Auch wenn laut aktuellem Legal Tech Report von Deloitte bisher nur etwa 20 Prozent der befragten Kanzleien bei der Abwicklung von Routinearbeiten auf Automatisierungstools zurückgreifen steht fest, dass der Transformationsdruck wächst - nicht zuletzt deshalb, weil Aufgaben immer komplexer werden und dennoch schneller erledigt werden müssen. Basierend auf diesem zunehmenden Druck sieht Bendig für das kommende Jahr sechs wichtige Legal-Tech-Trends.
1. Legal Workspace-as-a-Service
Immer mehr wird der Umstand, dass Mitarbeiter immer und überall arbeiten können sollten, zum Status Quo. Wie wichtig diese Voraussetzung für das wirtschaftliche Überleben von Kanzleien ist, hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt. Deshalb ist es unerlässlich, dass Kanzlei-Management so aufzustellen, dass die von den Mitarbeitern benötigten Lösungen jederzeit unkompliziert verfügbar sind, sowohl im Home-Office, unterwegs oder in der Kanzlei. Die beste Voraussetzung dafür bieten Cloud-basierte Kanzlei-Lösungen. Sie ermöglichen nicht nur eine orts- und zeitunabhängige Zusammenarbeit, sondern erleichtern auch die Ablage und den Austausch von Dokumenten und Dateien. Insbesondere das heute übliche hybride und vernetzte Arbeiten lässt sich mit Cloudlösungen, die unkompliziert als App oder über den Browser genutzt werden können, optimal unterstützen. Der Vorteil: Weniger Reibungsverluste bei der internen Kommunikation oder im Austausch mit Mandanten sowie mehr Transparenz bei komplexen Prozessen.
2. Legal Operations
Kanzleien befinden sich derzeit in einem Umbruchprozess, in dem sich neben der Technologie auch die Organisationsform ändert. Immer öfter werden Fälle nicht allein von einem Rechtsanwalt betreut, sondern von einem Team aus Daten-Analysten, Rechtsanwälten und Projektmanagern. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Aufgabenstellungen immer komplexer werden und besser mit einem Team aus Spezialisten bewältigt werden können. Zunehmende Bedeutung gewinnt dabei die Datenanalyse. Wenn beispielsweise eine Firmenübernahme ansteht, gilt es im Vorfeld Massen an Daten auszuwerten, um die Übernahme korrekt beurteilen zu können. Darüber hinaus gilt es, den Übernahme-Prozess zu planen, steuern und überwachen. All das erledigen optimalerweise die jeweiligen Spezialisten und stimmen sich dann im gesamten Team ab.
3. Legal Workflow Automation
Ohne Automation hat eine Kanzlei keine Zukunft, zumal laut Legal Tech Report in 69 Prozent der Kanzleien die Anwälte zu viel Verwaltungsarbeit übernehmen. Umso wichtiger ist es, dass alles, was zu den Routinearbeiten im Kanzleialltag gehört, automatisiert wird. Robotic Process Automation (RPA) hat sich bereits in vielen Business-Prozessen von Unternehmen etabliert. Jetzt ist es an der Zeit, sich die Vorteile dieser Automatisierung auch im Bereich der Kanzleiarbeit zunutze zu machen. Mit Hilfe von Automatisierung lassen sich beispielsweise Standardaufgaben, wie das Anlegen neuer Mandanten, Ablegen von Dokumenten und Erstellen von Rechnungen schneller erledigen.
4. KI-basiertes Smart Contracting
Schon heute gibt es Software-Lösungen, die Anwälte bei der Vertragserstellung unterstützen, das sogenannte Smart Contracting. Basierend auf den vom Anwalt gemachten Vorgaben erstellt ein Robot einen möglichen Vorschlag für einen Vertrag. Da ein solcher Robot auf KI-Technologie basiert und bei jedem neuen Vertrag dazu lernt, ist das KI-basierte Smart Contracting eine solide Grundlage für die Vertragserstellung und eine enorme Erleichterung für jeden Anwalt.
5. Self Service Legal-Work
Wenn Dokumenten, Akten und Informationen unkompliziert über ein Self Service Portal abgerufen werden können, erleichtert das zum einen die Zusammenarbeit und zum anderen profitieren alle von einem Maximum an Flexibilität. Die Anwalt-Mandaten-Kommunikation kann hierdurch beschleunigt und qualitativ verbessert werden. Bequem können Dokumente eingesehen, freigegeben und ausgetauscht werden. Das minimiert die Komplexität juristischer Vorgänge und verleiht den Prozessen mehr Dynamik. Über ein Legal Tech Self Service Portal lassen sich alle Vorgänge innerhalb einer Kanzlei, aber auch im Austausch mit Partnern, Behörden und Gerichten koordinieren und abwickeln – von der Mandantenanlage über die Kommunikation und Arbeitszeiterfassung bis hin zur Schlussabrechnung. Es besteht zudem die Möglichkeit mittels eines Virtual Legal Assistent (Chat Bot) Standardfragen oder einfache Aufgabenstellungen auszulagern, um Rechtsanwälte und Kanzleimitarbeiter zu entlasten, damit diese Zeit haben, sich um komplexere Fragestellungen zu kümmern.
6. Legal Performance-Management 2.0
Kanzleien und Anwälte müssen ihr Selbstverständnis ändern und anfangen unternehmerisch zu denken. Sie sollten die Möglichkeiten von Business Intelligence (BI) nutzen, um herauszufinden, mit welchen Aufgaben sie am meisten Zeit verbringen, wie das Zeitmanagement optimiert werden kann und welchen Aufwand sie tatsächlich beim Mandanten abrechnen können. Das regelmäßige Erheben von KPI´s kann helfen, die Zeitfresser zu identifizieren und Prozesse effektiver zu gestalten. Das führt nicht nur zu besseren Ergebnissen und mehr Effizienz, sondern vor allem zu mehr Zufriedenheit. Das wiederum wirkt sich positiv auf das Betriebsklima aus, was in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht unwichtiger Aspekt ist.
Generell ist zu erwarten, dass die Digitalisierung im Legal-Sektor im kommenden Jahr den nächsten Reifegrad erreicht. Digitale Transformation kann der entscheidende Wettbewerbsvorteil für Kanzleien sein und Legal Professionals dabei unterstützen effizienter und wirtschaftlicher zu arbeiten. Die Automatisierung von Routineaufgaben wird zunehmen, ebenso wie der Einsatz von Cloudlösungen oder webbasierten Self-Service-Portalen. Nach und nach werden sich Legal Operations digitalisieren und die damit einhergehende Entlastung ermöglicht es den Anwälten und Kanzleimitarbeitern, sich den Fragestellungen zu widmen, die wichtiger sind als das Erledigen administrativer Aufgaben.