Die Rezepte von Hedwig Heyl sind zeitlos gültig. Sie können noch heute der Zubereitung eines schmackhaften Essens dienen.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat festgestellt, dass Menschen mit pflanzlicher Nahrung gesünder leben als Menschen, die hauptsächliche tierische Nahrung zu sich nehmen. Noch gesünder als Vegetarier leben allerdings die Menschen, die überwiegend sich vegetarisch ernähren, aber Fleisch nicht ablehnen.
Hedwig Heyl bietet neben Kochrezepten für Fleischgerichte hauptsächlich solche an, die man vegetarisch nennen könnte. Es ist nicht zu vermuten, dass sie damals schon moderne ernährungswissenschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt hat.
Dem Buch ist abzulesen, dass Hedwig Heyl die Lage der Arbeiterschaft genau kannte: Ein Arbeiter-Haushalt konnte höchstens einmal in der Woche Fleisch auf den Tisch bringen, oft nur am Sonntag, manchmal als "Sonntags-Braten". Das Bürgertum konnte sich im Vergleich dazu Delikatessen leisten.
Die Angaben in M in den Rezepten, sind Angaben der Kosten des Essens in Mark, der Währung des deutschen Kaiserreichs. Hedwig Heyl bemühte sich darum, sozial schwachen Schichten zu helfen, mit einem geringen Haushaltsgeld sich gesund und ausreichend zu ernähren. Die Kosten dienten der Transparenz und waren sicherlich hilfreich.
Hedwig Heyls Leben und Werk stellt sich uns facettenreich dar und ist sicherlich nicht eindimensional zu beurteilen. Ihr Wunsch zu helfen, und die Tatsache, dass sie unterprivilegierten Frauen und Familien tatsächlich geholfen hat, ist sicherlich anerkennenswert. Man kann aber auch in ihrem Wirken, den Versuch eines Teils des deutschen Bürgertums des Kaiserreichs sehen, die soziale Frage durch eine paternalistische Sozialpolitik und eine rassistisch getönte Kolonialpolitik zu lösen: So ähnlich wie die "new fronteer" in den USA der sozialen Frage durch neue Gebiete im Westen ihre Spitze nahm, versuchte dieser Teil des Bürgertums die soziale Frage quasi in den Kolonien zu exportieren.
Die Widmung an die Kaiserin im vorliegenden Buch durch Hedwig Heyl stellt sicherlich noch nicht ein Grund zum Erschrecken dar: Man kann vielleicht als Patriotin Monarchistin bzw. eine Freundin der Kaiserin und überzeugte Sozialpolitikerin sein. In dieser Widmung sollte man auch eine geschickten PR ("avant la lettre") sehen, die dem Zeitgeist Rechnung trägt und der Verbreitung des Buches dient.
Hedwig Heyl vertrat politisch naive bis gefährliche rassistisch getönte politische Ansichten. Man sollte das nicht als durch den Zeitgeist historisch bedingt oder durch den beschränkten Horizont ihrer bürgerlichen Herkunft bedingt entschuldigen. Beispielsweise kam ihre Zeitgenossin, die ursprünglich aus dem Adel stammende Lily Braun zu ganz anderen Schlüssen, wie in dem ebenfalsl kürzlich erschienen Buch Lily Brauns: "Die Frauenfrage"
Hedwig Heyl: Deutsche Hausmannskost, 200 Rezepte traditioneller Küche, 132 S., ISBN 3837060004
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