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Bio - logisch oder was?

(PresseBox) (Ilsfeld-Auenstein, )
Wenn es um Spielzeug und Ausstattung für Babys und Kinder geht, greifen Verbraucher gerne zu nachhaltigen und/oder Bioprodukten. Viele Hersteller sind daher auf der Suche nach Biokunststoffen. Doch der Ersatz erdölbasierter Werkstoffe gestaltet sich nicht immer einfach. Und dies liegt nicht immer an den Werkstoffeigenschaften.

"Die Spielwarenbranche schreit nach Biokunststoffen. Für sie ist das Thema Nachhaltigkeit von großer Bedeutung, deshalb gehört sie ganz klar zu den Vorreitern", sagt Jürgen Pfitzer, Geschäftsführer der Tecnaro GmbH mit Sitz in Ilsfeld bei Heilbronn. Das Unternehmen gehört nach eigenen Aussagen zu den Pionieren im Bereich Biopolymere aus nachwachsenden Rohstoffen und hat mit Haba und Schleich zwei prominente Kunden aus der Spielwarenbranche. Tecnaro kann laut Pfitzer mittlerweile eine große Bandbreite an biobasierten Standardwerkstoffen als Ersatz für traditionelle Kunststoffe anbieten, die auch nach DIN EN 71, der Norm für Spielzeugsicherheit, zertifiziert sind. Sie alle lassen sich auf Standardspritzgieß-, Extrusions- oder Blasformmaschinen einsetzen. Darauf habe man von Anfang an geachtet.

Sollte sich kein passender Werkstoff in der insgesamt 3.000 Produkte umfassenden Datenbank finden, entwickelt Tecnaro auch gemeinsam mit dem Kunden einen Biokunststoff, der den Anforderungen an das entsprechende Produkt entspricht.

Bio-TPV für Hart-Weich-Verbindungen

Gemeinsam mit dem Spielfigurenhersteller Schleich, Schwäbisch Gmünd, und dem SKZ, Würzburg, hat Tecnaro beispielsweise jüngst im Projekt Bio-TPV eine neue Materialklasse thermoplastischer Vulkanisate (TPV) entwickelt, die zu knapp 90% aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Dies hat nicht nur Vorteile für die Umwelt, sondern auch für die Produktion: Aufgrund des Materials sind sie deutlich polarer, so dass Kunststoffverarbeiter damit nun auch Hart-Weich-Verbunde vollständig aus Biokunststoff fertigen können. Nach Darstellung des SKZ ist die Einstellung der Härte beim Bio-TPV gut möglich. Es verfügt über eine angenehme Haptik, lässt sich gut bedrucken oder lackieren. Allerdings ist es empfindlich gegen Scherung und Temperatur.

"Es handelt sich immer um einen komplett neuen Werkstoff mit eigenem Schrumpfverhalten oder anderen Eigenschaften. Traditionelle Kunststoffe lassen sich daher nicht eins zu eins durch Biokunststoffe ersetzen", stellt Pfitzer klar. Deshalb kommen die Tecnaro-Werkstoffe auch eher für neue denn für etablierte Produkte zum Einsatz. "In vielen Bereichen sind Biokunststoffe aber den etablierten sogar überlegen, beispielsweise bei diversen ABS-Typen", betont Pfitzer.

Kleine, feine Anwendungen

Große ABS-Verarbeiter aus der Spielwarenbranche wie beispielsweise Lego und Playmobil haben diese allerdings (noch) nicht in der Serie im Einsatz. "Wir bedienen in der Spielwarenbranche in der Tat heute tendenziell eher kleinere Anwendungen mit weniger großen Stückzahlen", räumt der Tecnaro-Geschäftsführer ein. "Dass wir in diese Branche noch nicht die großen Mengen liefern, liegt aber oftmals nicht am Werkstoff und seiner Verarbeitbarkeit, sondern an anderen Gründen wie etwa den Großmengenpreisen. Wenn ein Verarbeiter eine große Menge Polyamid im Jahr bei einem großen Werkstoffhersteller kauft, vereinbart er mit diesem einen bestimmten Preis. Diese Konditionen kann er aber nicht mehr realisieren, wenn er einen Teil davon durch einen Biowerkstoff von uns ersetzt."

Dass Biowerkstoffe generell mehr kosten als ihre erdölbasierten Pendants, ist laut Pfitzer "zu vernachlässigen, wenn man sich den gesamten Lebenszyklus eines Produkts anschaut. Unsere Biokunststoffe sind zwar etwa zehn Prozent teurer, aber wir können den Kunden sehr oft eine bessere Verarbeitbarkeit und damit kürzere Zykluszeiten garantieren, so dass es sich für ihn wirtschaftlich rechnet".

So mancher Verarbeiter schwenke hingegen nicht auf Biokunststoffe um, da er das von ihnen genutzte Polyamid rezykliere und anschließend am Markt verkaufe. "Bei solchen Argumenten kämpfen wir gegen Windmühlen", so Pfitzer.

Allerdings stellt er in Gesprächen immer wieder fest, dass "viele Verarbeiter nicht wissen, dass Biokunststoffe es technisch und preislich mit etablierten Kunststoffen aufnehmen können". Auch gebe es nach wie vor Vorbehalte hinsichtlich möglicher Qualitätsschwankungen bei den nachwachsenden Werkstoffen - etwa durch sehr trockene oder nasse Wetterperioden. "Dies haben wir alles gut im Griff, Qualitätsschwankungen von einer Charge zur nächsten gibt es nicht", beteuert er.

Auch müsse niemand Sorge haben, dass sich ein abbaubarer Kunststoff schneller abbaue als gewünscht - oder dass man bei Biokunststoffen auf brillante Farben verzichten muss. Gerade in der Spielwarenbranche ist dies ein wichtiger Verkaufsfaktor. Pfitzer: "Wir arbeiten mit Masterbatchherstellern zusammen, die synthetische oder mineralische Farben auf unserer Arboblend-Basis anbieten. Wichtig ist, dass diese gezielt dafür hergestellt sind, ansonsten gibt es leicht mal Schlieren. Ein Kunde aus dem Büroartikelbereich berichtet uns, dass er heute mit diesen Produkten eine bessere Farbbrillanz erzielt als früher."

Dass Biokunststoffe über neue Eigenschaften verfügen und damit auch Herausforderungen für die Verarbeiter bergen, gibt Pfitzer unumwunden zu: "Doch gibt es solche Herausforderungen mehr oder weniger bei jedem Werkstoffwechsel."

Was die Einführung einer neuen Produktserie auf Biokunststoffbasis konkret bedeutet hat, macht das Beispiel Rotho Babydesign, Görwihl, deutlich: Das Unternehmen, Kunde von Tecnaro, hat 2012 die weltweit erste Biobadserie für Babys und Kleinkinder auf den Markt gebracht: eine Babybadewanne, ein Töpfchen und ein WC-Sitz gehören dazu.

Zu 100% abbaubar

Der Werkstoff besteht zu 95% aus natürlichen Rohstoffen. Davon sind mehr als 70% Zucker aus nachwachsenden Pflanzen. Weitere 20% setzen sich aus verschiedenen Mineralien zusammen. Der verbleibende Rest ist ein fossilbasierter Werkstoff, der sich wie alle Bestandteile des innovativen Materials zu 100% im Erdreich rückstandsfrei abbaut. Silvia Emge, Leiterin Marketing, erklärt: "Immer mehr Eltern legen Wert auf nachhaltig angelegte Produkte. Wir bieten sie in einem Bereich an, in dem es für Eltern bislang keine Wahl gibt. Durch die weltweit erst Biobabybadeserie dürfen Eltern sicher sein, nachhaltige Produkte von hoher Qualität erworben zu haben: Unsere Linie wird in Deutschland produziert, ist ressourcenschonend und biologisch abbaubar und vor allem: Sie ist bezahlbar." Die Artikel kosten zwischen 20 und 40 EUR.

Insgesamt hat der Entwicklungsprozess bei Rotho Babydesign fast drei Jahre gedauert. "Die Entwicklung war sehr aufwendig. Die große Herausforderung bestand darin, die positiven Werkstoffeigenschaften des Biokunststoffs mit den funktionalen Anforderungen an die Produkte bezüglich Festigkeit, Lichtunempfindlichkeit, Wasser- und Urinverträglichkeit abzustimmen. Kein Kunde sollte auf die gewohnte Qualität von Rotho Babydesign verzichten", betont Emge.

Der Absatz der Biobadepflegelinie habe sich seit der Markteinführung positiv entwickelt. Im Herbst vergangenen Jahres wurde die Linie in einem neuen Look mit einem bunten Aufdruck präsentiert, "weil bio nicht mehr zwangsläufig nach bio und damit sehr zurückhaltend aussehen muss, sondern durchaus attraktiv und schön aussehen darf", so Emge.

Tecnaro baut Kapazitäten aus

Der Name Tecnaro ist die Abkürzung für "Technologie nachwachsender Rohstoffe". Das 1998 gegründete Unternehmen beschäftigt aktuell 30 Mitarbeiter in Ilsfeld-Auenstein in der Nähe von Heilbronn. Mitte 2015 steht ein Umzug an: Anfang Dezember 2014 erfolgte der Spatenstich für einen neuen Firmensitz in Ilsfeld. 5 Mio. EUR investiert Tecnaro in das neue Gebäude mit rund 2.500 m² Fläche. Davon entfallen auf Produktion und Lager 1.600 m², das Labor wird 300 m² groß sein. Derzeit hat Tecnaro eine Jahresproduktion von 10.000 t, das neue Gebäude bietet laut Geschäftsführer Jürgen Pfitzer Potenzial für bis 50.000 jato. Damit ist nicht zuletzt auch die Massenproduktion für die Spielwarenbranche möglich.

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