In der Forschung sowie bei der Herstellung pharmazeutischer Produkte spielt das Pipettieren und Aliquotieren von Substanzen eine entscheidende Rolle. Bei dieser repetitiven Tätigkeit müssen strenge zeitliche und sicherheitsrelevante Vorgaben eingehalten werden, und sie muss unter sterilen Bedingungen stattfinden.
Aus diesem Grund haben sich in der pharmazeutischen Forschung voll automatisierte Lösungen etabliert, die auf der Basis vorhandener Laborgeräte entwickelt wurden.
Der Automatisierung waren aber bislang dort Grenzen gesetzt, wo eben keine reinen Wiederholaufgaben zu erledigen waren. Wenn z.B. sowohl aus kleinen als auch großen Gefäßen (oder in diese hinein) pipettiert werden sollte, wurde und wird nach wie vor ein menschlicher Bediener benötigt.
Wegweisend: Roboter mit elektronischer Pipette
ESSERT Robotics, Spezialist für flexible Automatisierungslösungen aus Bruchsal, hat jetzt eine wegweisende Roboterzelle für exakt dieses Aufgabenspektrum entwickelt. Die Lösung besteht aus einem Sechsachsroboter von Stäubli, der mit einer elektronischen Pipette ausgestattet ist und die Handling-Aufgaben im Arbeitsbereich einer mikrobiologischen Sicherheitswerkbank erledigt.
Dabei handelt es sich keinesfalls um einen „normalen“ Roboter aus der Industrieautomation, sondern um einen Stericlean Roboter von Stäubli. Diese Baureihe – hier kommt ein kompakter TX2-60L Stericlean zum Einsatz – wurde speziell für den Betrieb in aseptischen Produktionsbereichen der Klasse A entwickelt.
Konzipiert für Einsätze in aseptischer Umgebung
Die vollständig gekapselte Bauform der Roboter, die Ausführung besonders beanspruchter Teile in Edelstahl und eine spezielle Oberflächenbehandlung schaffen die Voraussetzung dafür, dass die TX2 Stericlean Roboter dauerhaft in aseptischen Produktionsbereichen arbeiten können. Sie sind GMP-konform und erfüllen die ANSI/RIA R15.06 Standards. Darüber hinaus unterstützen sie die hohen AAP-Anforderungen. Mit diesen Eigenschaften gewährleisten sie einen umfassenden Schutz der Produkte, die sie handhaben, verpacken oder eben pipettieren.
Das bedeutet: Damit können keimfreie Prozesse automatisiert werden, in denen der Einsatz von Standardrobotern gänzlich unmöglich wäre – zum Beispiel beim Pipettieren. Weiteres Highlight: Mit der patentierten JCS-Antriebstechnik von Stäubli lassen sich die hohen Anforderungen an die Präzision beim Pipettieren dauerhaft erfüllen.
Pipettieren auf einer mikrobiologischen Sicherheitswerkbank
Mit diesem Roboter als Kernkomponente hat ESSERT ein Automatisierungssystem für die Labortechnik mit bisher unerreichter Flexibilität entwickelt, Handhabung und Pipettieren finden auf einer mikrobiologischen Sicherheitswerkbank der Klasse II von Weiss Pharmatechnik statt, die speziell für diesen Anwendungsfall konzipiert wurde. Sie entspricht den Anforderungen der Aufnahme der DIN EN 12469 („Biotechnik - Leistungskriterien für mikrobiologische Sicherheitswerkbänke“) und bietet reine Luft der Klasse ISO 5 gemäß ISO 14644-1 bzw. Reinluftklasse A gemäß EU-GMP Annex 1 (Aseptische Bedingungen).
Zusätzlich werden die unterhalb der Arbeitsfläche liegenden Kontaminationsbereiche durch einen Inflow von 0,5 m/s in Unterdruck gehalten, sodass keine Partikel aus dem Arbeitsbereich austreten können. Die benötigte Luft wird dem Aufstellraum entnommen und oben am Werkbankdach über einen HEPA-Filter wieder abgegeben.
Flexibles Pipettieren – mit Gefäßen von wenigen Millilitern bis zu zwei oder drei Litern
Soweit die Beschreibung der Umgebung, in der das innovative – weil flexible – voll automatisierte Pipettieren stattfindet. Die zentrale Innovation besteht darin, dass der Stäubli Roboter in der Lage ist, auf mehrere sowie verschieden große Quell- und Zielgebinde zuzugreifen – mit einem Volumen von wenigen Millilitern bis zu 2 oder 3 Litern. Eine solche flexible Automation ist z.B. dann erwünscht, wenn kleinere Chargen ohne Zeitverzug zu pipettieren sind, um den Workflow in Labor effizient zu gestalten. Außerdem wird so das Risiko minimiert, dass Verunreinigungen von außen in den Prozess eingetragen werden.
(Fast) alles ist möglich: Beproben von tiefgefrorenen Medien, automatisches Decapping…
Je nach Applikation kann der Stäubli TX2-60L das zu pipettierende Material auch auf mehrere Zielgebinde aufteilen, d.h. aliquotieren. Bei Bedarf kann ein elektrischer Greifer auch Gefäße mit tiefgefrorenen Medien aus einem vollintegrierten Ultratiefkühlschrank entnehmen.
Nach definierter Auftauzeit entnimmt der Roboter per Pipette das Medium und beprobt damit die vorgesehenen Gefäße. Je nach Anwendungsfall sorgt ein automatisierter Decapper für höheren Durchsatz. Optional lassen sich die Proben vollautomatisch etikettieren. Die hohe Arbeitsgeschwindigkeit des Roboters gewährleistet hohen Durchsatz und maximale Produktivität.
Einschlägige GMP-Anforderungen werden erfüllt
Das OS Betriebssystem von ESSERT nutzt erprobte Audit Trail und PM Quality Funktionen, sodass die GMP-Anforderungen vollumfänglich erfüllt werden. Durch die exakte Positionierung der Pipette am Roboterarm und mehrfache Prüfungen wird eine sehr hohe Prozessqualität garantiert. Die gesamte Lösung ist in Edelstahl ausgeführt und erfüllt alle Anforderungen an einen hygienischen Prozess. Das kompakte Design spart zu-dem kostbare Laborfläche.
Fazit: Neue Effizienz in der Laborautomation
Mit dem von ESSERT Robotics entwickelten, vollautomatisierten Pipettiersystem kann der Anwender eine Vielzahl von laborüblichen Tätigkeiten, die eine gewisse Flexibilität erfordern, völlig personenunabhängig und zu jedem beliebigen Zeitpunkt durchführen. Die Anlage ist genau dann in Betrieb, wenn sie gebraucht wird, sodass nachgelagerte Prozesse just-in-time bedient werden können.
Manuelle Fehler, ineffektiver Personaleinsatz, Kontaminationsrisiken für Personen und Medien sowie Ausfallzeiten wegen fehlendem oder unbrauchbarem Ansatz gehören damit der Vergangenheit an – und die Robotik hat sich ein weiteres (flexibles) Einsatzfeld im Sterilbereich der Pharmaindustrie erobert.