, erläutert Dr. Abaid Goda, bei der Schnellecke Group verantwortlich für die IT-Implementierung von Google Glass Lösungen.
Fehlerfreies Picking
Alle weiteren erforderlichen Anbauteile werden in sogenannten Car Sets oder auch Warenkörben zusammengetragen. Mitarbeiter ziehen Körbe auf einem Kommissionierwagen hinter sich her, während sie die Regalreihen mit den Anbauteilen abschreiten. Die Brille zeigt an, wo welche Teile zu entnehmen und in welche Körbe sie zu legen sind. Das geht schneller als früher, denn jetzt haben die Mitarbeiter beide Hände frei, um zu „picken“, wie es in der Fachsprache heißt.
Auch das so genannte „Multi-Order-Picking“ wird durch Google Glass deutlich erleichtert, denn die Mitarbeiter können gleichzeitig Warenkörbe für mehrere Projekte zusammenstellen – und das fehlerfrei. Sind die Warenkörbe gefüllt, werden sie über ein Förderband zu den Montagetischen transportiert. Dort werden die Rohhimmel mit den einzelnen Elementen zusammengebaut, ebenfalls unter Führung durch Google Glass. Die fertigen Formhimmel werden dann in die vorgesehenen Positionen innerhalb der bereitgestellten Sequenzgestelle eingehängt.
„Nach Einführung der Brille haben sich die Taktzeiten anfangs erst einmal verschlechtert“, erklärt Goda. „Doch nach einer Eingewöhnungsphase lagen die Pickzeiten bei den gewohnten Werten oder sogar teilweise darunter. Und der Einsatz von Google Glass trägt dazu bei, die Fehlerquote gegen null zu bringen.“
Drei Monate Programmierarbeit
Das ist von eminenter Wichtigkeit, denn weil Schnellecke Just-In-Sequence ans Fertigungsband liefert, gibt es nur einen kleinen Puffer. Jeder fehlerhaft montierte Formhimmel kostet Zeit, und im ungünstigsten Fall stockt die gesamte Fahrzeugproduktion. Deshalb ist jede neue Technologie willkommen, die mithilft, einen solchen Fall zu vermeiden.
In dieser Prozesstiefe hat bislang noch niemand eine Google Glass-Anwendung umgesetzt“, betont Goda. Im Hintergrund fließen alle Daten im Schnellecke JIT-System (SJS) zusammen, eine Eigenentwicklung, die der Steuerung von Prozessen der Just in time-Fertigung und -Kommissionierung dient. Eine der Stärken der Software sind ihre flexiblen Schnittstellen, mit denen sie an jedes andere Subsystem andocken und es steuern kann, in diesem Fall die Google Glass Applikation.
„Drei Monate haben unsere Programmierer und unser Business Partner Ubimax dafür benötigt, die Software für diese vier Workflows zu schreiben“, so Goda. „Drei weitere Monate dauerte die Einführungsphase. Seit Juni läuft jetzt alles im täglichen Betrieb.“ Und was passiert, wenn eine der Brillen den Geist aufgibt oder beschädigt wird? „Kein Problem“, lächelt er. „Als Backup gibt es für jede Brille ein Tablet, auf dem die identischen Programme laufen. Damit kann die Arbeit ohne Unterbrechung fortgesetzt werden.“