Herr Schilling erweiterte den klassischen Entwicklungsprozess, welcher nun von vornherein auch ökologische Produktanforderungen integriert. Indem seine Diplomarbeit das bei weitem nicht ausgeschöpfte Potential einer frühzeitigen Betrachtung ökologischer Aspekte innerhalb der Entwicklungskette aufzeigt, leistet sie einen wesentlichen Beitrag im Bereich des Neutralleichtbaus. Darüber hinaus kann sie als Basis für weiterführende Forschung im Bereich nachhaltigkeitsorientierter Entwicklungsprozesse dienen und somit künftig zur allgemeinen Verbesserung der Umweltverträglichkeit von Produkten beitragen.
Als Forschungsgrundlage diente Herrn Schilling der etablierte konstruktive Entwicklungsprozess gemäß der VDI-Richtlinie 2221, welcher sich jedoch auf die Umsetzung klassischer, d.h. technischer und ökonomischer, Produktanforderungen beschränkt. Eine sog. Ökobilanz erlaubt es zwar, die ökologischen Produkteigenschaften zu quantifizieren und entsprechende Handlungsempfehlungen für die Produkte abzuleiten, wird allerdings aufgrund der erforderlichen, hohen System-kenntnis üblicherweise erst am bestehenden Produktsystem durchgeführt. Ökologische Potentiale lassen sich infolgedessen meist nur durch aufwendige Systemveränderungen oder im Rahmen von weiteren Entwicklungszyklen erschließen. Der von Herrn Schilling konzipierte nachhaltigkeitsorientierte Entwicklungsprozess (NEP) ermöglicht es dagegen, die ökologischen Entscheidungsbewertungen frühzeitig, nämlich bereits während das Produkt konzipiert wird, durchzuführen. Eine ökologische Bewertung innerhalb der Produktentwicklung selbst, wie sie Herr Schilling vorschlägt, wird den steigenden Ansprüchen hinsichtlich der Entwicklungsdauer und -kosten sowie der Produktkomplexität und -qualität besser gerecht als die nachgelagerte Ökobilanz.
Den erarbeiteten Prozess durfte Herr Schilling im Rahmen des Projektes PEP4.0 („Entwicklung eines hocheffizienten verknüpften Produktentstehungsprozesses (PEP) für hybride Leichtbaustrukturen im Kontext von Industrie 4.0“) von Prof. Dr.-Ing. Maik Gude und Dr.-Ing. Sebastian Spitzer anwenden. Gemeinsam mit Rolls-Royce Deutschland Ltd. & Co.KG wurde untersucht, welche ökologischen Vorteile der Einsatz von Faser-Kunststoff-Verbunden (FKV) in Triebwerkgehäusen gegenüber den üblicherweise verwendeten Leichtmetallen hat. Es zeigte sich, dass der Einsatz von FKV innerhalb der Luftfahrt aus ökologischer Sicht tatsächlich gerechtfertigt ist: Der durch die Nutzung von FKV erhöhte Leichtbaugrad reduziert signifikant die entstehenden Emissionen in der kritischen Nutzungsphase des Bauteils und verbessert somit die Nachhaltigkeit der Triebwerkstruktur über den gesamten Lebenszyklus.
Die Auszeichnung dieser Arbeit mit dem Oechsler-Preis 2021 würdigt nicht nur die Forschung von Herrn Schilling zu Entwicklungsmethoden für Kunststoffbauteile. Sie unterstreicht zudem die Aktivitäten am ILK, den Blick auf die Umweltverträglichkeit in diesem Forschungsgebiet zu lenken.