Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität Ilmenau und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie Jena statteten Flora Incognita mit einer verbesserten technologischen Basis aus selbstlernenden, tiefen neuronalen Netzen aus. Prof. Patrick Mäder, Leiter des Fachgebiets Datenintensive Systeme und Visualisierung und Projektleiter von Flora Incognita an der TU Ilmenau, und das Forscherteam aus Jena haben in den letzten Monaten große Anstrengungen unternommen, für diese Netze innovative Machine-Learning-Trainingsmethoden zu entwickeln: „Wir haben sie gleich für die Flora-Incognita-App angewendet und so konnten in unserem Rechenzentrum an der TU Ilmenau Millionen Bilder von Pflanzen weltweit verarbeitet werden. Mit den richtigen Bildern sind die neuen Netze jetzt in der Lage, viele Pflanzenarten mit einer Genauigkeit von nahezu 100 Prozent zu klassifizieren“.
Für die neue App-Version wurden außerdem die Benutzerfreundlichkeit und die Barrierefreiheit verbessert. So können Pflanzenfunde jetzt auch ohne Netzempfang angelegt und später automatisch bestimmt werden. Außerdem wurde ein neues spieltypisches Element eingeführt: Nutzerinnen und Nutzer können für das Dokumentieren bestimmter Pflanzengruppen Abzeichen sammeln. So haben sie nicht nur selbst über einen langen Zeitraum Freude am Pflanzensammeln, sie stärken auch das Bewusstsein für Artenvielfalt in ihrem Umfeld. Gleichzeitig bietet die App damit einen Anreiz, auch schon bekannte Arten oder andere Pflanzengruppen zu dokumentieren, was den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wichtige Daten liefert.
Neu ist auch die Möglichkeit, Flora Incognita zur Durchführung von Citizen-Science-Projekten nutzen zu können. So können auch Laien die Verbreitung bestimmter invasiver Arten in einer Region nachvollziehen, besondere Bäume kartieren oder die Vielfalt von Pflanzenarten zum Beispiel auf Schulgeländen dokumentieren. Die anonymisierten Beobachtungsdaten solcher Initiativen erhalten die Projektverantwortlichen regelmäßig zur wissenschaftlichen und naturschutzfachlichen Auswertung.
Aber nicht nur die Technik der Flora-Incognita-App ist besser geworden. Auch die Datengrundlage und die hinterlegten Informationen wurden erweitert. Dazu haben auch Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, also interessierte Laien, beigetragen. Mit der speziell für das wissenschaftliche Dokumentieren von Pflanzen entwickelten „Flora Capture“-App wurden bereits Tausende Aufnahmen aus bestimmten Perspektiven übermittelt, die zu einer deutlichen Verbesserung der Bestimmungsgenauigkeit der deutschen Flora, insbesondere kritischer Pflanzengruppen wie Süßgräsern, beigetragen haben. Studierende der Fachhochschule Erfurt beteiligten sich bei der Aufnahme tausender Bäume, sodass eine Bestimmung nun auch im Winter anhand von Knospenbildern möglich ist. Weitere bedeutsame Datengrundlagen für die Erweiterung der bestimmbaren Arten lieferten die Autoren des Werks „African Plants – A Photo Guide“, und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hochschule Geisenheim und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden.
Co-Projektleiterin Dr. Jana Wäldchen vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena kündigte an, dass in den nächsten Monaten das Informationsangebot in der App weiter ausgebaut werden soll: „Wir planen, die Pflanzensteckbriefe mit weiteren spannenden Fakten zu ergänzen. Wir denken da beispielweise an Angaben, wie bestäuberfreundlich eine Art ist, oder ob sie invasiv ist. Damit möchten wir unseren Nutzerinnen und Nutzern nach der Bestimmung praktisches Pflanzenwissen mitgeben.“ Deutschlands beliebteste Pflanzenbestimmungsapp wird auch an Schulen und Universitäten von Pädagoginnen und Pädagogen zur Unterstützung der Lehre eingesetzt. Da Schulgeräte selten über mobiles Internet verfügen, profitiert insbesondere diese Zielgruppe vom neuen Offline-Modus.
Über Flora Incognita
Die Flora-Incognita-App wurde als gemeinsames Projekt der Technischen Universität Ilmenau und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie Jena entwickelt. Es wurde von 2014 bis 2020 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und von 2014 bis 2019 durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie durch die Stiftung Naturschutz Thüringen finanziert. Das Flora-Incognita-Projekt war ein Forschungsvorhaben zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt.
Auch das Folgeprojekt „Flora Incognita++“ ist ein gemeinsames Projekt der Technischen Universität Ilmenau und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie Jena. Es wird durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie durch das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz gefördert.