Keiner gibt es gerne zu, aber jeder Logistikexperte weiß, wie viel Zeit tagtäglich damit verloren geht, nach Dingen zu suchen, die nicht da sind, wo sie eigentlich sein sollten. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Ein Ladungsträger wurde am falschen Lagerort abgestellt, ein Produkt unter Zeitdruck irgendwo zwischengelagert, eine vermeintlich fertige Komponente steckt noch irgendwo im Produktionsprozess und ist einfach nicht auffindbar. Meist hat man es dabei einfach mit menschlichen Schwächen zu tun. Und nicht selten löst ein einziger Fehler eine ganze Kette von Folgefehlern aus.
Ein typisches Beispiel für die Komplexität von Ladungsträgerverfolgung ist das RoRo-Terminal in Bremerhaven. Hier werden Maschinen- und Anlagenteile auf speziellen Rolltrailern verschifft. Dabei gilt es, nicht weniger als tausend dieser Ladungsträger zu verwalten, während sie auf einem 3 Quadratkilometer großen Areal zirkulieren. Besonders bei Umlagerungen oder bei der Reorganisation von Lagerflächen kommt es dabei immer wieder zu Informationslücken. Die Positionen einzelner Ladungsträger geht verloren und führt zu einer langwierigen Suche, mit dem damit verbundenen Aufwand an Zeit und Ressourcen.
Abhilfe wird die von BLG LOGISTICS in Kooperation mit dem BIBA, Bremer Institut für Produktion und Logistik, vorangetriebene "ProKon"-Lösung bringen, ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördertes Projekt zur Prozesskontrolle im Ladungsmanagement von Seehäfen. Das Projekt zielt vor allem darauf ab, die heute verfügbaren Technologien RFID-Identifizierung, GPS-Satellitenortung und WLAN-Kommunikation so miteinander zu verknüpfen, dass primär Ladungsträger, perspektivisch aber auch Güter jeder Art lückenlos verfolgt werden können.
Das Lübecker Unternehmen Solcon Systemtechnik GmbH wurde als einer der ersten Anbieter, der es verstand, aus diesen Schlüsseltechnologien eine voll funktionsfähige Hardware inklusive Firmware zu entwickeln, in das Projekt eingebunden. Die IT-Abteilung der BLG AUTOMOBILE LOGISTICS übernimmt die von den Fahrzeugterminals gelieferten Datensätze in ihr Leitstandsystem. Daraus ergibt sich ein Gesamtsystem, mit dem man den Standort von Objekten genau verfolgen und analog zur Realität in einem Logistiksystem abbilden kann.
Nach erfolgreicher Beendigung der derzeit sehr positiv verlaufenden Feldversuche und abgeschlossener Leitstandentwicklung sollen im Bremerhavener RoRo-Terminal alle Rolltrailer mit einem preisgünstigen passiven RFID-Tag versehen werden, der genaue Auskunft über die Identität des Ladungsträgers gibt. Alle Tugmaster, mit denen die Rolltrailer bewegt werden, sind dann mit einem RFID-Lesegerät, einem GPS-Empfänger mit INS und einem Datenterminal mit Touchscreen und WLAN-Funktion ausgerüstet.
Der Fahrer holt sich seine Fahraufträge mit genauen Positionsangaben zukünftig über das Datenterminal. Alle weiteren Funktionen des Tugmasters werden dann automatisch erfasst und drahtlos an das Logistiksystem übermittelt; vom An- und Abkoppeln des Rolltrailers über seine Identifizierung bis zur laufend aktualisierten Position. Der Logistikprozess wird also lückenlos transparent und das System weiß in Echtzeit, wo sich welcher Ladungsträger befindet.
Bei Solcon geht man bereits noch einen Schritt weiter und kombiniert die satellitengestützte GPS-Ortung im Freien nahtlos mit einem Local Positioning System (LPS) für Innenräume (Lagerhallen etc.). "Dadurch kann man zum Beispiel jedes einzelne Teil eines Produktes über den gesamten Produktionsprozess hinweg verfolgen. Wird irgendein Teil irgendwo zwischengelagert, lässt es sich jederzeit gezielt wiederfinden und dem Prozess wieder zuführen," beschreibt Geschäftsführer Dr. Gerd Schneider den Nutzen. Solcon hat für diesen Zweck standardisierte Schnittstellen entwickelt, mit denen sich positionsbezogene Objektdaten nahtlos in ein Lagerverwaltungs-, MES- oder ERP-System einbinden lassen.
Die Entwicklungsingenieure sind begeistert, wenn sie an mögliche weitere Anwendungen ihrer Lösung denken. "Mir fallen spontan mobile Maschinen, Geräte und Werkzeuge ein," beschreibt Dr. Gerd Schneider bei Solcon die Möglichkeiten und ergänzt: "Mit einem preisgünstigen passiven RFID-Chip versehen lassen sie sich ganz einfach im Vorübergehen identifizieren und orten. Man stelle sich vor, der Bauleiter trägt eine "intelligente" Weste mit GPS/LPS-Modul, RFID-Leser und GSM-Datenübertragung, während er sich auf der Baustelle bewegt. Dann erspart man sich in der Firma eine Menge Papierkrieg und weiß jederzeit genau, welche Maschine gerade auf welcher Baustelle ist und wann welche zur Wartung muss."
"Dabei bestimmt ganz allein die Anwendung, ob die Position per GPS oder LPS ermittelt wird oder ob die Daten per WLAN oder GSM an das übergeordnete System fließen. Wobei wir in der vorteilhaften Lage sind, alle Komponenten aus einer Hand und damit ein abgestimmtes System aus einem Guss bieten zu können," meint Solcon Geschäftsführer Dr. Gerd Schneider und sieht sein Unternehmen bereit für eine Vielzahl neuer Anwendungsfelder.