Beim vernetzten Auto treffen zwei Industrien aufeinander: die IT- und die Automobilindustrie. Um eine möglichst reibungslose Verschmelzung hinzubekommen, werden Allianzen wie etwa Genivi – eine Kooperation der Unterhaltungs- und Automobilindustrie – oder jüngst die Open Automotive Alliance (Konsortium aus Google, Automobil- und Chipherstellern) gebildet. Ziel dieser Zusammenschlüsse: eine möglichst intelligente Integration der IT-Technologien in das vernetzte Fahrzeug. Für die beteiligten Unternehmen ein wichtiges Feld, denn schon heute ist klar, das vernetzte Auto spielt in den Geschäftsmodellen der einzelnen Firmen eine wichtige Rolle. Das Auto ist derzeit mehr oder weniger noch der einzige Ort, an dem das Internet – mit seiner Fülle an Businessmodellen – noch keine Bedeutung hat. Folglich steht fest: Mit Hilfe der Daten, die künftig aus dem und in das Auto strömen, lassen sich völlig neue Umsatzpotenziale erschließen.
Der Kunde als wesentlicher Akteur
Für Google beispielsweise ist es von strategischer Bedeutung, sich die Möglichkeit zu eröffnen, durch eine Ausweitung von Android ins Auto weitere Datenquellen zu erschließen. Die Autobauer wiederum sehen es aber als Notwendigkeit, darauf zu achten, die Fahrzeug- und Kundendaten zu behalten, um damit neue Potenziale zu heben. Sei es in Form von neuen Versicherungsmodellen oder speziellen Leasing- oder Wartungsverträgen.
Der wesentliche Akteur, der bei diesen ganzen Planspielen gerne als Nebendarsteller betrachtet wird, ist der Kunde. Und genau an dieser Stelle könnte sich die Spannung entladen. Denn die Daten, die von einem Fahrzeug versendet werden und Rückschlüsse auf den Fahrer oder Halter und sein Verhalten zulassen, sollten einer klaren Rechtsprechung unterliegen. Doch da hakt es. Datenschutz ist beispielsweise nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland ein Grundrecht (Recht auf informationelle Selbstbestimmung). Danach kann der Betroffene (zum Beispiel der Fahrzeughalter) grundsätzlich selbst darüber entscheiden, wem er welche persönlichen Informationen bekannt gibt. „Das vernetzte Fahrzeug ist diesbezüglich noch ein datenschutzrechtliches Minenfeld“, sagt Raimund Wagner, Geschäftsführer der AMV Networks GmbH, ein Unternehmen, das auf Datentransfer und Datenschutz in der Automobilindustrie spezialisiert ist. Wagner weiter: „Die Automobilindustrie muss es von Anfang an besser machen als die Internetbranche in der Online-Welt oder auch die Telekommunikationsbranche in der Handy-Welt.“
Erfahrung Gruppenfreistellungsverordnung
Die derzeit intensiv geführte Diskussion zum Thema „Wem gehören die Daten?“ erinnert verblüffend stark an die sehr hart geführten Gespräche zur Gruppenfreistellungsverordnung (GVO). Zum Hintergrund: In dieser Kfz-GVO finden sich Bestimmungen, die den Kfz-Anschlussmarkt („Aftersales“) betreffen, und somit wiederum Bedingungen, unter denen die beteiligten Unternehmen Kraftfahrzeugersatzteile beziehen, verkaufen beziehungsweise weiterverkaufen oder auch Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Kraftfahrzeuge erbringen dürfen. Die Regeln gelten für Vereinbarungen zwischen Herstellern und Importeuren von Neufahrzeugen auf der einen sowie Händlern, Werkstätten und Ersatzteilanbietern auf der anderen Seite. Zielsetzung der Kommission war es, dadurch den Wettbewerb im Servicebereich zu stärken, weil der Zugang zu erforderlichen Reparaturinformationen und die Verwendung alternativer Ersatzteile erleichtert werden. Auf der Grundlage dieser Regeln ging die Kommission wirksam gegen Hersteller und Importeure vor, die verlangten, dass Kraftfahrzeuge nur in den von ihnen zugelassenen Werkstätten gewartet werden und damit ihrer Gewährleistungspflicht nicht ordnungsgemäß nachkommen. Ergo: Die Hersteller konnten das Thema nicht exklusiv an sich ziehen und die Rechte anderer unberücksichtigt lassen.
Strategische Entscheidung
Transferieren wir das auf den Datenschutz und den Schutz von Persönlichkeitsrechten, so wird klar: Nicht das Ansinnen der Hersteller genießt höchste Priorität. Vielmehr sind es die Interessen des Fahrzeughalters. Er muss jederzeit überprüfen können, welche Art von Fahrzeugdaten an wen im Zusammenhang mit den von ihm in Anspruch genommenen Services und Dienstleistungsangeboten übermittelt werden. Der Privat-Fahrzeughalter entscheidet letztlich also, ob alle seine Fahrzeugdaten anonym bleiben sollen oder ob er zur Inanspruchnahme von Mobilitätsdiensten entsprechende Nutzungsberechtigungen vergibt. Und nicht der Automobilhersteller.
Spätestens mit der verpflichtenden Einführung des eCalls für Neufahrzeuge sind diese Fahrzeuge vernetzt. Der Schutz der Privatsphäre muss bis zu diesem Zeitpunkt durch einheitliche Sicherheitsvorkehrungen und Standards gewährleistet werden. Dieser Schutz soll und muss Missbrauch verhindern. Es sollte selbstverständlich sein, dass die Ablaufprozesse für die Verkehrsteilnehmer transparent sind und gemäß den beschlossenen europäischen Datenschutzbestimmungen erfolgen. Die Europäische Kommission hat mit dem von ihr initiierten European Privacy Seal ein Instrumentarium geschaffen, das gerade im Automobilsektor für die Lösung von Security-&-Privacy-Aspekten geeignet ist. Das European Privacy Seal verfolgt die Einhaltung der europäischen Datenschutzbestimmungen (European Data Protection Directive / Directive 95/46/EC) und stellt somit für alle Beteiligten im vernetzten Auto den wesentlichen Nachweis für eine korrekte Vorgehensweise dar. Der zertifizierte Datenschutz beim vernetzten Auto sollte die richtige strategische Entscheidung für die Autobranche sein.
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