Schon ein einziger fehlender Braille-Punkt kann die Aussage einer Braille-Schrift verändern. Besonders folgenreich sind solche Fehler bei der Identifizierung von Medikamenten, bei welchen eine tatsächliche Wirkstoff-Mengenangabe „500 mg“ für Sehbehinderte fälschlicherweise als „100 mg“ identifiziert werden kann und somit die Gefahr einer starken Überdosis gegeben ist.
Um solche Risiken zu minimieren, hat das Sauerlacher Systemhaus für Bildverarbeitung in-situ das Blindenschrift-Inspektionssystem DotScan entwickelt. „Dieses robuste System ermöglicht eine zuverlässige Überprüfung von Blindenschrift auf Arzneimittelverpackungen und Prägepatrizen“, beschreibt in-situ-Geschäftsführerin Sandra Söll die grundlegende Funktion von DotScan. „Dabei werden nicht nur die Anwesenheit der Braille-Punkte und die korrekte Kombination der Punktmuster, sondern auch die richtige Höhe der Blindenschriftpunkte nach DIN EN ISO 17351 geprüft.“
Prinzipiell gibt es laut Söll zwei Möglichkeiten, Braille-Punkte zu prägen: Entweder bei der Stanzung kompletter Druckbögen oder in einem späteren Prozessschritt durch rotatorische Präge-Werkzeuge während der Weiterverarbeitung der Schachteln in einer Klebe-Maschine. „Unsere DotScan-Anlagen sind dafür ausgelegt, die Braille-Schrift auf leeren, ungefalteten Faltschachteln Offline im Produktionsablauf zu überprüfen. Wichtig ist dabei, dass die Inspektion auf der bedruckten Seite erfolgt. So stellen wir sicher, dass die Vorderseite korrekt ist, auf der Sehbehinderte die Braille-Angaben ertasten.“ In vielen Fällen sind die Braille-Punkte dabei auch in Bereichen einer Schachtel eingeprägt, die mit Grafiken oder Texten bedruckt sind. Unruhige Hintergründe dieser Art erschweren die korrekte Erkennung durch ein Bildverarbeitungssystem.
Bildverarbeitung optimiert
Um auch für solche anspruchsvollen Bedingungen gewappnet zu sein, verlässt sich in-situ inzwischen auf Bildverarbeitungskomponenten von SVS-Vistek. „In der ersten Generation unserer DotScan-Anlagen waren noch Kameras eines anderen Herstellers integriert, die jedoch unseren gestiegenen Anforderungen nicht mehr genügten“, erläutert Söll. „Unter anderem wollten wir das Bildverarbeitungssetup in Bezug auf die Hardware optimieren und fanden das Kamerakonzept der EXO-Serie von SVS-Vistek sehr überzeugend. Die Fähigkeit die Beleuchtungssteuerung direkt in der Kamera durchzuführen, macht den Einsatz der sonst üblichen Blitz-Controller hinfällig und spart dadurch Hardware-Kosten sowie Zeit während der Integration.“
Die in den SVS-Vistek-Kameras integrierte Beleuchtungssteuerung vereinfacht die von in-situ bevorzugte Aufnahme mehrerer Bilder unter verschiedenen Lichtverhältnissen und -richtungen, um aus den so generierten Bilddaten Pseudo-3D-Bilder zu errechnen. Mit diesem Shape-from-Shading-Verfahren hat das Unternehmen bereits in vielen seiner Anlagen sehr gute Ergebnisse erzielt. Es hat unter anderem den großen Vorteil, dass damit Höhenwerte weitestgehend unabhängig vom Aufdruck bestimmt werden können.
Zudem bieten die gewählten EXO-Modelle die Möglichkeit, bestimmte Informationen in den Kameras zu speichern. So können Systemintegratoren von Bildverarbeitungssystemen ihr Know-how beispielsweise über eine Customer-ID gegen nicht gewolltes Duplizieren schützen. „Die Kamera fungiert dann als Hardware-Dongle, der ein kundenspezifisches Passwort benötigt“, erklärt Christian Schaarschmidt von SVS-Vistek, der in-situ vertrieblich betreut und die Entwicklung der neuen DotScan-Generation in Bezug auf die eingesetzten Kameras und Optiken intensiv begleitet hat.
Für Söll und ihr Entwicklungs-Team war ein weiteres Argument für den Wechsel auf Kameras der EXO-Serie, dass wichtige Informationen wie metrische Kalibrierdaten in einem nicht flüchtigem RAM-Speicher in der Kamera hinterlegt und über eine Customer-ID geschützt werden können. Dazu werden die Kameras von SVS-Vistek mit einer kundenspezifischen Firmware programmiert und bereits fertig konfiguriert an ihre Kunden geliefert. „Auf diese Weise können Integratoren solche Daten jederzeit wieder abrufen. Zudem wird kein externes Device mehr für das Speichern von Konfigurationsdaten benötigt, was die Komplexität der in-situ-Geräte reduziert und eine schnellere Einrichtung beim Endanwender ermöglicht“, unterstreicht Schaarschmidt.
Höhentoleranz 0,02 mm
Die hohe Bit-Tiefe von 12 Bit sowie die für diese Anwendung leicht ausreichende Auflösung der gewählten EXO-Kameramodelle waren weitere Gründe für in-situ, SVS-Vistek als Lieferanten für die Kameras und Optiken in den DotScan-Systemen zu vertrauen, zumal auch die technisch optimalen Objektive für die kleinen Sensor-Pixel dieser Kameras direkt von SVS-Vistek bezogen werden konnten. Neben den rein technischen Merkmalen der Kameras ist jedoch noch ein anderes wichtiges Thema ausschlaggebend für die Zufriedenheit bezüglich der Zusammenarbeit mit SVS-Vistek, so Söll: „Selbst in der zuletzt sehr angespannten Liefersituation in vielen Bereichen haben wir die erforderlichen Kameras und Objektive zuverlässig von SVS-Vistek erhalten und konnten dadurch auch die Zeitpläne gegenüber unseren Kunden einhalten. Dies ist derzeit nicht selbstverständlich und hat uns gezeigt, dass wir uns für den richtigen Lieferanten entschieden haben.“
Mit dem gewählten Bildverarbeitungssetup und der damit realisierten Shape-from-Shading-Technologie sind die DotScan-Systeme in der Lage, die geprägten Braille-Beschriftungen mit extremer Genauigkeit und Sicherheit bei Geschwindigkeiten von weniger als 1,5 Sekunden pro Packung zu verifizieren, freut sich in-situ-Geschäftsführerin Söll. „Bei einer Toleranz der Höhenprüfung von nur ± 0,02 mm erkennt DotScan vorhandene Fehler durch den Vergleich zu einer Referenz-Punktanordnung absolut zuverlässig und trägt auf diese Weise dazu bei, dass die Einnahme der korrekten Medikamente auch für sehbehinderte Menschen sicher möglich ist.“
Nach aktuellem Stand setzen deutsche Pharma-Konzerne und weltweit agierende Verpackungskonzerne rund 200 DotScan-Systeme zur Prüfung von Braille-Schriften in mehr als 30 Braille-Sprachen auf Medikamentenverpackungen ein. Es sieht sehr danach aus, dass diese Zahl durch die mit den EXO-Kameras von SVS-Vistek ausgerüsteten Anlagen der neuen Generation noch weiter steigen wird.
DotScan-Varianten:
Die DotScan-Systeme von in-situ sind in drei unterschiedlichen Ausführungen erhältlich:
- Das Blindenschrift-Inspektionssystem DotScan Cube bietet den vollen Funktionsumfang mit integrierter DotScan 3D-Inspektionstechnologie für Produktionsumgebungen, Qualitäts-Labore und Wareneingangskontrollen.
- Der DotScan Braille PDF Reader ist eine Softwarelösung zum dokumentierten Prüfen von Braille-Inhalt in PDF-Dateien. Sie findet vor allem in der Druckvorstufe Anwendung, wenn es darum geht, eingehende Referenz-PDF-Dateien auf korrekten Inhalt zu prüfen, oder den Inhalt zweier Braille-Texte in PDF-Dateien zu vergleichen. Alle Prüfvorgänge sind dabei zur Unterstützung des Qualitätswesens dokumentierbar.
- DotScan Braille Books ist der erste High-Speed Scanner für Braille-Bücher. Er erlaubt in kürzester Zeit eine Prüfung von Braille-Büchern und Braille-Magazinen auf korrekte Prägungen. Auch das Einscannen und Übersetzen unbekannter Braille-Texte in ein elektronisches Braille-Format ist damit möglich.
Über in-situ:
Die in-situ GmbH entstand 2001 in Sauerlach bei München als Spin-Off der 1987 gegründeten vidisys GmbH, die Hardware-Entwicklungen im Bereich der digitalen Videotechnik durchführt. Kernkompetenz des Unternehmens ist die digitale Bildverarbeitung mit industriellen, medizinischen und wissenschaftlichen Applikationen mit einem Fokus auf die 2D- und 3D-Messtechnik. in-situ begleitet seine Kunden in diesen Bereichen mit dem kompletten für die Bildanalyse benötigten Produktspektrum und konzeptioniert, entwickelt und realisiert schlüsselfertige kundenspezifische Lösungen und Komplettsysteme. Zudem liefert in-situ Komponenten an OEMs und Endkunden. Seit 2016 ist in-situ Tochter der schweizerischen MIKROP und damit Teil der Mittelstandsholding INDUS.