Diese Aufgabe haben die Hamburger nicht von ungefähr übernommen. Vielmehr haben sie bereits vor einigen Jahren mit der Entwicklung von RFID-unterstützten Flurförderzeugen begonnen und so dem Gabelstapler neue Funktionalitäten verliehen. Dabei soll die RFID-Technik in deutlich erweiterter Weise - über das bekannte Funketikett hinaus - genutzt werden. Entsprechende Lösungen sind bereits verfügbar und können sofort realisiert werden. Die Hamburger setzen RFID dazu ein, Fahrzeuge zu lokalisieren und aus diesen Ergebnissen Betriebsabläufe zu optimieren.
So kann der Lagerort der Ware aus der logischen Verknüpfung von Zustandsgrößen des Fahrzeugs wie Position und Hubhöhe errechnet werden. Der so bestimmte Lagerplatz wird per W-LAN dem übergeordneten Warenwirtschaftssystem zur Verfügung gestellt. Die manuelle Erfassung des Lagerplatzes kann entfallen.
Indirekte Identifizierung der gelagerten Güter
Da die Fahrzeuge durch die Still-RFID-Technik in der Lage sind, ihre eigene Position zu bestimmen, können dem Fahrer umfangreiche Informationen zur Fahrzeugnavigation angezeigt werden. Unnötige Fahrwege werden auf diese Weise vermieden. Darüber hinaus wird eine Vielzahl zusätzlicher Sicherheitsfunktionen angeboten. So können zum Beispiel ortsabhängig die Fahrzeuggeschwindigkeit reduziert, die Hubhöhe begrenzt oder die Fahrzeugbeleuchtung aktiviert werden. Auch sind die Kommunikation der Fahrzeuge mit Ampelschaltungen und Rolltoren sowie die Überwachung von Einbahnstraßen denkbar. Nach einer Erfassung beim Wareneingang erfolgt über die eindeutige Zuordnung von Waren und Palette eine indirekte Identifizierung der gelagerten Güter. Bei jedem weiteren innerbetrieblichen Transportvorgang der Palette registriert das System die Ortsveränderung und aktualisiert die Position in der Datenbank.
Zwingende Vorraussetzung sind spezielle Tags, auch als Transponder bezeichnet, die regelmäßig in einem Rastermaß von etwa einem Meter im Boden verlegt sind, so dass die Fahrzeugposition immer eindeutig definiert ist. Entsprechende Installationen sind auch in bereits vorhandenen Lagern und Produktionsstätten leicht zu bewerkstelligen.
Für Kunden, die die neue Technik von Still nutzen, ergeben sich deutliche Vorteile: Ein Großteil der bisher notwendigen Scan-Vorgänge entfällt, weil diese Arbeit der Stapler gleich mit übernimmt. So wird nicht nur Zeit für das Scannen zum Beispiel von Barcodes eingespart, sondern zusätzlich auch der Arbeitsablauf nicht mehr für die Datenerfassung unterbrochen. Insgesamt resultiert eine durchgängige, flüssige Arbeitsweise. Darüber hinaus wird eine deutlich größere Fahrzeugauslastung möglich, denn über den Tag gerechnet dauern die bisherigen manuellen Erfassungsarbeiten ein bis zwei Stunden pro Schicht. Die gut ablesbaren Terminals senden via WLAN die notwendigen Daten an das Still-eigene Materialfluss-Managementsystem (MMS). Dieses erhält über das in das Fahrzeug eingebaute Lesegerät sowie die Antenne die Positionsdaten des Fahrzeugs.
Erheblicher Gewinn an Sicherheit im Lager
Informationen über Höhe und Lastabstand, Geschwindigkeit und Hydraulikbedienung sowie der Fahrzeugposition werden über ein spezifiziertes CAN-Bus-Protokoll mit der Fahrzeugsteuerung verknüpft. Wie wirkt sich das auf die konkrete Situation im Lager aus? An Kreuzungen, also potentiellen Gefahrenpunkten, wird das Fahrzeugtempo reduziert, beim Verlassen des Kreuzungsbereichs die Geschwindigkeit wieder erhöht. Auch an Engstellen erfolgt eine automatische Reduktion der Geschwindigkeit. Die Fahrtrichtungskontrolle sorgt für die Sperrung von sensiblen Bereichen. Auch Einbahnstraßen können so überwacht werden. Insgesamt ergibt sich ein erheblicher Gewinn in Sachen Sicherheit.
Ein zusätzlicher Aspekt ist der positive Effekt einer aktiven Wegführung. Das Still-System arbeitet ähnlich wie eine Navigationshilfe im Automobil, zeigt also durch Pfeile der zu folgenden Fahrrichtung an. Neue Fahrer oder Beschäftigte, die beim Staplerfahren als Aushilfe einspringen, haben es so wesentlich leichter. Zudem kennt das Staplerleitsystem als Einsatzzentrale die Position aller Stapler und kann bei der Zuweisung neuer Aufträge immer das Fahrzeug auswählen, das am besten geeignet ist.
Die Vorarbeiten von Still belegen, dass die RFID-Technologie deutliche Fortschritte im Materialfluss und in der Sicherheit ermöglichen. Allerdings besteht noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf für optimale Lösungen - insbesondere beim Informationsfluss zwischen transportierter Ware und Ladungsträger auf der einen Seite sowie Flurförderzeug und Warenwirtschaftssystem auf der anderen Seite. Deshalb hat ein Konsortium aus namhaften Industriepartnern, zu denen auch Still als führender Anbieter von Intralogistik gehört, das Forschungsprojekt "IdentProLog" gestartet. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und ist Bestandteil des Programms "Forschung für die Produktion von morgen". Die Laufzeit ist zunächst auf drei Jahre angesetzt.
Schlüsselrolle für den Gabelstapler
In dieser Zeitspanne soll ein System entwickelt werden, das unterschiedliche Ladungsträger und die darauf hinterlegten Informationen eindeutig identifizieren kann. Durch den Einsatz von RFID-Technik und modernem Datenfunk werden Flurförderzeuge in die Lage versetzt, Produktladungsträger wie Paletten und die darauf transportierten Waren automatisch zu erfassen und so im innerbetrieblichen Bereich als Koppelelement zu den datentechnischen Leit-, Führungs- und Managementebene zu dienen.
Still ist im Rahmen des IdentProLog-Projektes federführend damit beauftragt, Flurförderzeuge so auszurüsten, dass sie Ladungsträger zuverlässig erkennen und die hinterlegten Informationen den zugehörigen Back-End-Systemen zur Verfügung stellen können. Um die Arbeitsweise des Gesamtsystems zu überprüfen und etwaige Schwachstellen zu aufzuspüren, sollen im Laufe des Prozesses verschiedene Tests und Untersuchungen an einem Flurförderzeug-Demonstrator durchgeführt werden.
Zur Vorbereitung wurden in den vergangen Monaten rund 150 Unternehmen der Logistik-Branche befragt. In Telefoninterviews, deren Fragen die Hamburger Spezialisten erstellt haben, wurden die Anforderungen der späteren Kunden hinsichtlich einer optimalen Anbringung der RFID-Einrichtungen ermittelt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Rund 75 Prozent der Unternehmen zeigen großes Interesse an der Warenerkennung und 65 Prozent starkes Interesse an der Materialverfolgung mittels RFID. Wesentliche Vorteile im Vergleich zum Barcode sehen die potentiellen Nutzer im nicht erforderlichen Sichtkontakt und in der hohen Widerstandsfähigkeit der RFID-Transponder. Im betrieblichen Ablauf ergeben sich deutliche Pluspunkte in der automatischen und fehlerfreien Identifikation, sowie der vereinfachten Koordinierung von Lager- und Bestandsverwaltung. Eine klare Mehrzahl der Befragten von etwa 80 Prozent betonen die positiven Aspekte im Inventurmanagement. Priorität genießen dabei Ladungsträger und Transportverpackung, nicht Einzelverpackungen.
Abgesehen von der großen grundsätzlichen Zustimmung zum RFID-Einsatz gibt es zusätzliche Wünsche aus dem Nutzerkreis: So wird die Möglichkeit der Wiederbeschreibbarkeit gefordert. Auch dem vollautomatischen Datenabgleich ohne Beeinflussung durch den Fahrer wird eine hohe Wichtigkeit zugeschrieben. Die Integration in die IT-Systeme, an erster Stelle die MMS (Materialfluss Management Systeme), gefolgt von PPS (Produktions-Planungs-Systemen) und SCM (Supply Chain Management Systemen), wird massiv gefordert. Vor dem Hintergrund dieser Resultate wird deutlich, dass Still mit dem Einsatz von RFID zur Positionsverfolgung der Stapler offenbar genau richtig liegt.
Komponentenentwicklung eng am Markt
Abschließend werden die jetzt erhaltenen Ergebnisse direkt in die Arbeit des Forschungsprojektes einfließen und diversen Kunden präsentiert - so ist ein Abgleich mit den am Markt geforderten Funktionalitäten gewährleistet. Denn oberstes Ziel von Still ist eine marktgerechte Komponentenentwicklung.
Im Projekt sind neben STILL als aktiver Partner bei der Fahrzeugausrüstung auch die Jungheinrich AG als Flurförderzeughersteller sowie die Kuka Roboter GmbH als Anwender vertreten. Dazu kommen Gebhardt Transport- und Lagersysteme als Hersteller von Ladungsträgern, die PSI Logistics GmbH als EDV-Integrator und die Deister Electronic GmbH als RFID-Spezialist. Auf Forschungsseite sind das Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA, Garbsen) und das Institut für Fördertechnik und Logistik (IFT, Stuttgart) Konsortialpartner. Projektträger für das BMBF ist das Forschungszentrum Karlsruhe (FZK), das zu den Großforschungseinrichtungen der Helmholtz-Gesellschaft gehört.
Still sieht in diesem Projekt eine gute Möglichkeit, die längst eingeleitete Wandlung vom Fahrzeughersteller zum Anbieter von Systemlösungen weiter voranzutreiben. Gleichzeitig wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hersteller in diesem Bereich nachhaltig gestärkt. Durch das Projekt und die damit verbundene aktive Gestaltung der Standards von morgen wird Still in der Lage sein, die bereits heute angebotenen RFID-Systemlösungen zu erweitern.