Inspiriert durch den erfolgreichen Online-Wahlkampf 2008 von US-Präsident Barack Obama zieht es weltweit immer mehr Politiker in Social Media. Sie gelten als neues Wundermittel der politischen Öffentlichkeitsarbeit, um in einen Dialog mit Bürgern zu treten und insbesondere junge Wähler zu erreichen. Dieser Trend macht auch vor den EU-Parlamentariern nicht halt. Eine ländervergleichende Studie der TU Ilmenau weist aber nach, dass die meisten der 736 Abgeordneten des Europäischen Parlaments Social Media noch nicht aktiv in ihrer Öffentlichkeitsarbeit einsetzen.
Die Studie unter Leitung der Kommunikationswissenschaftlerin Karoline Schultz analysiert die persönliche Website, alle öffentlich zugänglichen Facebook-Seiten, Twitter-Profile, Youtube- und Flickr-Kanäle sowie Blogs der Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Am häufigsten nutzen EU-Parlamentarier klassische Online-Kanäle wie eine persönliche Website (74 Prozent). Der meistgenutzte Social Media-Kanal ist mit über 60 Prozent Facebook. Blogs und Microblogs wie Twitter werden aufgrund der geringeren Beliebtheit bei den Bürgern deutlich weniger eingesetzt (30 bzw. 40 Prozent). Aufwändigere Formen wie das Videoportal Youtube nutzen nur knapp 30 Prozent der EU-Abgeordneten.
Besonders Politiker der großen Fraktionen wie der konservativen EVP, der sozialdemokratischen SPE und der liberalen ALDE nutzen Social Media. Spitzenreiter sind aber die Abgeordneten der grünen Fraktion (Grüne/EFA): 92 Prozent nutzen soziale Netwerke. Zudem gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern. 95 Prozent der Parlamentarier aus Schweden und Finnland nutzen mindestens einen Social Media-Kanal, west- und osteuropäische EU-Parlamentarier liegen mit 80 Prozent knapp und südeuropäische mit 52 Prozent weit abgeschlagen dahinter. Vor allem jüngere Abgeordnete besitzen Profile in Social Media (89 Prozent).
Obwohl ein Großteil der Parlamentarier eine Facebook-Seite hat, kommunizieren die meisten nicht aktiv mit den Nutzern. Auf Nutzerkommentare reagieren nur wenige (7 Prozent) und es kommt selten vor, dass Politiker Nutzer durch Fragen oder Mitmachappelle zum Schreiben von Kommentaren auffordern. Dabei zeichnen gerade Dialog und Austausch Social Media aus. Viele Facebook-Seiten sind zudem nicht aktuell. Es scheint, als hätten die EU-Parlamentarier noch keine Strategie entwickelt, die neuen Potenziale zu nutzen.
Das Fachgebiet für Public Relations & Technikkommunikation unter der Leitung von Professor Wolfgang Schweiger führt derzeit eine Reihe von Studien zu den Veränderungen durch, die soziale Medien im Internet für PR, Werbung und politische Kommunikation mit sich bringen.