Wenn es um das Design von Fahrzeug-Scheinwerfern geht, stehen Hersteller vor der Herausforderung, unter anderem Markenidentität, Ästhetik, Leistung und Sicherheit optimal miteinander zu vereinen. Gleichzeitig müssen Hersteller den Aspekt der Kostenoptimierung stets im Auge behalten, da die Wahl der Materialien, Komponenten und Herstellungsprozesse einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtkosten hat. Ein Blick auf die in der Automobilbranche gängigen Module zeigt, dass das Optimierungspotenzial längst nicht ausgeschöpft ist. Heutzutage kommen häufig Abblendlicht-Scheinwerfer mit Reflektoren aus einem BMC-Duromer (Bulk Moulding Compound) in Verbindung mit einem Aluminiumdruckguss-Kühlkörper zum Einsatz. Die Vorteile solcher Systeme liegen vor allem in einer guten und stabilen Lichtleistung, bedingt durch die äußerst geringe Wärmedehnung von Duromeren im aktiven Scheinwerferbetrieb. Der Nachteil ist jedoch eine aufwendige Produktion. So müssen beispielsweise Reflektor und Aluminium-Kühlkörper separat hergestellt und anschließend mit dem LED-Modul zu einer Einheit montiert werden. Ein weiterer Nachteil ist die bei der Verarbeitung von Duromeren in der Regel erforderliche Nacharbeit wie zum Beispiel das Entgraten und Reinigen der Teile, bevor sie in den nächsten Arbeitsschritt überführt werden können. „Diese Punkte haben wir aufgegriffen, um mit einem innovativem neuartigem Konzept Scheinwerferherstellern eine kosten- und gewichtsoptimierte thermoplastische Lösung anbieten zu können“, sagt Rainer Protte, Head of Advanced Injection Molding bei Covestro.
Am Beginn des Entwicklungsprozesses standen dabei zwei Kernfragen: Erstens, ist im Rahmen des Spritzgussverfahrens ein Hinterspritzen des LED-Moduls möglich, ohne die Funktionalität der LED zu beeinträchtigen? Zweitens, kann der Reflektor in einer entsprechenden Oberflächengüte und Präzision an den Kühlkörper angespritzt werden, sodass das Gesamtsystem am Ende die Anforderungen an ein Abblendlicht erfüllt? Eine weitere Herausforderung bestand darin, eine Lösung zu finden, die selbst unter hoher Wärmebelastung in ihrer Geometrie stabil bleibt. „In einem Vorgängerprojekt hatten wir in Form eines 1K-Reflektors eigens für diesen Zweck unser dimensionsstabiles Makrolon® DS entwickelt und nachgewiesen, dass wir hiermit grundsätzlich ein Abblendlicht realisieren können“, erklärt Protte. „Das neue 2K-Modul ist eine konsequente Weiterentwicklung mit einer weiteren Integrationsstufe – der Anbindung des Kühlkörpers aus unserem wärmeleitfähigen Makrolon® TC inklusive direkt integrierter LED.“
Dynamisches Thermomanagement für den Spritzguss
Konkret besteht diese Weiterentwicklung aus einem hochintegrativen Fertigungsverfahren zur Herstellung des Abblendlicht-Moduls, das nur aus einem Teil besteht und im Wesentlichen nur drei verschiedene Materialen benötigt: Covestro-Polycarbonate vom Typ Makrolon® TC und Makrolon® DS, LEDs und Aluminium für den erforderlichen Metallisierungsschritt. „Die Verbindung dieser beiden Polycarbonat-Typen ermöglicht die notwendige Formstabilität, da sie im Vergleich zu ungefülltem Polycarbonat über einen niedrigeren Wärmeausdehnungskoeffizienten und eine geringere Verarbeitungsschwindung verfügen“, erklärt Protte. Darüber hinaus entfallen durch das neue Verfahren die Herstellung einzelner Bauteile und die dafür erforderlichen Werkzeuge sowie Nachbearbeitungs- und Montageschritte. Lediglich zwei Fertigungsschritte sind notwendig: Ein Zwei-Komponenten-Spritzguss mit IME, also der Integration der LEDs während des Spritzgussprozesses, sowie die Metallisierung der Reflektoroberfläche, um dessen Reflexionseigenschaften zu verbessern. Das kann dank des neuen Konzepts ohne zusätzliche Oberflächenvorbereitung nach dem Spritzgießen erfolgen.
Damit das möglich ist, bedarf es einer optimal auf den Prozess abgestimmten Temperierung. „Mit dem Einsatz einer herkömmlichen Temperierlösung entsteht bei der Verwendung hochgefüllter Materialien, wie es hier beim Reflektor eingesetzt wurde, eine matte, unruhige Oberfläche, aufgrund des sich auf der Oberfläche abzeichnenden Füllstoffs“, sagt Protte. Hier kommt die dynamische Temperierlösung von technotrans ins Spiel, mit deren Hilfe die gewünschte glänzende, hochreflektive Oberfläche ermöglicht wird. Der Spritzgussprozess verläuft dabei in einer variothermen Fahrweise: Zunächst wird die Werkzeugkavität vor dem Einspritzten auf Glasübergangsniveau und höher aufgeheizt und dann das Material eingespritzt. Ist die Kavität vollständig mit dem Material gefüllt, erfolgt der Abkühlprozess auf die notwendig Entformungstemperatur, um das Formteil aus dem Werkzeug entnehmen zu können – anschließend beginnt der nächste Zyklus. Hierbei ist eine präzise Temperatursteuerung entscheidend, um eine konstant hohe Abbildgenauigkeit zu erreichen.
Innovation trifft auf Lösungskompetenz
technotrans entwickelte eine auf diesen Prozess und die damit verbundenen Anforderungen zugeschnittene Systemlösung mit einer werkzeugnahen Heißwassertemperierung. Durch den Einsatz einer hocheffizienten Energiespeicher- und Regeleinheit (ESR) bis 200 °C Vorlauftemperatur ermöglicht die technotrans-Lösung deutliche Energieeinsparungen gegenüber herkömmlichen Produkten. Die ESR speichert die im Zuge des Kühl- und Heizzyklus wechselnde Wärmemenge und gibt sie beim Umschalten des Temperaturniveaus wieder in den Prozess zurück. Das ist jedoch nicht die einzige Komponente für mehr Energieeffizienz, erklärt Carsten Schmidt, Sales Manager Temperature Control der technotrans solutions GmbH: „Durch die ESR und den Einsatz drehzahlgeregelter Pumpen mit Effizienzmodul (PEM) ist es gelungen, den energieintensiven variothermen Prozess als Ganzes effizienter zu gestalten. Unser System arbeitet jederzeit mit dem geringstmöglichen Energieaufwand.“ Um ein hohes Maß an Bedienkomfort und Flexibilität sicherzustellen, stattete technotrans die Temperierlösung außerdem mit einem 7-Zoll-Multitouch-Display und SPS-Steuerung aus, die die Möglichkeit zur Programmierung von variothermen Prozesskurven bietet.
Der Thermomanagement-Spezialist zeichnet sich nicht nur für die dynamische Temperierung verantwortlich, sondern auch für die restliche Temperierung des Stammwerkzeuges. Hier arbeiten zwei Geräte der technotrans eco.line-Baureihe – eine der energieeffizientesten Lösungen am Markt. Diese sind in Kombination mit dem steuerungsintegrierten Mehrfachverteilsystem itd evo im Einsatz und ebenfalls mit drehzahlgeregelten Pumpen ausgestattet. „Effektives Thermomanagement muss immer ganzheitlich gedacht werden, um größtmögliche Prozessstabilität, Präzision und Effizienz zu erreichen“, betont Schmidt. Damit leistet das Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Herstellung des Abblendlicht-Moduls, das nicht nur aus weniger Teilen besteht, sondern auch im Vergleich zu herkömmlichen Einheiten rund 40 Prozent leichter ist.
Gemeinschaftsprojekt auf Augenhöhe
Einer der Erfolgsfaktoren des Projekts war die enge und vertraute Zusammenarbeit der Unternehmen. „Wir arbeiten bereits seit mehreren Jahren mit technotrans zusammen und schätzen insbesondere die gemeinsame Entwicklung, bei der das Unternehmen seine technologische Lösungskompetenz stets zielgerichtet einbringt“, sagt Protte. Die Vorstellung des 2K-Spritzgussverfahrens auf dem technotrans-Messestand der K 2022 hat nicht nur die gute Zusammenarbeit untermauert, sondern auch die Rolle von technotrans als starkem Partner im Bereich des Thermomanagements einmal mehr verdeutlicht, meint Schmidt. „Nach bereits mehreren gemeinsamen Projekten war dieses innovative Konzept ein echtes Highlight. Wir konnten unsere Expertise und langjährige Erfahrung voll ausspielen und dazu beitragen, einen Teil der Automobilfertigung von morgen mitzugestalten.“