Dass die Holzbaubranche vor enormen Herausforderungen steht, die von den Unternehmen und ihren Verbänden nur gemeinsam bewältigt werden können, hob DHV-Präsident Erwin Taglieber gleich zu Beginn der Tagung hervor. Er machte keinen Hehl daraus, dass er eine angemessene Wahrnehmung und Würdigung des modernen Holzbaus in seinen vielfältigen Erscheinungsformen durch die Bundespolitik vermisst. "Dass wir im Bundestag ebenso wie im EU-Parlament kaum wahrgenommen werden, ist ein Wachstumshindernis ersten Ranges. Daran müssen wir mit vereinten Kräften etwas ändern. Denn ohne überzeugende Lobby, die unsere berechtigten Interessen in die parlamentarischen Beratungen und Gesetzgebungsverfahren einfließen lässt, werden wir kaum Chancen haben, den Marktanteil des Holzbaus in Deutschland und Europa signifikant zu steigern. Es liegt ganz sicher nicht an unserer Fähigkeit, mit dem Werkstoff Holz Bauwerke beliebiger Form und Größe zu errichten, es liegt vielmehr an der Tatsache, dass man uns auf politischer Ebene offenbar nicht ernst nimmt. Es fehlt an holzbaukundigen Verfechtern unserer Ideale und Ideen im Bundestag und Europa-Parlament. Hier gilt es anzusetzen. Es kann nicht sein, dass gewählte Volksvertreter eine Branche mit über 700.000 Beschäftigten behandeln, als ob es sie nicht gäbe!", fand DHV-Präsident Taglieber deutliche Worte in Richtung Bundes- und Europapolitik.
Was ist und macht ein "Qko"?
Einblick in die Tätigkeiten und die Aufgaben DHV-zertifizierter Qualitätskoordinatoren (kurz "Qko") gab DHV-Vorstandsmitglied Ahmed Al Samarraie. Am Beispiel des baulichen Gesundheitsschutzes machte er deutlich, wie unverzichtbar betriebliches Mehr-Wissen über das Zusammenwirken verschiedenster Materialien und Bauteile beim Hausbau ist. Zur Konkretisierung führte er Emissionen aus Baustoffen an, die die Raumluftqualität beeinflussen. "Unternehmen, die ihren Kunden gesundes Wohnen versprechen, müssen das auch halten. Wie aber kann ein Hersteller schlüssig nachweisen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um im gebauten Holzfertighaus eine einwandfreie Raumluft sicherzustellen, die für die Bewohner wie versprochen keinerlei gesundheitliche Risiken birgt?", fragte Al Samarraie, der Architekt, Bauökologe und Sachverständiger für energetisch optimiertes Bauen und Wohngesundheit ist. Dafür zu sorgen, dass DHV-Mitgliedsunternehmen trotz sich ständig verschärfender Verbraucherschutzgesetze keine rechtlichen Nachteile zu befürchten haben, ist eine wichtige Aufgabe für Qualitätskoordinatoren. Sie wirken im Betrieb darauf hin, dass der Anspruch des Kunden auf die zugesicherte Qualität systematisch und vor allem nachweislich verwirklicht wird. "Der DHV-zertifizierte Qualitätskoordinator analysiert alle betrieblichen Prozesse ergebnisorientiert, verzahnt und optimiert sie anschließend und dokumentiert sämtliche Veränderungen und Ergebnisse. Dafür muss er detailliert über alle stofflichen und bauphysikalischen Zusammenhänge Bescheid wissen und sich mit den Arbeitsabläufen im Unternehmen exzellent auskennen. Deshalb sind DHV-zertifizierte Qualitätskoordinatoren immer feste Mitarbeiter des Betriebs, in dem sie tätig werden", erläuterte Al Samarraie.
Mehr Sicherheit als Ziel
Es handelt sich bei DHV-zertifizierten Qualitätskoordinatoren also um Experten aus der Belegschaft, die der DHV durch umfassende und sehr spezifische Schulungen in die Lage versetzt, die innerbetrieblichen Weichen richtig zu stellen. Das kann etwa dadurch geschehen, dass Materialien im Fertigungsprozess gegen geeignetere ausgetauscht oder die Produktionsabläufe geändert werden. Dazu braucht es Sachverstand, der unter anderem auch Messmethoden und Nachweisverfahren kritisch hinterfragt. Beispielsweise macht es überhaupt keinen Sinn, die natürlichen Formaldehyd-Emissionen aus Holz, die den holztypischen Wohlgeruch erzeugen, schon wenige Tage nach der Fertigstellung eines Gebäudes zu messen. Denn dann sind die Messwerte noch so hoch, dass Grenzwerte, die einzuhalten sind, überschritten werden können. Häufig wird übersehen, dass es erst am Ende der sogenannten Abklingphase Sinn macht, Emissionsmessungen vorzunehmen, wenn man längerfristig aussagekräftige Ergebnisse erhalten will. DHV-zertifizierte Qualitätskoordinatoren wissen das und achten darauf, dass DHV-Mitgliedsunternehmen durch fragwürdige Messmethoden und irreführende Schlussfolgerungen kein Nachteil entsteht. Die Ausbildung von Qualitätskoordinatoren ist ein neues Leistungsangebot des DHV, das sich ausschließlich an DHV-Mitgliedsunternehmen richtet.
Es zählt vor allem der Prozess
Den ersten vier Qualitätskoordinatoren wurde in Brilon das offizielle DHV-Zertifikat überreicht. Sie werden in den Mitgliedsunternehmen Cordes Holzbau, Gumpp & Maier, KitzlingerHaus sowie Taglieber Holzbau systematisch und nachweislich für baulichen Gesundheitsschutz sorgen.
Zu Gast im Hochsauerland
"Um grenzwertige Raumluftqualität brauchen Sie sich bei uns keine Sorgen zu machen", nahm Jost Börger, Vertriebsleiter beim Sägewerk EGGER in Brilon, den inhaltlichen Faden auf. Er stellte die Firmengruppe EGGER als fortschrittliches Unternehmen vor, in dem Menschlichkeit im Umgang miteinander, Perspektiven zur persönlichen Entwicklung sowie erstklassige Qualität aller Produkte zu den gelebten Werten zählen. "Qualität bedeutet Sicherheit für alle entlang der Wertschöpfungskette", führte Jost Börger weiter aus. Nach dieser Maxime stellen weltweit 7500 Mitarbeiter der Firmengruppe EGGER an 17 Standorten Möbel und Komponenten für den Innenausbau, Fußbodenbeläge sowie Bauprodukte her. Unter Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Gesichtspunkte siedelt sich das 1961 gegründete Unternehmen, dessen Stammhaus in St. Johann/Österreich steht, vorzugsweise in ländlichen Regionen an, um dort Arbeitsplätze zu schaffen. Auch die Errichtung des jüngsten EGGER-Werks 2011 in Rumänien, das über eine jährliche Produktionskapazität von 600.000 m³ OSB-Platten verfügt, folgt diesem Leitgedanken.
Andere Unternehmen, andere Maschinen
Wie man betriebliche Produktionsabläufe richtig organisiert und den Maschinenpark so aufstellt, dass maximale Flexibilität und eine optimale Verzahnung aller Arbeitsschritte gewährleistet sind, erläuterte Dipl.-Ing. Norbert Petersohn, Geschäftsführer der Herrmann beratende Ingenieure GmbH mit Sitz in Bad Oeynhausen. Seiner Überzeugung nach sollen Holzbaubetriebe heute Systemlieferanten für die Außenhülle des Gebäudes mitsamt Wand, Dach, Fenster und Fassade sein. Die Lieferung der Holzbauelemente soll mehr und mehr "technikfertig" erfolgen, also bereits mit allen Anschlüssen, Leerrohren und Kabelkanälen versehen. "Um alle Arbeitsschritte im Produktionsprozess flexibel und dennoch rentabel gestalten zu können, ist ein in sich stimmiges System von Leistungskennzahlen erforderlich", führte Norbert Petersohn aus. Bei der Implementierung bot er den DHV-Mitgliedsunternehmen seine Expertise an, die sich auf jahrzehntelange Erfahrungen in der Optimierung von Prozessabläufen und der Planung neuer Produktionshallen gründet.
Motivation im Gepäck
Extra aus Luxemburg angereist war Schreinermeister Günter Schmitz, der über seine persönlichen Erfahrungen als Unternehmer berichtete. Seine Erkenntnisse aus der Produktion von Bauelementen und der Führung eines handwerklichen Betriebs hat er in die Gründung einer Akademie einfließen lassen: Über sein Coplaning-DenkHouse bietet er motivierende Seminare für Vertriebsmitarbeiter an, die Kunden begeistern und zu Empfehlern machen sollen.
Blick über die Baumwipfel
Nach dem fachlichen Vortragsprogramm hieß es am Spätnachmittag dann 'Raus in die Natur'! Die Teilnehmer der DHV-Tagung hatten die Gelegenheit, die Mühlenkopfschanze in Willingen zu erklimmen - mit 130 m Turmhöhe die weltgrößte Skisprungschanze überhaupt. Wintersportasse wie Jochen und Petra Behle gingen und gehen im Leistungszentrum Willingen ein und aus. Atemberaubend der Blick über die dichten Forsten des Hochsauerlands, respekteinflößend die 107 m lange Abfahrt, die Skispringer in nur 5 Sekunden mit rund 95 km/h bis zum Absprung hinunterrasen.
Alles wird genutzt
Am zweiten Veranstaltungstag bot die Firma EGGER an, die vollautomatisierte Holzverarbeitung vom Entrinden und Sortieren der Baumstämme, die aus PEFC- und FSC-zertifizierten Forsten im Umkreis von 200 km rund ums Werk Brilon stammen, über das Sägen und alle Stufen der Weiterverarbeitung bis hin zum transportgerecht palettierten Endprodukt zu zeigen. Beeindruckend: Mensch und Maschine bilden während des gesamten Verarbeitungsprozesses einen kongenialen Wirkverbund, der im Ergebnis zu qualitativ hochwertigen, international gefragten Holzwerkstoffen führt.
Dass bei Verarbeitung von EGGER-Produkten auch die Innenraumlufthygiene stimmt, legte DI Jana Sprockhoff am Beispiel von Messungen im Stammhaus St. Johann schlüssig dar. Ihre Erkenntnis, die sie durch exakte Messreihen untermauerte: Emissionen, die vom Nutzerverhalten herrühren, dürften die natürliche Freisetzung von Formaldehyd und anderen flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs) aus dem Werkstoff Holz in der Regel übersteigen.
Zimmermann Moritz Steinruck, Produktmanager Schnittholz bei EGGER in Brilon, befasste sich anschließend mit dem aktuellen Stand der CE-Kennzeichnungspflicht für Dachlatten, die ebenfalls zum Portfolio der Firmengruppe zählen. Vor dem Hintergrund der immer stärker nach Brüssel verlagerten Gesetzgebungskompetenzen schlussfolgerte er, dass künftig alle definierten Bauprodukte eine CE-Kennzeichnung tragen müssen. Ü-Zeichen hingegen verlieren mehr und mehr an Bedeutung, da sie nur einer begrenzten Zahl von Unternehmen freien Marktzugang ermöglichen.
Dipl.-Ing. Axel Düwel, Anwendungstechniker im Unternehmensbereich Bauteile, stellte die bauphysikalischen Eigenschaften von Holzfaser-Unterdeckplatten EGGER DHF vor und erläuterte, wie sie gesetzlichen Anforderungen und den Erwartungen des Marktes gerecht werden. "Als Regensichernde Zusatzmaßnahmen entsprechen sie den erhöhten Anforderungen des Zentralverbandes des Deutschen Dachdecker-Handwerks und schützen die Konstruktion schon während der Bauphase vor Feuchteeintrag und Insekten", führte Axel Düwel aus. Außerdem erhöhen sie nachweislich die Stabilität, so dass sie als Behelfsdeckung nach ZVDH-Regelwerk verwendet werden können.
Passend zur Dachdämmung stellte Zimmermeister Thomas Stein, Produktmanager Luft-und Winddichtsysteme beim Bauzulieferer Würth, neue Fassaden und Dachbahnen der seit 30 Jahren bewährten Stamisol- Produktlinie vor. Die neue Generation ist diffusionsoffen, weichmacherfrei und UV-beständig, so dass eine Freibewitterung von bis zu 24 Monaten möglich ist. Zur Veranschaulichung führte Stein aus, dass im Jahr 1991 in der Schweiz ein nicht eingedecktes Dach auf einem eingestellten Bauvorhaben entdeckt worden war, bei dem trotz siebenjähriger Freibewitterung die Dämmung und die Holzbauteile unter der Dachbahn größtenteils noch intakt waren: "Das sind zwar keine normgerechten Bedingungen, aber welcher Qualitätstest sieht schon 15440 Stunden Sonne, 960 Tage Regen, 21 Tage Schnee und 3 Tage Hagel zur Erprobung einer Dachbahn vor!"
Mit großer Freude begrüßte DHV-Präsident Erwin Taglieber DI Sylvia Polleres von der Holzforschung Austria. Die profilierte Wissenschaftlerin führte aus, dass nach einer Studie der ETH Zürich, die insgesamt 5.000 Neubauten der Baujahre 1991 bis 2010 auf Baumängel untersucht hat, Ausführungsfehler an der Gebäudehülle einschließlich Sockelbereich im Gegenwert von 1,6 Mrd. Franken beseitigt werden mussten. Pro Wohneinheit seien im Durchschnitt 15 Mängel zu beklagen. Pragmatisch nahm sie sich sogleich des Sockelanschlusses im Holzhausbau an, der als besonders wetterexponierter Bereich stark schadensanfällig scheint. Sylvia Polleres plädierte dafür, sich eingehend mit der Ausführung der Anschlussdetails im Sockelbereich zu befassen. Die Holzforschung Austria hat hierfür Muster-Detailausführungen erarbeitet, die DHV-Mitgliedern für verschiedene bauliche Situationen und Untergründe zur Verfügung stehen und für eine kontrollierte Ableitung des Regen-, Stau- und Sickerwassers sorgen.
Dipl.-Ing. Markus Möllenbeck, Produktmanager bei Fermacell, erläuterte die aktuellen Brandschutzvorschriften, die für Geschossbauten in Holzbauweise gelten - und natürlich auch, wie ihnen Holzbauunternehmen mit Fermacell-Produkten voll und ganz gerecht werden.
DHV-Vorstandsmitglied Richard Adriaans, Sachverständiger für flache und flach geneigte Dächer aus Herford/Westfalen, setzte sich kenntnisreich mit Warm- und Kaltdachkonstruktionen auseinander. Anhand von Schadensbildern aus seiner beruflichen Praxis, an denen die Folgen schludriger Bauausführung überdeutlich wurden, unterstrich er die Notwendigkeit, im Holzbau auf die Details zu achten und sich über alle bauphysikalischen Gegebenheiten zu informieren, bevor man mit der Montage beginnt. "Dabei nimmt Holz Ausführungsfehler noch nicht einmal übel. Wird es falsch behandelt und der Bewitterung ungeschützt ausgesetzt, löst es sich nach einiger Zeit von selbst auf und verschwindet", merkte Richard Adriaans schmunzelnd an. Qualität, so seine Mahnung, folgt im Holzbau sicher nicht dem "Augen-zu-und-durch-Prinzip". Dass und wie sich Pfusch rächt, hat sein Vortrag eindrucksvoll gezeigt.
"Handwerkliches Können und geschulter Sachverstand sind unverzichtbar, wenn das gebaute Ergebnis der Forderung des Marktes nach hochwertigen, dauerhaft verlässlichen Holzfertighäusern gerecht werden soll. Das hat die Tagung im Hause EGGER in Brilon auf vielfältige Weise belegt", schloss Dipl.-Ing. Wolfgang Schäfer, technischer Leiter des DHV in Ostfildern. Für vorbildliche Qualität im Holzfertigbau hat der DHV in Brilon nach einhelliger Meinung der Teilnehmer ein Zeichen gesetzt. Seine Marktkenntnis und Innovationskraft stellt der engagierte Verband den 160 Mitgliedsbetrieben gerne zur Verfügung und steht mit seinem bedarfsgerechten Servicepaket auch Mitgliedschaftsbewerbern offen.
Alle Vorträge, die auf der DHV-Fachtagung in Brilon gehalten wurden, stehen im Internet auf www.d-h-v.de zum Herunterladen bereit. Weiterführende Informationen über modernes Bauen und gesundes Wohnen in einem Fertighaus aus Holz gibt es beim DHV, Deutscher Holzfertigbau-Verband e.V., Hellmuth-Hirth-Str. 7, 73760 Ostfildern, info@d-h-v.de
Terminvorschau: Die DHV-Herbstfachtagung und die Mitgliederversammlung finden dieses Jahr am 19./20. November im Kultur- und Tagungszentrum Langenselbold statt. Einladung und Tagesordnung gehen den Mitgliedern rechtzeitig zu. Der Vorstand bittet schon jetzt um möglichst vollzähliges Erscheinen.
Über den DHV
Mit über 160 Mitgliedern ist der Deutsche Holzfertigbau-Verband e.V. (DHV) die größte Organisation für den handwerklichen Holzfertigbau. Er vereint Architekten und erfahrene Tragwerksplaner ebenso wie Hersteller von vorgefertigten Holzbau-Elementen für Gebäude aller Art und Ingenieurholzbau-Unternehmen, aber auch Partner aus der Zulieferindustrie gehören ihm an. Das gemeinsame Ziel heißt Holzbau komplett: von der Beratung über die Planung und Vorfertigung bis zur schlüsselfertigen Ausführung. DHV, Deutscher Holzfertigbau-Verband e.V., Hellmuth-Hirth-Str. 7, 73760 Ostfildern, E-Mail info@d-h-v.de, Web www.d-h-v.de