Aus Berlin berichtet Achim Dathe, Baufachjournalist abp
Es geht um Produkte aus Bauholz und Holzwerkstoffe sowie um Holzverbindungsmittel: Welche Verordnung wird ihr Inverkehrbringen in Zukunft maßgeblich regeln? Welches Gewicht kommt der CE-Kennzeichnung zu, durch die ein Hersteller die Konformität seines Bauprodukts mit allen gesetzlichen Bestimmungen erklärt? Was heißt das für die Zertifizierungspraxis und die Vergabe des RAL-Gütezeichens? Mit solchen und ähnlichen Fragen befasst sich beim DIBt die Sektorgruppe 18/20 ‚Produkte aus Bauholz und Holzwerkstoffe‘ des deutschen Spiegelgremiums der Advisory Group der Notifizierten Stellen.
Dipl.-Ing. Thomas Rochow, Technischer Leiter des GIN-Mitgliedsunternehmens Ing.-Holzbau Schnoor in Burg bei Magdeburg und stellvertretender Obmann des GIN-Güteausschusses, hat an der jüngsten Sitzung der Sektorgruppe 18/20 beim DIBt teilgenommen. Im Anschluss zog er ein bemerkenswertes Zwischen-Fazit: „Wir müssen in Europa anspruchsvolle Qualitäts-Standards setzen, damit wir auf absehbare Zeit nicht von weitaus unverbindlicheren ISO-Vorschriften dominiert werden.“ Als Konsequenz fordert er ebenso wie Dipl.-Ing. Jochen Scherer, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Zimmererhandwerk sowie Technischer Leiter beim Nagelplattenhersteller MiTek Industries in Köln, eine kontinuierliche Begleitung des gesamten Normgebungsprozesses durch die Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte. Dies sei unerlässlich, um das für den Tragwerksbau erforderliche Qualitätsniveau von Nagelplattenbindern und Nagelplatten dauerhaft gewährleisten zu können, argumentiert Jochen Scherer.
ISO-Vorschriften gelten im Vergleich zu geltenden deutschen und europäischen Holzbau-Normen als durchlässiger, was Wettbewerbern aus Ländern mit bedenklich niedrigen Qualitätsanforderungen Türen öffnen könnte. Im Interesse maximaler Sicherheit von Bauprodukten, die beim Tragwerksbau zum Einsatz kommen, spricht sich daher auch der Vorstand der Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte e.V. (GIN) für strenge normative Anforderungen auf hohem Qualitätsniveau aus.
Die Zukunft in die Hand nehmen
„Es gilt, jetzt die Weichen richtig zu stellen und die kommende Europäische Bauprodukten-Verordnung in unserem Sinne mitzugestalten.“, unterstreicht Marko Pfeiffenberger, Geschäftsführer des Nagelplattenbinder-Herstellers Skandach Holzindustrie aus Bördeaue-Unseburg und seit 2021 GIN-Vorstandsmitglied. Der gewählte Obmann des GIN-Güteausschusses ließ seinen Worten sogleich Taten folgen: Für den 13. September hatte er Mitarbeiter/-innen der Notifizierten Stellen und Ausschussmitglieder zu einem moderierten Informationsaustausch nach Berlin-Kreuzberg eingeladen. Das Themenspektrum erstreckte sich dabei sowohl auf die Gütesicherung bei der Binderherstellung als auch auf den Ablauf der Montage. Für beide Bereiche sind bei den insgesamt 33 güteüberwachten GIN-Mitgliedsunternehmen die Zertifizierungsbestimmungen des RAL-Gütezeichens 601 „Nagelplattenprodukte“ maßgeblich: Teil 1 für die Herstellung, Teil 2 für die Montage.
Mit Sicherheit robust
Die Praxisberichte der Güteüberwacher in Berlin machten deutlich, dass Nagelplattenbinder-Dachtragwerke sichere, robuste Konstruktionen sind. Das rührt auch daher, dass nach Maßgabe der GIN-Satzung selbst marginale Abweichungen von der Planung dokumentiert werden müssen, sobald sie im Zuge allfälliger Überwachungen in Erscheinung treten. Dazu genügt beispielsweise schon das einmalige Überschreiten der maximal zulässigen Holzfeuchte an einem einzigen Knotenpunkt, die die Satzung der Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte auf 20 Prozent limitiert. Oder das marginale Überschreiten der Holzdickentoleranz um wenige Zehntel Millimeter bei Verwendung von gehobeltem Holz. „Wann immer es um sicherheitsrelevante Aspekte im Tragwerksbau geht, nehmen wir es ganz genau. Präzisionsarbeit ist bei uns Tagesgeschäft!“, betonte in Berlin GIN-Güteausschuss-Mitglied Dipl.-Ing. Heike Mierisch, die beim güteüberwachten Nagelplattenbinder-Hersteller Opitz Holzbau in Neuruppin die Technik leitet.
Dokumentierte Güte
Damit ein Tragwerk aus Nagelplattenbindern allzeit wie vorgesehen funktioniert, es der Beanspruchung durch Wind und Wetter zuverlässig widersteht und die jeweilige Eindeckung sicher trägt, wird die komplette Fertigungskette über europäisch harmonisierte Bauprodukte erfasst. Danach sind vom Holzverbindungsmittel über das Holz alle verwendeten Einzelteile wie auch die Verarbeitungsprozesse im Werk zu zertifizieren; für fachwerkartige Konstruktionen ist die Übereinstimmung für jedes einzelne Tragglied sowie für das Dachtragwerk als Ganzes gemäß eingeführter Bemessungsnormen nachzuweisen. „Gefordert wird im Interesse maximaler Sicherheit der Übereinstimmungsnachweis bis ins Detail. Grundlage für die statische Bemessung bilden dabei die europäischen Produktnormen für Nagelplatten und Nagelplattenbinder EN 14545 und EN 14250.“, erläutert Dipl.-Ing. Thomas Rochow.
Montage qualitätsentscheidend
„Die Montage von Nagelplattenbindern ist ein sensibler, qualitätsentscheidender Arbeitsabschnitt auf der Baustelle und soll nur von qualifiziertem Personal vorgenommen werden. Tauchen in der Praxis Mängel an Nagelplattenbinder-Dachtragwerken auf, liegen die Ursachen zumeist in der Montage und Wartung.“, berichtet der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige Dipl.-Ing. Jochen Scherer. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, möglichst viele Betriebe, die von GIN-Mitgliedsunternehmen gefertigte Tragwerke montieren, fachgerecht zu schulen. Über gute Erfahrungen mit der Schulung von Montagebetrieben im eigenen Unternehmen berichtete der Kreuzberger Runde Ausschussmitglied Dipl.-Ing. Heike Mierisch. Ihre Erkenntnis: „Die Zertifizierung der Montagebetriebe ist wichtig, um Ausführungsmängel schneller zu erkennen und die geschuldete Güte zu gewährleisten. Außerdem spart jedes Unternehmen bares Geld, wenn Fehler bzw. Abweichungen von der Norm sofort erkannt und unverzüglich abgestellt werden können.“
Prüfung step by step
„Rein formal tragen zu optimaler Montagequalität auch die Vereinheitlichung des Ablaufs der Prüfungen sowie die Verwendung einheitlicher Protokolle bei.“, ergänzte Dipl.-Ing. Nicolas Hilpert, stv. Obmann im GIN-Güteausschuss. Seinem Optimierungsvorschlag liegt die Beobachtung zugrunde, dass in so gut wie allen Prüfberichten zwar sämtliche Einzelheiten erfasst seien, die Abfolge der Prüfungen und die Berichtsstruktur jedoch höchst unterschiedlich ausfielen. Das erschwere die Vergleichbarkeit. Besser, so Hilpert, wäre ein einheitlicher Prüfbericht mit klarer Abfolge der zu dokumentierenden Prüfschritte. Güteausschussvorsitzender Marko Pfeiffenberger griff den Ansatz auf und kündigte an, dass der Verband ein überarbeitetes Protokoll vorschlagen werde, das dann von allen Notifizierten Stellen in einheitlicher Fassung für Prüfungen bei Tragwerksherstellern verwendet werden könne.
Entscheidende Kriterien
Letztlich hängt es vom verantwortungsbewussten Verhalten jedes Unternehmers ab, wie genau es seine Mitarbeiter im Arbeitsalltag mit der Erfüllung qualitätssichernder Anforderungen nehmen. Bei GIN-Mitgliedsunternehmen trägt dazu die Satzung der Gütegemeinschaft bei, aus deren Bestimmungen sich unter anderem folgende Qualitätsmerkmale güteüberwachter Nagelplattenkonstruktionen ergeben:
- Bauholz für Nagelplattenbinder von GIN-Mitgliedsbetrieben ist nach der Tragfähigkeit sortiert und entspricht DIN EN 14081-1. Das Baumaterial weist mindestens die Festigkeitsklasse C24 nach EN 338 auf.
- Technische Trocknung des Holzes in GK0 und GK1 nach DIN 68800 ist für GIN-Mitglieder Pflicht. Die Holzfeuchte darf maximal 20 Prozent betragen, was chemischen Holzschutz überflüssig macht.
- Im Bereich der Knotenpunkte ist die Dickentoleranz der zu verbindenden Holzteile auf 1 mm beschränkt. Die Plattenlagetoleranzen der Nagelplatten betragen maximal 5 mm.
- Als Holzverbindungsmittel werden Nagelplatten eingesetzt, die DIN EN 14545 und DIN 20000-6 entsprechen und in der Regel über eine Bauartgenehmigung verfügen. Sie werden serienmäßig verzinkt; bedarfsweise stehen sie auch in Edelstahlausführung zur Verfügung.
Aber wer prüft eigentlich die Prüfer? Wer spiegelt, ob die Prüfkriterien ausreichen? Was gilt es zu verbessern, was läuft bereits rund? Die 15 Teilnehmer/-innen der „Kreuzberger Runde“ hatten ein weites Feld zu bestellen. Marko Pfeiffenberger, Obmann des GIN-Güteausschusses, und seine beiden Stellvertreter Thomas Rochow und Nicolas Hilpert sprachen rund um Normung, Güteüberwachung und Qualitätssicherung ein breites Spektrum potenzieller Optimierungsmöglichkeiten an. Die in Berlin diskutierten Ansatzpunkte werden nun in den zuständigen Verbandsgremien detailliert beraten und in Beschlussvorlagen für die Mitgliederversammlung umgemünzt. Danach finden sie – mehrheitliche Zustimmung vorausgesetzt – Eingang in die Satzung. Von diesem Zeitpunkt an präzisieren und verschärfen sie die Anforderungen zur Gütesicherung im Tragwerksbau, zu deren Einhaltung sich die Mitglieder der Gütegemeinschaft Nagelplattenbinder e.V. (GIN) – 25 Hersteller und 8 Montagebetriebe – verpflichtet haben.
Die Adressen güteüberwachter GIN-Mitgliedsunternehmen sowie valide Informationen, die zur Beurteilung von Tragwerkskonstruktionen aus Nagelplattenbindern herangezogen werden können, finden sich im Internet auf https://www.nagelplatten.de Darüber hinaus kann man sich mit Auskunftswünschen rund um den professionellen Tragwerksbau mit Nagelplattenbindern auch direkt an die Verbandsgeschäftsstelle wenden. Die Kontaktadresse: Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte e.V. / Interessenverband Nagelplatten e.V., Schanzenstr. 23, 51063 Köln, E-Mail: GIN@nagelplatten.de
GIN – Gütegemeinschaft und Interessenverband
Die Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte und der Interessenverband Nagelplatten machen sich gemeinsam für Tragwerke aus gütegeprüften Nagelplattenbindern stark.
Köln (GIN) – >Starke Verbindungen!