Sie sind der Meinung, "Sicherheit Made in Germany" sei lediglich ein Marketing-Gag. Was bewegt Sie als deutscher Internet-Serviceprovider zu dieser Aussage?
Ich liebe klare Ansagen. Internet "Made in Germany" gibt es einfach nicht. Das Internet ist eben weltweit. Es ist mit herkömmlichen Begriffen manchmal ebenso schwer zu fassen wie gesetzlich zu regulieren. Dies sieht man zum Beispiel bei den Themen Landesgrenzen, Ladenschluss oder Jugendschutz. Auch wenn ein Internetanbieter sein komplettes Angebot in Deutschland aufstellt, ist es doch interessant, welche Hard- und Software eingesetzt wird. Netzwerk- und Security-Equipment ist äußerst selten "Made in Germany". Firmen aus Taiwan, USA, Russland und Israel stellen das Gros der Hard- und Software-Komponenten, schon EU-Produkte finden sich da kaum. Wer will da kontrollieren, ob nicht einer Hintertüren und andere undokumentierte Nebenwirkungen einbaut?
Aber immerhin unterliegen Unternehmen in Deutschland doch deutschem Recht. Und das ist nun einmal in Sachen Datenschutz bedeutend griffiger als etwa in den USA.
Das stimmt, allerdings greift das nicht im Falle Internet. Denn das Internet ist eben nicht an nationale Grenzen gebunden und ein deutscher Standort allein sagt erst einmal gar nichts aus. Wenn ein Cloud-Anbieter seinen Hauptsitz beispielsweise in den USA hat, dann unterliegt er US-Recht wie etwa dem Patriot Act, auch wenn die Daten in Deutschland abgelegt sind. Es muss nicht einmal ein Sitz sein, es reicht sogar schon, dort börsengelistet zu sein. Das heißt, es wird auch in seinen deutschen Niederlassungen auf Daten zugegriffen. Es ist für amerikanische Behörden und Geheimdienste also unerheblich, ob ein Rechenzentrum in Dallas, Dublin oder Düsseldorf steht. Und selbst wenn das Hosting ausschließlich deutschem und EU-Recht unterliegt, bedeutet das ja nicht automatisch, dass staatliche Stellen nicht auf die Daten zugreifen können, und wenn es im Wege der Amtshilfe ist.
Und was ist mit "De-Mail"?
Wenn Daten zwischen den Providern verschlüsselt ausgetauscht werden, mag das den unbefugten Zugriff von außen während des Datentransports erschweren, löst aber weder das eigentliche Problem, noch ergibt sich daraus eine Qualität, die man mit "Made in Germany" bewerben sollte.
De-Mail hat bekanntlich erhebliche Sicherheitslücken. Die kann man für Kinderkrankheiten oder Pannen halten. Oder aber für schlichten Vorsatz, vergleichbar vielleicht mit den "Hintertüren", die führende Anbieter von Netzwerk- und Storage-Technik gern für staatlich bestellte Observation und Spionage in ihre Produkte einbauen.
Wenn man den Ankündigungen der deutschen Politik glauben darf, wird es künftig deutlich mehr Lauschaktivitäten und "fürsorgliche Beobachtung" durch die Ermittlungsbehörden und Nachrichtendienste geben, und dafür wären geplante Sicherheitslücken einfach sehr praktisch, denn wenn Verbrechensbekämpfer Zugriff haben, haben ihn vermutlich auch Verbrecher. Als "Sicherheitsstandard" ist De-Mail also nicht nur fragwürdig, sondern schlicht ungeeignet. Hinzu kommt, dass ein nationaler Alleingang beim Thema Mail sowieso anachronistisch ist. E-Mail muss weltweit funktionieren und sicher sein.
Was empfehlen Sie den Unternehmen denn, um sich abzusichern?
Es gilt zu allererst, sich klarzumachen, was in einem Unternehmen schützenswert ist und welche Maßnahmen dazu die richtigen sind. Die Stichworte fangen alle mit "V" an: verschlüsseln (Ende-zu-Ende), vermeiden (Datensparsamkeit), verteilen (nicht Schlüssel und Daten am selben Ort lagern), vergewissern (Audits und Schulungen) und vertrauen (Augen auf bei der Partnerwahl).
Wie schätzen Sie nationale und europäische Initiativen zur Steigerung des Vertrauens in die Cloud und ihre Anbieter (z.B."Trusted Cloud") ein?
Solche Aktionen sind zunächst sicher nützlich im Sinne von Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung. Wichtig ist der Stellenwert, den das Thema Sicherheit in den Unternehmen bekommt, und da helfen solche Initiativen. Aber wenn die Politik das Internet in Deutschland wirklich fördern will, soll sie aufhören, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Internetfirmen zu bedrohen. Das beginnt bei den enormen Stromkosten, bei denen Rechenzentren im Ausland einfach bevorzugt sind und endet nicht bei der Künstlersozialkasse, für die inzwischen gelegentlich bereits Programmierer beitragspflichtig als Künstler gezählt werden.