Die vier Wirtschaftswissenschaftler nahmen sich die Haushaltzahlen und makroökonomische Daten aller EU-Staaten aus den Jahren 1999 bis 2009 vor. Für jedes einzelne Land analysierten sie 156 verschiedene Zahlenwerte wie Schuldenstand, Bruttoinvestitionen und Gesamtausgaben des Staates. Sie taten dies nach dem so genannten "Benfordschen Gesetz" von 1938. Es besagt, dass Zahlen in beliebigen Datensätzen - egal ob bei Firmenbilanzen, bei Sparguthaben oder bei Flusslängen - in einer scheinbar banalen Regelhaftigkeit auftreten: Die Zahlen beginnen häufiger mit kleinen Ziffern, also 1, 2, 3, als mit großen, 7, 8, 9. Die 1 steht am Anfang von gut 30 Prozent aller Zahlen, die 2 taucht schon nur noch in gut 17 Prozent der Fälle auf und die 9 nur bei weniger als fünf Prozent.
Gleichzeitig gilt: Wenn jemand Zahlen fälscht, kommt es regelmäßig zu einer Abweichung von der Benford-Verteilung. Für die Untersuchung der Haushaltzahlen der EU-Staaten heißt das: Je stärker die Anfangsziffern von der Benford-Verteilung abweichen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das betreffende Land keine realen Zahlen angegeben, sondern Manipulationen vorgenommen hat. Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Griechenland landete auf dem letzten Platz. Bei keinem der untersuchten Euro-Länder wichen die Anfangsziffern so stark von der Benford-Verteilung ab wie bei Griechenland. Damit liegt der Verdacht auf "kreative Buchführung" nahe. Prof. Gernot Brähler: "Da Griechenland von der europäischen Statistikbehörde Eurostat bereits der Manipulation seiner volkswirtschaftlichen Daten überführt worden ist, sehen wir dieses Ergebnis als Bestätigung der Effektivität des Benford-Tests." Nur knapp besser als Schlusslicht Griechenland lag Belgien - ein Indikator dafür, dass die Zahlen des Landes mit einem hohen Schuldenstand ebenfalls nicht der tatsächlichen Situation entsprechen. Das Wissenschaftlerteam empfiehlt daher, dass auch die Daten Belgiens einer genaueren Prüfung unterzogen werden sollten. Neben Griechenland und Belgien schnitt übrigens auch Österreich schlecht ab. Nachdem potenzielle "Täter" nun gewarnt sind, könnten sie die Kenntnisse um das Benfordsche Gesetz nutzen, um die Daten so zu manipulieren, dass die Methode eben nicht anschlägt. Diese Gefahr schätzt Prof. Brähler als verschwindend gering ein: "Ich glaube, dass das Prüfungsverfahren sicher ist. "Die Robustheit des Benford-Testes hat sich bereits bei Experimenten anderer Wissenschaftler gezeigt."
Wenn sich am Benfordschen Gesetz die Wahrscheinlichkeit des Schummelns ablesen lässt, gilt auch der Umkehrschluss: Entsprechen die Anfangsziffern der Haushaltzahlen der im Gesetz unterstellten Regelhaftigkeit, kann von "echten" Zahlen ausgegangen werden. In der Rangliste aller EU-Staaten wiesen die Niederlande und Polen die geringsten Abweichungen von der Benford-Verteilung auf. Sie scheinen also bei der Ausweisung ihrer volkswirtschaftlichen Daten ehrlich vorgegangen zu sein. Deutschland landete bei der Erhebung übrigens im Mittelfeld unter den 16 Euro-Staaten.
Der Internationale Währungsfonds IWF hat bereits bei den Wissenschaftlern Interesse an dem Prüfungsverfahren angemeldet. Und auch das Statistische Amt der Europäischen Union Eurostat denkt offenbar über die Anwendung des Benfordschen Gesetzes nach.
Autoren der Erhebung sind Prof. Gernot Brähler (TU Ilmenau), Prof. Max Göttsche (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt), PD Dr. Bernhard Rauch (Universität Regensburg) und M. Sc. Stefan Engel (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt).