Verpackungen werden heutzutage überall eingesetzt: im Supermarkt bei Schnittkäse, in Kliniken bei Spritzen und Infusionen oder im pharmazeutischen Bereich bei Tabletten. Unzählige Produkte In der Lebensmittelindustrie, der Medizintechnik und im Pharmabereich sind in komplex aufgebauten Verbundfolien verpackt. Das heißt, ein meist tiefgezogenes Kunststoffbehältnis wird mit einer Folie versiegelt.
Der Prozessschritt der Versiegelung ist allerdings alles andere als trivial. So können Lufteinschlüsse entstehen, wenn die beiden Materialien beim Laminieren nicht exakt aufeinander zum Liegen kommen oder die Temperaturführung beim thermoplastischen Siegelprozess nicht ausreichend präzise gelingt. Außerdem können eingesiegelte Partikel dafür sorgen, dass die Naht nicht 100-prozentig dicht ist. Auch Feuchte kann zu Problemen führen. Das alles verursacht letztendlich Ablösungen der Folie – die Verpackung ist nicht mehr luftdicht verschlossen und die Produkte nehmen Schaden.
Um das zu vermeiden, wird die Qualität der Erzeugnisse nach der Verpackung in der Prozesslinie kontinuierlich auf Abweichungen überprüft. Die meisten Prüfsysteme für Versiegelungen können Leckagen ab 0,25 Millimeter oder unversiegelte Falten im Siegelbereich aufspüren. Organische Verunreinigungen und innere unversiegelte Bereiche werden nicht erfasst.
Die Unversehrtheit von Verpackungen wird bisher etwa durch destruktive Tests beurteilt. Dabei wird die Verpackung in Wasser getaucht und auf austretende Gasbläschen um die Dichtung herum geprüft. Die Siegelnahtfestigkeit kann durch Druckbeaufschlagung der Verpackung mit Druckluft gemessen werden, bis die Dichtung versagt. Bei transparenten Verbundfolien ist die Qualitätskontrolle auf Bläschen oder Verunreinigungen mit Bildverarbeitung bisher nicht möglich.
Herausforderung: spiegelnde Oberflächen
Die Herausforderung hierbei ist, dass die Folienoberfläche zumeist keine homogene Topologie besitzt und die unterschiedlichen Materialstärken das Licht verschieden brechen. Erst die Kombination verschiedener Aufnahme- und Beleuchtungstechniken macht die Defekte prozesssicher erkennbar. Dieses Drehen und Kippen – für den Menschen eine ganz intuitive Herangehensweise bei der Sichtprüfung solcher Objekte – ist mit Kamerasystemen jedoch nur unter unverhältnismäßig hohem Aufwand lösbar.
Ab einem gewissen Grad an Komplexität ist auch ein Regelsatz zur klaren Unterscheidung und Einordnung von Merkmalen nicht mehr beschreibbar, womit eine konventionelle algorithmische Lösung in die Ferne rückt. Mit Deep Learning wird es allerdings möglich, dieser Aufgabe effizient zu begegnen – eine Beschreibung von Regeln ist nicht mehr notwendig.
Qualitätssicherung mit Deep Learning
senswork, Experte für industrielle Bildverarbeitung und Deep Learning, hat jetzt eine Technologie entwickelt, die auf Deep Learning basiert: Neuralyze identifiziert Lufteinschlüsse und Delamination in der Siegelnaht bei transparenten Kunststoffmaterialien frühzeitig und zuverlässig. Gerade die Kontamination mit Partikeln oder Fasern, denen Mikroorganismen anhaften können, werden mit dem System sicher erkannt.
Die intelligente, visuelle Qualitätskontrolle lernt, kleinste Bläschen und Partikel in jeglicher Ausprägung mit hoher Präzision zu erkennen und das „Gesehene“ zu interpretieren. Das funktioniert folgendermaßen: Zur Merkmalsbeurteilung wird eine selbstlernende Methode mit neuronalen Netzen implementiert. Dazu wird vorab eine große Menge an Bilddaten benötigt. Im anschließenden Trainingsvorgang wird die Beurteilung der Merkmale optimiert. Ist der Vorgang abgeschlossen, ist das System einsatzbereit. Es kann nun automatisiert die Qualität und Dichtigkeit der Schweißnähte bei der Siegelnahtprüfung sicherstellen.
Schnell, effizient und zuverlässig
Für den Anwender ergeben sich mit der neuen Lösung zahlreiche Vorteile: Es muss kein Mitarbeiter mehr am Fließband stehen und aufwendige Sichtprüfungen durchführen. Die Technologie arbeitet schnell, effizient und zuverlässig. Damit sinkt die Fehlerquote und es steigt die Produktivität in der Fertigung. „Neuralyze kann eine Verpackung in wenigen Sekunden überprüfen“, sagt Markus Schatzl, Leiter des senswork Innovation Lab in München. „Damit ist es am Markt einzigartig.“
Eine Qualitätssicherung mit diesem Detailgrad ist im Normalfall nur offline auf Stichproben mit Mikroskopie-Verfahren zu bewerkstelligen. Durch den Einsatz von Zeilenkameratechnologie wird eine schnelle Bildaufnahme bei gleichzeitig sehr hoher Auflösung erreicht. Neuralyze wertet diese sehr großen Bilddatensätze mit speziell dafür optimierter Algorithmik aus.
Neben der Siegelnahtprüfung im Lebensmittel-, Kosmetik und Pharmabereich gibt es eine Reihe von Aufgabenstellungen in der Bildverarbeitung, die mit regelbasierenden Verfahren nicht zu bewerkstelligen sind. Mit Deep Learning haben sich die Spielregeln geändert und vieles ist möglich, das bisher als nicht lösbar verworfen werden musste. Gerade für Anwendungen mit komplexen Merkmalen und vielen Varianten eignet sich die intelligente Bildverarbeitung.